Corona im Abgeordnetenhaus: Schutzkleidung wird knapp
Berlins ÄrztInnen mangelt es an virensicherer Ausstattung. Senatorin Kalayci (SPD) verspricht Verbesserungen, auch bei Coronatests und Betten.
Ginge es nach Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, würden ab sofort alle BerlinerInnen über 70 unter Quarantäne gestellt, um sie vor dem Coronavirus zu schützen. Das sagte die SPD-Politikerin am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses, der sich mit der Viruskrise befasste. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Albers (Linke), 69, hätte da gerade noch einmal Glück – allerdings ist eine Altersgrenze bislang auch nur ein Gedankenspiel.
Fast drei Stunden beantwortete Kalayci Fragen aller Fraktionen. Deutlich wurden dabei vor allem die Engstellen, die Berlin im Kampf gegen Corona zu schaffen machen: Mangel herrscht besonders an Schutzkleidung. Auch Intensivbetten könnten je nach Entwicklung der Fallzahlen schon bald knapp werden, und die Testkapazitäten reichen noch lange nicht aus, um sich ein breites Bild von der Infektionslage zu machen.
Die niedergelassenen ÄrztInnen seien in Bezug auf Schutzkleidung von der Pandemie „kalt erwischt“ worden, sagte die Senatorin. Vielen Praxen fehle es daran – darum müsse nach dem Ende der Krise dringend über Bevorratung gesprochen werden. Die Krankenhäuser seien „sehr unterschiedlich aufgestellt“, so Kalayci; bei manchen reiche die Schutzkleidung noch Monate, bei anderen Wochen. Viele seien zu einem sparsameren Verbrauch übergegangen.
Der Markt ist leergefegt
Zwar ist laut Kalayci mit der angelaufenen zentralen Beschaffung durch den Bund eine Lösung in Sicht. Die Berlin zugesagten Mengen seien aber bislang nicht eingetroffen: „Warum, weiß ich nicht.“ Man hoffe, dass das zügig geschehe. Auch das Land habe die Beschaffung auf den Weg gebracht, aber „der Markt ist wie leergefegt“. Besonders dringlich sei das in der Pflege: Die Senatorin verwies in diesem Kontext auf das Robert-Koch-Institut (RKI), das Pflegepersonal empfehle, bei der Kommunikation Abstand zu halten und bei körperlichem Kontakt lieber zu schweigen.
Im Falle der Intensivbetten verwies Kalayci auf die aktuelle Zahl von 1.045, von denen 80 Prozent normalerweise ausgelastet seien. Durch die Anweisung an die Krankenhäuser, planbare Eingriffe zu verschieben, erhoffe sich der in Kalaycis Verwaltung angesiedelte Corona-Krisenstab, 80 Prozent der Betten für Corona-PatientInnen verfügbar zu machen. Und das geplante Notkrankenhaus in einer Messehalle an der Jafféstraße solle diese Zahl noch verdoppeln.
Offene Variablen sind hier die Zahl der Beatmungsgeräte und die Ausstattung mit Personal. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe 10.000 Geräte bestellt, sagte Kalayci, auch das Land sei aktiv geworden. Aber: „Wir wissen noch nicht, wie viele wir bekommen.“ Der Aufbau des neuen Krankenhauses und die Rekrutierung von medizinischem Personal liege beim ehemaligen Landesbranddirektor Albrecht Brömme jedoch in guten Händen. Hier gab es Kritik aus den Reihen der CDU: Ihm sei zugetragen worden, dass Brömme in den Krankenhäusern Personalsuche betreibe, so der Abgeordnete Tim-Christopher Zeelen. „Das darf nicht sein.“
„Müssen bei Tests priorisieren“
Was die Testkapazitäten angeht: Rund 3.000 Tests könnten derzeit jeden Tag durchgeführt werden, teilte die Senatorin mit. Dazu habe man das Budget des landeseigenen Labor Berlin aufgestockt und auch „viele kleine Labore an den Tisch geholt“. Ab April rechnet Kalayci mit 10.000 möglichen Tests pro Tag. Vorerst müsse aber priorisiert werden: „Wir fokussieren uns auf medizinisches Personal und Menschen mit Symptomen, vor allem solche in Intensivbehandlung.“
Die FDP monierte, dass Fluggäste aus Ländern wie dem Iran in Berlin unkontrolliert ankommen könnten. In den Worten des Abgeordneten Florian Kluckert: „Es bringt nichts, als Berliner das Feuer zu löschen, wenn wir immer wieder Brandstifter reinlassen.“ Die Senatorin verwies auf Informationen, die die Airports an Ankommende verteilten. Außerdem sei die Infektionsrate nun in Deutschland selbst so hoch, dass es „kein Einschleppungsmomentum mehr“ gebe. Das RKI werde in Kürze die „Risikogebiete“ aus seinen Handreichungen streichen.
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