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Bedürftige leiden unter Corona-Virus„Arme im Hintertreffen“

Weil so viele Menschen Lebensmittel hamstern, bekommt die Berliner Tafel bekommt nur halb so viel Spenden, sagt Tafel-Gründerin Sabine Werth.

Ausgabestelle an Bedürftige in einer Kirchengemeinde Foto: dpa
Manuela Heim
Interview von Manuela Heim

taz: Frau Werth, der Bundesverband der Tafeln hat verkündet, dass es aufgrund der Hamsterkäufe immer weniger Spenden an die Lebensmitteltafeln gibt. Ist die Berliner Tafel auch betroffen?

Sabine Werth: Bei uns kommen im Moment nur 50 Prozent der üblichen Spenden an. Darauf müssen sich nicht nur unsere Ausgabestellen einstellen, sondern auch die 300 sozialen Einrichtungen, die wir regelmäßig beliefern: Die Bahnhofsmission, Kinderfreizeiteinrichtungen, Frauenhäuser...

Aber die Leute hamstern doch vor allem Konserven und andere Sachen, die lange haltbar sind.

Offenbar nicht. Wenn Sie in die Empfehlung des Bundesministeriums schauen, sind da ja auch Lebensmittel aller Art dabei, die man für zwei Wochen vorrätig haben soll.

Da freut sich der Einzelhandel und vermeldet steigende Umsätze.

Noch. Das wird ganz sicher einbrechen, irgendwann müssen die Leute ihre Vorräte ja auch aufessen.

Für die Menschen, die zu den Ausgabestellen der Tafeln kommen, gibt es jetzt jedenfalls weniger Essen?

Niemand muss in Deutschland hungern, der sich nicht aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr um sich selbst kümmern kann. Aber es ist sicher so, dass manche unserer Kunden den Gürtel noch etwas enger schnallen müssen. Wir werden aber vor allem emotionale Arbeit an den Ausgabestellen leisten müssen, weil sich arme Menschen auch hier im Hintertreffen fühlen. Sie haben nicht nur kein Geld, um selbst Vorräte zu kaufen, sondern leiden auch noch unter den Hamsterkäufen der Besserverdienenden.

Sehen auch Sie darin eine Ungerechtigkeit, dass sich arme Menschen nicht im gleichen Maße bevorraten können?

Ehrlich gesagt halte ich diese ganze Hamsterei für überzogen. Kürzlich meldete sich eine Frau bei uns, deren Mann gehamstert hat. Sie meinte, das könnten sie niemals alles aufessen und fragte, ob sie uns einen Teil davon spenden könnte.

Kann ich denn tatsächlich zehn Kilo Kartoffeln bei Ihnen vorbeibringen, bevor Sie im Küchenregal keimen?

Behalten Sie, was Sie wirklich brauchen und bringen Sie den Rest gern in die Ihnen am nächsten gelegene Ausgabestelle. Die freuen sich.

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