Lachen über die eigenen Sorgen: Der Clown, der Traum, die Angst

Mit Fetischen umzugehen ist eine Form der Verarbeitung. Das kann idealerweise so funktionieren wie Konfrontationen in Träumen.

Der russische Clown und Pantomime Oleg Popov in Aktion, 1980er

Öfter mal Imperfektionismus wagen und daraus Kraft gewinnen Foto: United Archives/imago

Glauben Sie bloß nicht, dass Sadomaso- und Fetischmenschen so besonders sind. Wir wollen nur spielen. Weil Realität schlicht zu viel auf einmal ist. Das Spiel macht sie überschaubar, die Fantasie nimmt ihr den Schrecken, ob es nun um Macht geht, Gewalt oder Angst vor dem Scheitern.

Die Angst, nicht männlich genug zu wirken etwa, lässt sich umkehren in ein fetischistische Fantasie, indem man in ein Tütü schlüpft und sich auslachen lässt. Wer ständig fürchtet, in Konflikten untergebuttert zu werden, findet vielleicht Erleichterung in einem Spiel, in dem er*sie sich freiwillig unterwirft. Das soll keine monokausale Ursachenforschung werden, das lehne ich ab, wie Sie wissen. Aber Rollenspiele und Fantasien, als Teil einvernehmlicher Praxis, können Strategien gegen Ängste sein. Vor allem die Angst vor dem Versagen, dem Scheitern, dem Unzureichendsein.

Wie bei diesem Albtraum, wo die Träumerin oder der Träumer plötzlich ohne Hose auf der Bühne steht. Kennen Sie, oder? Ich weiß nicht, ob jemand wirklich schon einmal diesen Traum geträumt hat, er ist jedenfalls ein klassischer Konfrontationstraum. Er ruft die Angst auf, vor Publikum zu versagen und ausgelacht oder gescholten zu werden, übersteigert sie und schafft so Befreiung. Denn ohne Hose hatte ich zwar noch nicht, aber den, wo ich einen Vortrag halten soll, aber statt meines Manuskripts halte ich einen Zettel mit der Aufstellung einer Cricketmannschaft in der Hand – den schon. Habe ich dann übrigens einfach vorgelesen, hat niemanden gestört.

Vielleicht träumen Sie zur Zeit mehr als sonst. Ein paar Medien haben dazu bereits Traumforscher herbeigeschleift, die bestätigen, dass das in einer Krise wie dieser verständlich sei. Unter anderem eben, weil Träume verarbeiten helfen. Sie dienen als Probedurchlauf. Oder machen schwelende Ängste greifbar. Katharsis – im komischen, vielleicht im tragischen Sinn. Denn die Angst, zu versagen, ist paradox: Je mehr wir strampeln, um zu verhindern, was wir fürchten, um so mehr fürchten wir uns. Je mehr ich mich reinsteigere in die Idee vom perfekt vorbereiteten Vortrag, desto größer die Angst vor dem Blackout.

Besser ist zu sagen: Ich werde wahrscheinlich einen Fehler machen, und dann wird vielleicht jemand lachen, und dann lache ich mit. Es ist die Strategie des Clowns, der von vornherein ausschließt, dass irgendetwas funktioniert wie erwartet, der stattdessen sein Scheitern zum Programm erklärt. Es ist, was die kinky Fantasie so schön macht. Man kann nicht scheitern, wenn man ein Clown ist.

Falls Sie in dieser Krise, die noch dauern wird, Ängste haben, die Sie zerdrücken; falls Sie sich krallen daran, wie die Dinge hätten laufen sollen; falls sie das wachsende Bedürfnis unterdrücken, mal auszurasten: Gönnen Sie sich 15 Minuten Pause, lassen Sie los, spielen Sie. Helfen kann dabei ein Clown. Ein Traum. Oder eine Fantasie. Es muss ja gar kein Sexspiel, es kann auch eins mit Handpuppen sein.

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