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Bewegtbild und „Green Producing“„Tatort“ muss kein Klimakiller sein

Ein „Tatort“ erzeugt 100-140 Tonnen CO2. Fast die Hälfte davon könnte man leicht einsparen, aber es fehlen die Anreize.

Heike Makatsch in „Fünf Minuten Himmel“, einem „grünen Tatort“ aus dem Jahr 2016 Foto: Ziegler Film/SWR

Eine durchschnittliche Tatort-Produktion setzt etwa 100–140 Tonnen CO2 frei. Das hat die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg in mehreren Ergebnisberichten erhoben. Zum Vergleich: Das entspricht der Menge CO2, die – je nach Schätzung – 10 bis 17 Deutsche pro Jahr erzeugen. Und warum ist das so, dass ein „Tatort“ so viel Auspuff hat wie mehrere Großfamilien im ganzen Jahr? Rund 46 Prozent aller CO2-Emissionen werden laut Berechnung durch Hotelübernachtungen verursacht und 17 Prozent durch Flugreisen.

Bei aufwendigen Hollywood-Blockbustern wie „The Day After Tomorrow“ ist es noch viel schlimmer, laut einer Studie der University of California kommt so einer auf rund 10.000 Tonnen Klimaschadstoff. Der Großteil wird hier durch Transport- und Reisewege sowie hohen Stromverbrauch verursacht, häufig aufgefangen durch Dieselgeneratoren.

Ob das unbedingt so sein muss, fragt man sich in Hollywood schon länger. Das Stichwort dazu ist „Green Producing“, auch „Green Shooting“. Es ist das Gegenstück hinter der Kamera zum „Grünen Storytelling“ vor der Kamera. 2009 formulierte der Schauspieler und damals Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, gemeinsam mit der Universität Kalifornien den „Code of Best Practices for Sustainable Filmmaking“, in dem Ideen festgehalten sind, wie Filmschaffende grün produzieren könnten. Aus ökologischer Sicht geht es dabei vor allem darum, den CO2-Ausstoß so stark wie möglich zu reduzieren.

Auf diesem Ideenkatalog bauen die deutschen Leitfäden auf. 2010 übersetzte ihn Katja Schwarz, die auch die Tatort-Produktion „Fünf Minuten Himmel“ als Nachhaltigkeitsberaterin begleitet hat, ein Pilotprojekt der Filmförderung Baden-Württemberg (MFG), das ressourcenschonende Produktionsweisen etablieren sollte. Das Ergebnis laut Bericht der MFG: 53,6 Tonnen und damit 42 Prozent CO2 konnten während der 24-tägigen Dreharbeiten im Herbst 2015 eingespart werden, vor allem durch den Umstieg von Flügen auf Zugfahrten und von Hotels auf Ferienwohnungen.

Ungenutztes Potenzial

Aber Schwarz sagt auch: „Das Traurige ist, dass Green Producing nur punktuell und nicht flächendeckend umgesetzt wird, obwohl wir das Wissen schon seit zehn Jahren haben.“ Nachholbedarf gebe es überall. Dabei seien mögliche Maßnahmen so einfach wie einleuchtend: Wenn beispielsweise längere Reisen mit der Bahn statt mit dem Flugzeug unternommen würden, seien Produktionen „zwar nicht direkt komplett grün, aber zumindest klimafreundlicher“. Ob das Bahnfahren dabei aufs Budget schlägt, lässt sich pauschal nicht sagen. Dafür spielen bei jeder Produktion zu individuelle Faktoren wie die Verfügbarkeit einer BahnCard oder die Entfernung zum Drehort eine Rolle.

Weitgehend ungenutztes Potenzial für mehr Nachhaltigkeit, sagt Schwarz, liege auch in der Optimierung der Tätigkeit in den Büros. Ziel ist es hier unter anderem auf papierloses Arbeiten umzusteigen, Ökostrom zu nutzen oder Gebäude energieeffizient zu renovieren.

Schaden, den man anrichtet, kann man schlecht kompensieren. Vermeiden ist stets besser als ausgleichen

Birgit Heidsiek, „Green Film Shooting“

Allerdings arbeiten beim Film oft hunderte Menschen aus verschiedenen Gewerken zusammen. Sie alle unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Das weiß auch Michael Becker, der mit seinem Team Fernsehfilme grün produziert. Seine Erfahrung als Herstellungsleiter beim SWR zeige, dass man vor allem in Bezug auf Energie und Mobilität viel CO2 einsparen könne. „Im Bereich Energie ist das zum Beispiel die Umstellung von Standardleuchten hin zu LED-Leuchten, die eine Energieeinsparung von circa 90 Prozent mit sich bringt.“ In der Anschaffung sei nachhaltige Technik oft teurer, sagt Becker, langfristig ergebe sich durch den Umstieg aber eine Stromkostenersparnis.

