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„Es ist eine Zeit des Grauens“

Erneute Protestaktion soll Buchhandlung retten

Jürgen Wohlers

52, führt seit 1990 eine Buchhandlung in St. Georg. Die wird durch die Verdreifachung der Miete bedroht. Foto: FBT

taz: Herr Wohlers, warum gehört Ihre Buchhandlung Dr. R. Wohlers & Co nach St. Georg?

Jürgen Wohlers: Meine Firma gibt es seit mehr als 75 Jahren in diesem Stadtviertel. Mein Großvater gründete hier in den dreißiger Jahren zunächst eine Leihbücherei. Nachdem sie abgebrannt war, eröffneten mein Vater und meine Tante 1949 die Buchhandlung an der Langen Reihe. Ich fühle mich mit St. Georg verwachsen, die Einwohner mögen meine Buchhandlung.

Das zeigt sich auch in der erneuten Protestaktion, zu der der Einwohnerverein aufruft. Was ist der Hintergrund?

Mein Vermieter will die Miete verdreifachen. Ein benachbartes Geschäft hat er damit schon vertrieben, und auch ich muss zum Ende des Jahres meinen Laden räumen, wenn er seine Pläne verwirklicht. Es ist gerade eine Zeit des Grauens für mich. Auch die Einwohner von St. Georg macht der Plan stocksauer. Sie möchten meinen Rauswurf verhindern.

Wie reagiert Ihr Vermieter auf die Kritik?

Der reagiert gar nicht. Ich vermute, er will die Sache einfach durchziehen, egal was kommt.

St. Georg entwickelt sich langsam vom Multikulti-Viertel hin zu einem Stadtteil für Besserverdienende. Haben Sie schon mal überlegt, nach einem Rausschmiss Ihren Laden woanders neu zu eröffnen?

Nein, das kommt für mich nicht in Frage. Die Gentrifizierung auf der Langen Reihe spricht zwar gegen mich. Aber ich fühle mich viel zu verbunden mit St. Georg, um aufzugeben.

Sie haben also schon einen Alternativplan?

Einen konkreten Plan habe ich noch nicht. Aber ich bin zu jung, um schon in den Ruhestand zu gehen. Ich möchte noch eine Weile als Buchhändler arbeiten. INTERVIEW: KOL

Offene Bühne für den Erhalt der Buchhandlung Dr. R. Wohlers & Co und gegen die Gentrifizierung St. Georgs: 19 Uhr, Hansaplatz

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