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Corona-Soforthilfe in BerlinDen Zuschuss gebraucht?

Die Empfänger*innen von Coronahilfen für Soloselbstständige und Kleinfirmen werden aufgefordert, ihre Förderung selbst zu überprüfen.

Wer sein Geschäft wegen Corona zumachen musste, ist nun womöglich in seiner Existenz bedroht Foto: Sebastian Wells/OSTKREUZ

Berlin taz | Die Berliner Verwaltung steht in dem Ruf, nicht die schnellste, effektivste und motivierteste zu sein. Doch Ende März geschah das Unglaubliche. Wegen der Coronakrise beantragten 233.000 Soloselbstständige und Kleinfirmen öffentliche Zuschüsse aus dem „Soforthilfeprogramm II“. Und tatsächlich kam das Geld innerhalb weniger Tage auf den Konten an. Wie hat die Investitionsbank Berlin (IBB) das bloß geschafft?

Nun, zwei Monate später, versendet die Bank Schreiben an die Empfänger*innen mit der Überschrift „Belehrung“. Betrüger*innen wird Strafe angedroht. Doch die Aufforderung richtet sich an alle: Wer Geld bekommen habe, möge bitte überprüfen, ob er und sie es wirklich brauchte. Die Kontoverbindung für die Rücküberweisung gibt die IBB gleich mit an.

Über 10.000 Leute hätten bereits mehr als 72 Millionen Euro zurückerstattet, sagt IBB-Sprecher Uwe Sachs. So fragen sich viele Selbstständige jetzt: Habe ich den Zuschuss zu Recht erhalten, und wie soll ich das berechnen?

Die Angelegenheit ist kompliziert, weil es Anträge für mehrere Programme und Zuschüsse mit verschiedenen Konditionen gab – alle verteilt von der IBB. Zum einen konnten Soloselbstständige und Kleinstfirmen 5.000 Euro aus Mitteln des Landes Berlin erhalten.

Zum Leben und für Sachkosten

Dieses Geld durfte verwendet werden, um die Lebenshaltungskosten der Selbstständigen und Löhne von Beschäftigten weiterzufinanzieren. Außerdem konnte es dazu dienen, Sachkosten wie Geschäftsmiete, Versicherungen, Zinsen für Kredite und Firmenfahrzeuge bezahlen.

Zusätzlich stellte die Bundesregierung Zuschüsse von bis zu 9.000 Euro für Firmen mit maximal fünf Beschäftigten und bis zu 15.000 Euro für Betriebe mit höchstens zehn Leuten zur Verfügung. Dabei war es untersagt, die Förderung für Personalkosten auszugeben. Ausschließlich Sachkosten waren erlaubt. Beide Programme ließen sich kombinieren.

Wer also beispielsweise 9.000 Euro bis zum 1. April beantragt hat, kann davon 5.000 Euro für Personal- und 4.000 Euro für Sachkosten einsetzen. Plausibel dürfte es erscheinen, sich von den 5.000 Euro drei Monate lang jeweils 1.650 Euro Unternehmerlohn auszuzahlen. Und zum Beispiel dreimal 1.315 Euro Ladenmiete wären durch die 4.000 Euro abgedeckt. Zurückzuzahlen gäbe es nichts. Voraussetzung ist jedoch immer, dass ohne die Zuschüsse eine existenzbedrohende Wirtschaftslage entstanden wäre.

Allerdings müssen die Antragsteller*innen Umsätze gegenrechnen, die sie wider Erwarten doch erwirtschaftet haben. Wenn nach Abzug aller Kosten in den Coronamonaten vielleicht 3.000 Euro Einnahmen verbucht wurden, sinkt der Zuschuss um diesen Betrag. Die Firma sollte dann 3.000 Euro an die IBB zurücküberweisen.

Und die Investitionsbank betont die Bedeutung des Antragsdatums: „Bei einer Antragstellung ab dem 6. April sind nur noch Betriebskosten finanzierbar, ein Einsatz für die Lebenshaltungskosten ist nicht mehr möglich.“ In jedem Fall sollte man genau nachschauen, aus welchem Programm die Mittel beantragt und bewilligt wurden. Ob und was zurückzuzahlen ist, richtet sich nach den jeweiligen Bedingungen.

Spezialproblem Teilselbständigkeit

Ein Spezialproblem tut sich bei sogenannter Teilselbstständigkeit auf. Das betrifft etwa Leute, die 60 Prozent ihrer Einnahmen auf Basis eines Arbeitsvertrages und 40 Prozent als Selbstständige erwirtschaften. „Teilselbstständige waren nur bei Antragstellung bis einschließlich 30. März förderbar, danach nicht mehr“, schreibt IBB-Sprecher Uwe Sachs. „Bis dahin unterschieden sie sich nicht von Personen im Vollerwerb, konnten also auch bis zu 5.000 Euro für Lebenshaltungskosten ansetzen.“

Allerdings durften sie das Geld nur verwenden, um Ausfälle der selbstständigen Tätigkeit zu kompensieren. Und das auch nur, wenn sie durch diesen Verlust in eine existenzgefährdende Lage kamen – trotz des zusätzlichen Arbeitsvertrags. Zu viel erhaltenes Geld sollte man auch hier zurücküberweisen.

Ende Juni sind drei Monate rum, seit die Zuschüsse eintrafen. Dann ist es Zeit, in sich zu gehen und den Strich unter die erste Coronaphase zu ziehen, empfiehlt die IBB. Wobei die Bank keine „flächendeckende Überprüfung“ durchführt. Sie beschränkt sich auf Stichproben. Kommen dabei Zweifel auf, will sie aber in die Tiefe gehen.

Und auch die Finanzämter können die Zuschüsse noch mal überprüfen, weil diese in den Steuererklärungen der Firmen auftauchen müssen. Finden sich da quasi normale Umsätze plus öffentliche Hilfe, dürfte das zu Problemen führen.

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