Im Februar stellte Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf der Berlinale eine deutschlandweite Zertifizierung für das Green Producing vor. Vertreter der Film- und Fernsehwirtschaft verpflichteten sich mit ihrer Unterschrift zu mehr Umweltschutz. Allerdings ist das Papier eine allgemein gehaltene Absichtserklärung. Im branchenweiten Arbeitskreis „Green Shooting“ allerdings haben Sender, Filmfördernde und Produktionsfirmen verbindlich zugesagt, 100 Produktionen im Jahr 2020 nach einheitlichen Regeln ökologisch nachhaltig herzustellen. Laut einer Expertenschätzung werden in Deutschland aktuell etwa 200 Spielfilme pro Jahr produziert sowie eine wachsende Zahl von Serien, Dokus und Shows von über 800 deutschen Film- und Fernsehproduktionsfirmen.

Vom Ökosein hat man nichts

Sinnvoll sei es, Produktionen von Beginn an grün zu planen, sagt Filmpublizistin Birgit Heidsiek: „Schaden, den man anrichtet, kann man schlecht kompensieren. Vermeiden ist stets besser als ausgleichen.“ Natürlich gebe es seriöse Institute, die Emissionen kompensierten, aber andere gerieten damit in den Bereich des Greenwashings. Emissionen lassen sich zum Beispiel teilweise durch Geldspenden zum Pflanzen von Bäumen kompensieren, allerdings ist der Grundgedanke des Green Producing, die Produktionsweise langfristig umzustellen.

Ein weiteres Problem laut Heidsiek: In Deutschland lasse sich bisher kein Profit damit machen, wenn man beim Dreh auf Nachhaltigkeit achtet. Den Produktionsfirmen, die grün drehten, entstehe dadurch aktuell kein Wettbewerbsvorteil. Produziert werde immer dort, wo es billiger sei oder es die größten finanziellen Anreize gebe. Da Filmproduktionen oftmals international und durch Gebühren finanziert würden, müsse ein Teil des Drehs oder der Postproduktion stets an den Standorten der Geldgeber erfolgen.

So entstünden zusätzliche Reisen und damit würden mehr Schadstoffe ausgestoßen. Die Vorstellung, dass auch regionale Filme an einem festen Standort abgewickelt werden, ist also Irrglaube, da jeder Teil eines Films am dafür günstigsten Standort oder dem Standort des Sponsors produziert werden muss. Heidsiek sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: „Das Beste wäre, die Vergabe von Geldern an gewisse Auflagen und Umweltstandards zu koppeln, zumal Filme zum großen Teil mit öffentlichen Steuermitteln finanziert werden.“ Andere Branchen müssten schließlich auch Umweltstandards einhalten.

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8 Kommentare

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  • "...Und Werbung, die manipulativ ist und den Konsumwahn am Laufen halten soll, halte ich in Zeiten von Klimawandel und Umweltverschmutzung für kontraproduktiv...."

    Man kann mit dem Werkzeug "Werbung" übrigens auch positive Dinge und Dienstleistungen bewerben und ausserdem gibt es auch Firmen mit sozialen, nachhaltigen und ökologischen Produkten - wenn auch noch zu wenig.

    "...Das Geld ist in Naturschutz, soziale Gerechtigkeit und die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen besser investiert..."



    Wie soll das technisch funktionieren? Jeder Werbetreibender ist ab sofort keiner mehr und zahlt sein geplantes Kommunikationsbudget in irgendwelche Fonds ein?



    Das wird aber nicht lange funktionieren weil er ohne Kommunikationsmassnahmen kein oder sehr viel weniger Geld verdienen wird und dann auch nichts mehr in Fonds einzahlen kann.



    Welches politische und wirtschaftliche System stellen Sie sich denn vor, in dem Werbung und Privat-TV verboten wird bzw. kennen Sie einen Staat der so ein System schon erfolgreich umgesetzt hat?

  • Jetzt wird es richtig blöd und ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen.



    Merken denn viele Menschen in unserem Land nicht, für was alles dieser umgreifende Gesundheits- und Umweltfanatismus mittlerweile benutzt wird? Besonders seit Greta Thumberg und Covid 19 haben die Gesundheits- und Umwelt-Ideale einen religiösen Charakter bekommen. Wer nicht in das gleiche Horn stösst, der gefährdet sich und andere und muß reglementiert werden. Beschneidung der Grundrechte im Sinne der Umwelt und Volks-Gesundheit. Das kann so weitreichend sein und ist ein ideales Werkzeug, alles, was nicht im Interesse bestimmter Gruppen ist, einfach abzuwürgen. So etwas hatten wir bereits nicht nur einmal in Deutschland.

