corona in bremen: „Bei der Trauerphase wollen alle dabei sein“
Interview Sophie Lahusen
taz: Herr Aydin, Sie haben sich mit Ihrem Bestattungsinstitut vor allem auf muslimische Kunden spezialisiert. Was war vor der Coronazeit der normale Ablauf bei einem Todesfall?
Ibrahim Aydin: Normalerweise sind unsere Klienten von Anfang bis Ende dabei, es findet ein Trauergespräch mit der gesamten Familie im Institut oder bei den Menschen zu Hause statt, da sind meistens 20 oder 30 Menschen dabei und es wird alles besprochen, das ist momentan nicht machbar. Auch die Totenwäsche und das Trauergebet sind momentan nur mit einer bestimmten Anzahl möglich. Traditionell findet das Gebet auch in der Moschee statt, die sind jetzt komplett geschlossen.
Was ist momentan mit den Bestattungen?
In Bremen haben wir es mit 20 Personen, die während der Bestattung anwesend sein können, noch sehr gut gegenüber Niedersachsen beispielsweise, da sind es nur 10. Das ist extrem schwer, denn bei der Trauerphase wollen alle Angehörigen dabei sein.
Sie überführen aber Verstorbene, sogar die meisten, auch zurück in ihre Heimat, in die Türkei: Wie lässt sich das zurzeit gestalten?
Das ist momentan die größte Schwierigkeit. Wir überführen die Verstorbenen, wenn das ihr letzter Wunsch war, aber die Angehörigen können momentan nicht mitfliegen. Das sind nur Frachtflieger, die keine Passagiere nehmen. Die Verstorbenen werden also nicht begleitet.
Und wohin gehen die Frachtflieger?
Zurzeit alle nach Istanbul. Wir müssen das Bürokratische vorher alles von hier geklärt haben, wie der Verstorbene dann abgeholt wird für einen Weitertransport, sonst sind da die Angehörigen dabei. Wir haben viel mehr Arbeit damit.
Ibrahim Aydin, 41, ist Bestatter und leitet das Bestattungsunternehmen Aydin in Walle in zweiter Generation.
Inwiefern?
Die Flugzeuge gehen momentan nur von Frankfurt, wir fahren gerade 1.000 bis 2.000 Kilometer pro Verstobenem, sonst sind es 200 bis 300 Kilometer, weil die Flugzeuge von Hannover gehen.
Macht es das für Sie persönlich auch schwieriger?
Gott sei Dank wissen die Mitmenschen über die Situation und sind alle gut informiert und wissen also, dass wir es nicht in der Hand haben, wir haben noch kein schlimmes Feedback bekommen. Aber ich muss sagen, dass wir trotzdem viele Anrufe bekommen von Familienangehörigen und Freunden, die fragen, warum sie nicht teilnehmen können und ob es nicht doch eine andere Möglichkeit gibt, aber das können wir nicht machen, damit würden wir uns straffällig machen.
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