piwik no script img

Ein volles Klopapierregal mit gefülltem Einkaufswagen
Eine Sorge weniger: Die Bewältigungsstrategie „Klopapier-Hamstern“ ist dank voller Regale noch offen Foto: Imago Images / Martin Wagner

taz-Podcast „Nur Mut“ Krisenjammer im Klopapierbunker

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Im neuen taz-Podcast spricht die Psychotherapeutin Petra Muth über Bewältigungsstrategien, warum Jammern gut tut und was wir von Aladin lernen können.

KÖLN taz | Unsere Stimmung pendelt immer. Auch im Alltag: Mal fühlen wir uns super, mal ganz ok, mal völlig durch. In einer Krise ist das nicht anders – nur dass die Ausschläge des Pendels unter Umständen weiter werden, schneller, belastender. Warum das so ist, woran es liegen kann, dass manche besser klarkommen als andere und wie wir dafür sorgen, dass wir uns wieder einpendeln: Das erklärt die Therapeutin Petra Muth in der zweiten Folge des neuen taz-Podcasts „Nur Mut – Anleitung für den Krisenkopf“

Frau Muth ist eine sogenannte psychologische Psychotherapeutin: Sie hat lange stationär in Kliniken gearbeitet und tut das nach wie vor ambulant, neben dem Betrieb ihrer eigenen Praxis im Ruhrgebiet. Muths Fachbereich ist Verhaltenstherapie, mit Schwerpunkten Klinische, Organisations- und Arbeitspsychologie, sowie Trauma-Arbeit.

„Ob die aktuelle Situation als eine Krisensituation erlebt wird, hängt viel von äußeren Faktoren ab“, sagt Muth. „Damit meine ich zum Beispiel: Hat die aktuelle Situation Auswirkungen auf meine finanzielle Situation? Welche räumlichen Ressourcen habe ich?“ Wo äußere Bedingungen widrig sind, sei es umso wichtiger, innerliche Bewältigungsstrategien anzuwenden. „Es gibt da verschiedene Bewältigungsstrategien. Zum einen, Lösungsorientierung. Bin ich in der Lage, die Situation zu analysieren und mir was zu überlegen, das konkret hilft“, sagt Muth. Ein Beispiel dafür sei eine Kosmetikerin, deren Geschäft gerade geschlossen ist und die Soforthilfe beantragt.

Eine weitere Strategie ist emotionsorientierte Bewältigung. „Es kann sein, dass der emotionale Druck so groß ist, dass wir uns da erst einmal Erleichterung verschaffen müssen, bevor wir Lösungen angehen können“, sagt Muth. Wir sorgen dafür, dass wir uns besser fühlen. Zum Beispiel, indem wir etwas tun, das wir mögen. Musik hören. Lesen. Serien oder Filme anschauen. Was spielen. Einen Bunker graben und ihn mit Klopapier und Nudeln füllen. Oder mal ordentlich Jammern. „Es hilft, uns emotional abzureagieren“, sagt Muth. „Und Jammern hat eine soziale Akzeptanz. Es führt oft dazu, dass wir bestätigt werden und Solidarität erfahren: Kein Wunder, dass es dir damit schlecht geht – ist ja auch kacke. Zum Beispiel.“ etwas anderes zu probieren.

Endlich tun, was schon man schon lange plante

Die dritte Strategie, sagt Muth, ist die Bewertung. Der Sache einen Sinn geben. „Das heißt, die Situation, so wie sie ist, als Herausforderung zu betrachten. Auch wenn ich viel lieber mein gewohntes Leben fortführen würde – das ist im Moment nicht möglich. Also gucke ich, was kann ich aus einer Situation mit ganz vielen negativen Aspekten bestmöglich machen.“ Dieser Schritt komme oft zuletzt, könne aber auch als erstes erfolgen, je nach Mensch. „Wenn wir einen Sinn in der Krise finden, gewinnen wir auch ein Gefühl der Kontrolle zurück und das ist sehr gut für unsere Gesundheit.“

Zum Beispiel ließe sich etwas angehen, das man schon lange tun wollte. Eine Fremdsprache lernen, oder ein Instrument. Endlich die gesamte Reihe „Verfall und Untergang des römischen Reiches“ lesen – eine Gesamtbetrachtung von fast 1.500 Jahren römischer und byzantinischer Geschichte in sechs Bänden. Sich via Videoanruf treffen und zusammen zeichnen. Oder auch: Die Videospiele spielen, die man schon lange spielen wollte. Die Serien durchsuchten.

„Es kommt nur darauf an, was es für die Person bedeutet. Wenn es gut tut und der Situation Sinn gibt, dann ist das wunderbar“, sagt Muth. Wichtig sei, sich die Zeit zu nehmen, durch Ausprobieren das Passende zu finden, und es für den Spaß an der Sache zu tun. Nicht zu viel von sich zu erwarten – und nicht nur eine der drei Strategien zu verfolgen. „Nicht zu sagen: Das eine ist der Weg, den geh ich jetzt und der rettet mich. Wenn Sie nämlich bei einer Sache verharren, und dann einen hohen Druck entwickeln, erzeugt das ja nur noch mehr Stress.“

Nörgeln über die Situation. Aber etwas finden, das wir ihr abgewinnen können. Was zum Mitnehmen. So wie Aladin, als der Zauberer ihn in die Grube sperrt: Aladin fängt an zu suchen und kommt raus mit einem fliegenden Teppich und dem Dschinn aus der Lampe. Miese Grube. Geiler Dschinn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • „Eine weitere Strategie ist emotionsorientierte Bewältigung. …. Einen Bunker graben und ihn mit Klopapier und Nudeln füllen. Oder mal ordentlich Jammern“



    Apropos Klopapier: Wer die DDR noch erlebt hat, wird sich noch sehr genau an das „Hamstern“ erinnern. Damals war z. B. Klopapier nicht nur in Extremsituationen, sondern ständig Mangelware. Auch viele andere Artikel des täglichen Bedarfs waren ständig oder zeitweise nicht oder nur als „BückDich“-Ware (d. h., unter dem Ladentisch) erhältlich. In den DDR-Medien war davon nie die Rede. Da ging es immer nur um die „Erfolge bei der Planerfüllung und -übererfüllung“ in den „Volkseigenen Betrieben“ (VEB). Damals half wirklich nur Jammern!



    Dies zur Kenntnis all jenen, die von einer „DDR 2.0“ träumen! Sie sollten uns bitteschön keine herrlichen Zeiten vorschwärmen, die uns nach der Abschaffung des Kapitalismus (angeblich) bevorstehen. Es sollte stattdessen eine gründliche Folgen-Abschätzung vorgenommen und eine Art „Ausstiegsklausel“ vorgesehen werden, falls es eben doch nicht so läuft, wie gedacht.



    Damit sich nicht erst wieder das Volk erheben muss, wie 1989/1990, um einen 40-jährigen, misslungenen „Feldversuch“ namens DDR zu beenden!