    • @Raiso:

      nun lass mal die kirche im dorf und bleib beim thema, statt hier ne verschwörung zur umweltschutzdiktatur zu halluzinieren - verzicht auf flugreisen von berlin nach köln oder münchen und umstieg auf bahnfahrten gefährdet ja nicht gerade die künstlerische freiheit



      und die freiheit verpackungsmüll beim convenience-catering etc zu produzieren ist kein verfassungsrechtlicher wert an sich

  • 9G
    95309 (Profil gelöscht)

    Ist Zeit , das endlich darüber geredet wird. Und eine gute Zeit dazu. Gerade jetzt, wo Künstler auch Unterstützung brauchen, sollte das mit ganz klaren Forderungen an die Kulturschaffenden einhergehen. Der Umweltschutz kann nur ein Anfang an sein. Warum müssen Filme draussen gedreht werde, wo es doch Generation gab die in Studio produzieren konnten? Allein was an Energie verbraucht wird um die Logistik sicherzustellen. Es müssen auch nicht immer neue Schauspieler sein, den auch deren Ausbildung ist nicht Energieneutral. Eine lebenswerte Zukunft kann nur durch Verzicht erreicht werden. Ökologisch nachhaltige Filmproduktion in Studios, mit gleichen Darstellern können nur ein Anfang sein. Ziel muss es sein alle Tatortfilme im Kasperltheater CO2 freundlich mit einem Puppenspieler nachzustellen.

  • Der neueste Wahnsinn, um unabhängige kleine Produktionen zu sabotieren, unter dem Deckmantel von "Klimaschutz". Filmfördergeld und Fernsehaufträge werden sowieso vor allem an den Klüngel vergeben, jetzt sollen auch noch Auflagen eingeführt werden, die die kleinen Firmen vollends aus dem Geschäft drängen. Nur darum geht es, denn ginge es WIRKLICH um Umweltschutz, würde man kleine Produktionen bevorzugen, die sowieso nur einen Bruchteil CO2 im Vergleich zu etablierten Konzernen verbrauchen, weil sie sparsamer produzieren. Jetzt sollen ZUSÄTZLICH auch noch Umweltberater etc eingeflogen werden und teure Auflagen Pflicht werden. So wird zudem verhindert, dass unabhängige Produktionen mit systemkritischen/umweltfreundlichen Themen eine Chance bekommen. Also weiter Konsumwahnwerbung durch den Klüngel. Sinnvoll wäre Förderung kleiner Produktionen zu Umweltthemen. Aber das wird jetzt noch stärker verhindert als vorher schon.

  • Warum wird nicht diskutiert, das ganze Fernsehgedöns auf Bezahlfernehen umzustellen, so das jeder nur für die Zeit bezahlt, die er auch guckt. Technisch ist das möglich. In wie vielen Haushalten läuft der Fernseher nur neben bei, weil das Programm ja schon bezahlt ist. Verantwortungsvoller Umgang sieht anders aus. Wie viele Krimis, Kochshows oder sonstige geistige Umweltverschmutzung würde gar nicht erst produziert weil Nachfrage oder Quote zu gering sind. Soviel Selbstverantwortung möchte man dem Bürger dann doch nicht geben.



    Da liegt der Hase im Pfeffer. Durch Zwangsgebühr und Werbefinanzierung, bezahlt durch die deutsche Wirtschaft, die das Geld lieber nicht in Facharbeiter investiert, ist eine gigantische Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt worden, die viele nicht missen wollen. Dafür lebt es sich im medialen Speck zu schön.

    • @APO Pluto:

      Ich bin ein Freund der Idee eines Medienanteils, der nicht werbefinanziert und vergleichsweise unabhängig ist und dabei einem Bildungsauftrag gerecht wird.



      Das Thema Grundversorgung dagegen scheint so zu sein, dass es niemals auch nur annähernd allen gerecht wird bei den ÖR und zudem auch von unzähligen Privatsendern und Anbietern im Internet flächendeckend und allumfassend angeboten wird.



      Hier gehört eine grundlegende Reform her: gebührenfinanziert werden ausschliesslich Inhalte, die zweifelsfrei einem Bildungsauftrag gerecht werden. Dafür dürfte eine monatliche Gebühr von 3-5 Euro ausreichend sein.



      Alles andere muss anders finanziert werden (Abo, pay per view, Werbung...), zumal ja im Staatsvertrag explizit steht, dass die ÖR in Konkurrenz zu den Privaten agieren. Das MUSS heissen, dass sie diese Inhalte auch wie die Mitbewerber finanzieren, denn sonst haben sie einen unfairen Wettbewerbsvorteil.



      Filmförderungen darf man gerne abhängig machen von "green producing", dann können alle Sender sich im Konkurrenzkampf per Öko beweisen.

      • @Grummelpummel:

        Funktioniert das überhaupt mit dem Bildungsauftrag? Oder war das nur eine Alibifunktionum, um das Free-TV politisch durchzubekommen. Die AfD haben die ÖR uns jedenfalls nicht vom Hals gehalten.



        Und Werbung, die manipulativ ist und den Konsumwahn am Laufen halten soll, halte ich in Zeiten von Klimawandel und Umweltverschmutzung für kontraproduktiv. Das Geld ist in Naturschutz, soziale Gerechtigkeit und die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen besser investiert.