Autodisco, Autokino, Autohype: Ist das die Zukunft?
Das Auto ist der Gewinner in der Coronakrise. Ich merke es am Boom der Autoevents – und an der Veränderung des öffentlichen Diskurses über das Auto.
M eine Freundin zeigt mir Bilder und Filmausschnitte auf ihrem Handy. Ihr Mann war auf einer Autodisco in Niedersachsen. „Auf einer Disco geht es doch ums Tanzen“, sage ich. „Um Gucken und Knutschen. Um Sehen und Gesehen-werden. Das funktioniert doch so nicht.“
„Eine Autodisco hat andere Regeln“, sagt meine andere Freundin. Da kannst du in Jogginghose hingehen, du musst nur ein gutes Auto haben. Das ist dein Outfit.“ Das leuchtet mir ein. Dem Mann meiner Freundin hat es gefallen. Er ist Autohändler und stand in der ersten Reihe. Die Autos hupten und blinkten wie verrückt mit ihren Scheinwerfern, zwei Leute liefen herum und luden mit einem „Booster“ die schwächelnden Batterien auf. Ist das die Zukunft?
Wenn ich erst dachte, das Fahrrad würde durch die Coronakrise gewinnen, habe ich den Eindruck, dass das Auto noch mehr gewonnen hat. Tatsächlich boomt der Fahrradhandel, wie ich gelesen habe, und es ist auch nicht leicht, einen Termin für die Fahrradreparatur zu bekommen. Aber die Zugabteile sind immer noch spärlich belegt. Im Metronom, in dem ich am Freitag nach Rotenburg unterwegs war, saßen nur sehr wenige Menschen und das Abstandhalten war kein Problem.
Wo sind nun die ganzen Menschen, die sonst im Metronom unterwegs waren? Bleiben sie immer noch zu Hause oder fahren die Metronom-Fahrer jetzt alle Auto?
Ich habe in den letzten Wochen viel über die Bedeutung des Autos nachgedacht. Über die Attraktivität des privaten Raums, im Gegensatz zum öffentlichen Raum, der U-Bahn, zum Beispiel. Man ist für sich oder mit ausgewählten Menschen, hat die Wahl bezüglich Gestaltung, Ordnung, Gesellschaft, den Weg. Es ist ja fast nichts so sehr Ausdruck des Privaten, wie das Unterwegssein im eigenen Auto. Vielen Deutschen ist es auch ein Bild der Freiheit, und jeder Gesetzesentwurf, der die Regulierung des Straßenverkehrs berührt, wird empört als Einschränkung dieser Freiheit empfunden.
Für mich wurde dieses mit dem Auto verbundene Freiheitsgefühl, wenn überhaupt, nur in amerikanischen Filmen transportiert. Auf endlosen Highways unbekannten Abenteuern entgegen fahren, das schien auch mir in meiner Fantasie manchmal verlockend zu sein.
Ich las natürlich Jack Kerouac und träumte von Reisen ohne Ziel. Ich hatte einen alten, kleinen Polo mit karierten Sitzen, aber meine eigenen Reisen waren selten abenteuerlich, sondern kamen mir anstrengend und unspektakulär vor. Abenteuer waren anscheinend eine Erfindung. Autofahren im Autoland Deutschland bedeutet Stau, ADAC, Sanifair-Bons, platte Igel.
Während der Coronakrise hat es eine Veränderung des öffentlichen Diskurses um das Auto gegeben. Der Verteidiger des Individualverkehrs – er hat jetzt plötzlich recht. Im Auto ist er sicher vor dem Fremden, dem Virus, in seinem kleinen Wohnzimmer kann er, mit geschlossenen Scheiben, clean sein Ziel erreichen und sogar andere schützt er mit diesem Verhalten, zumindest vor dem Virus. Und da bietet es sich anscheinend an, dass man diese bürgerliche Individualzelle für Events nutzt.
Das Autokino erlebt ein Revival. Und auch das kenne ich wieder nur aus amerikanischen Filmen. Da in meiner Jugend kaum jemand über ein Auto verfügte, gab es, zumindest in meiner Gegend, auch keine Autokinos. Auch meine Freundinnen waren, damals im Westen, nie in einem Autokino gewesen. Es war anscheinend auch in der alten Bundesrepublik nicht so verbreitet wie zum Beispiel in den USA. Am 6. Juni eröffnet nun in Hamburg auf dem Heiligengeistfeld ein Autokino mit einem recht ambitionierten Programm. Aber ich habe kein Auto. Ich kann nicht hin. Ich würde vielleicht.
Disco ohne Arschwackeln aber? Warum nicht? Was weiß ich über die Bedürfnisse der Menschen, die eine Autodisco besuchen?
Vielleicht muss man darin nicht gleich ein Anzeichen für irgendwas sehen, sondern es ist nur ein skurriles Bild für das, was das Auto gesellschaftlich schon ist. Und eben höre ich von einer Treckerdisco.
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