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Editorial von Andreas RüttenauerHauptsache, Fußball

Deutschland geht voran. Während die großen Fußballligen Europas noch pausieren, in Frankreich und den Niederlanden die Saison längst abgebrochen wurde, dürfen sich die Fußballprofis in Deutschland wieder in Zweikämpfe stürzen. Die Bundesliga läuft weiter, sie darf ihr Geschäftsmodell, das darin besteht, Einnahmen aus Sponsoring und TV-Vermarktung an Großverdiener umzuverteilen, mitten in der Coronapandemie neu anlaufen lassen. Während überall auf dem Kontinent erste Lockerungen das Leben erleichtern, soll weiter Abstand gehalten werden. Nur für die Profis der Fußball-Bundesliga gilt das nicht.

Über die Sonderrolle des Fußballs ist in den vergangenen Wochen viel diskutiert worden. Wie kann es sein, fragten sich nicht wenige, dass Fußballer prophylaktisch auf das neue Coronavirus getestet werden, während für Lehr- und Pflegepersonal immer noch keine Regeltests vorgesehen sind? Nicht wenige sahen einen Skandal darin, dass die Politik dem Profifußball grünes Licht für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs gegeben hatte, als Enkeln noch verboten war, ihre Großeltern zu besuchen. Und während die Arbeitslosenquote in die Höhe geht, die Zahl der Kurzarbeiter nie geahnte Höhen erreicht, verhandelt der FC Bayern mit Spielern über millionenschwere Vertragsverlängerungen.

Derweil haben sich die Bundesligaklubs in eine Art Mannschaftsquarantäne begeben, haben von Kleingruppentraining mit Abstandsregeln auf Vollkontaktfußball umgestellt. Die Nachrichten aus der Fußballblase bekamen einen neuen Dreh. Mit einem Mal ging es nicht mehr alleine um das Virus und seine Auswirkungen auf den Profifußball. Es ging um Axel Witsel, den Belgier in Diensten von Borussia Dortmund. Der ist verletzt und kann beim Kampf ums Revier gegen den FC Schalke 04 am Samstag nicht dabei sein. Plötzlich wird wieder über Sport gesprochen. Ist dies das „Stück Normalität“, das Gesundheitsminister Jens Spahn in der zurückkehrenden Bundesliga sieht? Und so wird sich mancher, der die Kritik nachvollziehen kann, vielleicht selbst dabei ertappen, wie er sich auf die ersten TV-Bilder von Fußball spielenden Männern freut.

Es werden merkwürdige Bilder sein, die da aus leeren Stadien in die Wohnzimmer gesendet werden. Noch lange wird es nicht erlaubt sein, eine Arena mit Fans zu füllen. Hautsache, es wird gespielt, es gibt Sieger und Verlierer. Während in den unteren Ligen noch gestritten wird, wie es weitergehen soll, treten auch die Bundesligafrauen bald wieder gegen den Ball – auch sie ohne ­Publikum. Kann dieses Experiment funktionieren? Wir werden sehen.

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