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Bondage in viralen ZeitenEin Spielpartner, dem ich vertraue

Ich bin für unbestimmte Zeit eine monogame Partnerschaft mit einem kinky Spielpartner eingegangen. Von ihm lasse ich mich fesseln.

„Es sind die kleinen Dinge, die der Andere richtig macht und die mir helfen, mich fallen zu lassen“ Foto: Greg Rakozy/Unsplash

A lles ist in Bewegung, Stillstand ist ein Hirngespinst. Das mag einem dieser Tage anders erscheinen, aber Tatsache ist: Selbst wenn ich mucksmäuschenstill dastehe, bin ich in Bewegung. Auf einer Kontinentalplatte, die vor ihrer Schwester im Westen flieht. Auf einem Planeten, der um sich selbst und seine Sonne kreist in einem Universum, das sich ausdehnt. Oder, etwas weniger gewaltig: in einem Gefüge aus Menschen, die in der Lage sind, mich zu bewegen – auch dann, wenn ich selber mucksmäuschenstill dastehe.

Und auch dann, wenn jemand mich fest mit kuschelweichen Baumwollseilen einschnürt. Selbst dann bin ich nicht bewegungslos. Bondage ist die Erfahrung, dass die Welt nicht aus Bewegung und Stillstand besteht, sondern aus Bewegen und Bewegtsein.

Ich bin nämlich tatsächlich auf unbestimmte Zeit eine monogame Partnerschaft mit einem kinky Spielpartner eingegangen. Das hat noch rechtzeitig geklappt. Wir können so die Zahl unserer persönlichen Kontakte niedrig halten und trotzdem spielen – und ich kann diese Kolumne mit mehr als grauer Theorie füllen.

Dieser Andere hat mich also gefesselt, und das ist für mich keine Selbstverständlichkeit. Eines meiner ersten Erlebnisse mit Bondage gipfelte in einer Panikattacke, und wer so etwas schon mal hatte, weiß: Obwohl sie ungefährlich ist, wird man danach dummerweise immer die Sache vermeiden, die sie ausgelöst hat.

Ich vertraue meinem Spielpartner

Ich habe in der Hinsicht zum Glück ein paar Vorteile: Erstens, die Person, bei der ich damals in Panik geriet, verhielt sich korrekt – fürsorglich, beruhigend, deeskalierend, verständnisvoll. Deswegen habe ich diese Erfahrung unterm Strich als eine positive abgespeichert. Zweitens habe ich mittlerweile einfach nicht mehr so große Angst vor Panik. Und drittens, und hier wird’s entscheidend, habe ich einen Spielpartner, dem ich vertraue.

Es sind die kleinen Dinge, die der Andere richtig macht und die mir helfen, mich fallen zu lassen. Da ist zunächst, dass er um meine Vorbehalte weiß und sich nach meinem Tempo richtet. Ganz egal wie hot jemand ist – wer bei meinem Tempo ungeduldig wird und anfängt zu drängeln, fliegt sofort raus. Zweitens, aktives Zuhören kann der Andere auch gut, und zwar vor dem Spiel und immer wieder zwischendurch. Nonverbale Skills sind hier wichtig. Der Sub mag vielleicht sagen, dass noch alles okay ist, aber schon anders wirken. Angespannt vielleicht, bisschen panisch, unsicher. Es ist die Verantwortung des Dom, dann abzubrechen oder einen Gang runterzuschalten. Lieber einmal zu früh als einmal zu spät. Meiner hat das drauf, deswegen mache ich mir keine Sorgen.

Der letzte Teil ist dann aber etwas, das wiederum nur man selbst kann: sich fallen lassen. Das kann einem niemand abnehmen, auch nicht im kinky Spiel. Das ist eine aktive Entscheidung der*des Sub. Vom Sichbewegen zu wechseln ins Bewegtsein. Und dann: spürt man sogar das Universum sich ausdehnen.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.
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1 Kommentar

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  • Schon blöd, dass nur so wenige Erwachsene noch spielen können!

    Den Wechsel zwischen Dom und Sub kriegen die wenigsten Leute hin. Wer einmal Dom ist, will es auch bleiben. Er wird also den Teufel tun, sich Vertrauen zu verdienen, in dem er auf die Zeichen anderer achtet. Vermutlich hat das etwas damit zu tun, dass Menschen einen anderen Antrieb brachen, wen ihr angeborener Spieltrieb erst einmal weg ist, ausgetrieben von Leuten, die den „Ernst der Lage“ drastisch-plastisch zu schildern willens und imstande sind.

    Fast immer scheint der Ersatz-Antrieb Angst zu sein. Angst davor, wieder Sub sein, sich also ausliefern zu müssen. Wie war das noch? Wer einmal eine Panikattacke hatte, der weiß, dass man den Auslöser danach meidet wie die Pest. Selbst noch in ganz besonders zarten Händen. Schade eigentlich.