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Nachhaltige Anlagen in Zeiten von Corona

Investitionen, die sich an Grundbedürfnissen orientieren, erweisen sich als besonders krisenfest – wie etwa Ernährung, Energie und Medizin

Woher weht nun der Wind? Das Wesen von Krisen ist ihr un­berechenbares Drehbuch Foto: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Von Bernward Janzing

Corona ist die Stunde der Wahrheit für nachhaltige Geldanlagen. In der Theorie nämlich hatten Vertreter dieser Assetklasse oft versichert, sie sei besonders krisenresistent. Zwar standen als Szenarien immer eher solche Krisen im Raum, die von der Finanzwirtschaft ausgehen – etwa von platzenden Preisblasen an Aktien- oder Immobilienmärkten oder von der historisch beispiellosen Zinspolitik. Doch das Wesen von Krisen ist ihr unberechenbares Drehbuch.

Also stellt sich nun die Frage, als wie resilient sich die nachhaltigen Geldanlagen während der Coronakrise erweisen. Eine grundsätzliche Betrachtung ist deswegen schwer, weil Nachhaltigkeit – längst zum Modewort verkommen – sehr unterschiedlich definiert wird. Manche Investmentfonds, wegen ihrer eher laxen Kriterien gerne als „hellgrün“ bezeichnet, arbeiten schlicht nach dem Prinzip „Best in Class“. Kriterium dabei: Ein Unternehmen muss bei der Nachhaltigkeitsbewertung besser abschneiden als die Mitbewerber der Branche. Da können dann selbst Fluggesellschaften oder Kohleunternehmen als nachhaltig durchgehen.

Die Scope Group, ein Analyst von Investmentfonds, hatte zum 31. März, als der Coronalockdown seinen Höhepunkt erreichte, die Kursentwicklungen von Fonds seit Jahresbeginn ausgewertet. Das Ergebnis war ernüchternd, denn die globalen Aktienfonds der Kategorie „nachhaltig“ lagen nur um Haaresbreite vorne. Sie verzeichneten ein Minus von 17,2 Prozent, während der Vergleichsindex MSCI Welt um 18,9 Prozent einbrach. Die nachhaltigen Aktienfonds aus Schwellenländern schnitten – separat betrachtet – sogar etwas schlechter ab als der konventionelle Vergleichsindex MSCI EmergingMarkets. So waren die breit angelegten Nachhaltigkeitswerte durch Corona offensichtlich kaum weniger verwundbar als Durchschnittsaktien.

Der Best-in-Class-Ansatz habe sich als „sehr schwach“ erwiesen, bilanziert nun Andrew Murphy von der Murphy & Spitz Nachhaltige Vermögensverwaltung in Bonn. Vor allem die als nachhaltig deklarierten ETFs, das sind passive Fonds, die Nachhaltigkeitsindizes abbilden, seien als wenig zielführend „entlarvt“ worden. Hingegen hätten jene Portfolios, die aktiv in nachhaltigen Branchen anlegen, „eine Outperformance“ erlebt. „In den Branchen ­erneuerbare Energien, Naturkost, Effizienz, Gesundheit und Mobilität gibt es einige Firmen, deren Geschäftsmodelle während der Coronakrise sogar gewonnen haben“, sagt Murphy.

Konkret benennt der Marktkenner Aktien von Firmen wie etwa Encavis (ein Betreiber von Solar- und Windparks) und IVU Traffic Technologies (ein Softwareunternehmen für den öffentlichen Verkehr), die seit Jahresbeginn jeweils um gut 30 Prozent zulegten. Freilich spiegeln Aktien auch Modeerscheinungen wider. So berichtete kürzlich der Branchendienst Ecoreporter, es hätten sich in den letzten drei Monaten auch die meisten untersuchten „veganen Aktien“ gut entwickelt – „trotz oder teilweise auch wegen Corona“.

Nachhaltigkeit ist zu einem Modewort verkommen und wird daher unterschiedlich definiert

Auf der Verliererseite unterdessen ist die Lufthansa ein Extrembeispiel. Die Fluglinie schaffte es zwar nach der Best-in-Class-Logik in diverse Nachhaltigkeitsfonds, doch als Corona kam, ging sie schneller in die Knie als man gucken konnte. Nun wird das Unternehmen vom Staat mit Milliarden gerettet. Somit hat sich auch während Corona jener Gedanke bewahrheitet, der oft die Basis einer strengen Auslegung von Nachhaltigkeitskriterien ist: Investitionen in die fundamentalen Grundbedürfnisse, wie Ernährung, Energie und Medizin sind krisenfester als jene in nachrangige Aktivitäten.

Entsprechend trifft die Coronakrise auch jene Banken kaum, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, weil ihr Geschäft ein bodenständiges ist. „Jede Krise hat uns stärker gemacht“, sagt Christof Lützel, Sprecher der sozial-ökologischen GLS Bank. Und so spüre man auch derzeit wieder „ein starkes Neukundengeschäft“. Der eigene GLS-Aktienfonds, der, so Lützel, „höhere Ansprüche verfolgt als nur Best in Class“, also viele Branchen grundsätzlich ausschließt, kam mit einem Minus von 5,1 Prozent seit Jahresbeginn (bis Ende Mai) besser durch die Krise als der DAX, der 12,3 Prozent verlor.

Bleibt nun die Frage: Wird der Trend zugunsten der konsequent nachhaltig agierenden Unternehmen anhalten? Analyst Murphy geht davon aus. Denn diese Firmen seien „auf die Zukunft orientiert“. Auch Andreas Enke vom Verein zur Förderung ethisch-nachhaltiger Geldanlagen (VenGa) glaubt langfristig an den finanziellen Vorteil durch Nachhaltigkeit: „Wir erleben gerade einen Umbau am Aktienmarkt“, die „Old Economy“ werde „weiterhin stark leiden“. Der Wandel werde vor allem dann voranschreiten, wenn der Klimaschutz politisch an Bedeutung gewinnt. Denn wenn CO2-Emissionen zunehmend mit einem Preis belegt werden, gewinnen jene Firmen einen Wettbewerbsvorteil, die nicht nur auf dem Papier nachhaltig wirtschaften – dafür sorgt dann die Marktlogik.