Verfassungsgericht entscheidet: Hilfe beim Suizid – ja oder nein?

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am Mittwoch über die Strafbarkeit von Sterbehilfe. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Flügel einer Engel-Statue

Am Mittwoch könnte das Bundesverfassungsgericht Paragraf 217 kippen Foto: Terje Rakke/Nordic Life/plainpicture

Was ist am Mittwoch in Karlsruhe los?

Das Bundesverfassungsgericht wird entscheiden, ob die Strafbarkeit der „geschäftsmäßigen Förderung von Selbsttötungen“ gegen das Grundgesetz verstößt. Das Urteil des Zweiten Senats wird ab 10 Uhr verkündet. Die mündliche Verhandlung zu dieser Frage hatte schon im April vorigen Jahres stattgefunden.

Was ist eine „geschäftsmäßige Förderung von Selbsttötungen“?

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seel­sor­ge­r*in­nen zu chatten.

In Deutschland ist es nach wie vor straffrei, sich selbst zu töten. Deshalb ist es grundsätzlich auch nicht strafbar, einem anderen dabei zu helfen. Wer einem Menschen, der sich töten will, einen Strick oder ein tödliches Medikament besorgt, macht sich also nicht strafbar. Seit 2015 gibt es aber eine wichtige Ausnahme. Seitdem ist es laut Paragraf 217 Strafgesetzbuch strafbar, diese Hilfe zur Selbsttötung „geschäftsmäßig“ anzubieten oder zu vermitteln. Es droht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Als „geschäftsmäßig“ gilt eine Hilfe zur Selbsttötung schon, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist. Auf kommerzielle Interessen kommt es dabei nicht an. Das Gesetz zielte auf Vereine, die die Hilfe zur Selbsttötung als eine Art Dienstleistung anboten. Der Verein Sterbehilfe Deutschland des ehemaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch hat nach eigenen Angaben zwischen 2010 und 2015 rund 250 Selbsttötungen unterstützt.

Was spricht für das Verbot?

Der Gesetzgeber befürchtete, dass sich schwerkranke Menschen durch geschäftsmäßige Suizidhilfe-Angebote erst zur Selbsttötung verleiten lassen. Durch solche Angebote könne der „fatale Anschein einer Normalität“ oder sogar der sozialen Gebotenheit einer Selbsttötung entstehen, wenn Menschen ihren Angehörigen „nicht zur Last fallen“ wollen. Außerdem sind rund 90 Prozent aller Suizidversuche nicht frei verantwortlich, sondern Folge einer psychischen Krankheit.

Wer klagte gegen das Verbot?

Es klagten die beiden betroffenen Vereine Dignitas und Sterbehilfe Deutschland, sieben Ärzte sowie zwei kranke Privatpersonen – wobei ein Arzt und ein Kranker bereits verstorben sind. Die Ärzte befürchten, dass auch sie sich strafbar machen könnten, wenn sie mehrfach Patienten bei der Selbsttötung helfen. Die Kranken pochten auf ihr Selbstbestimmungsrecht am Lebensende, das auch die Entscheidung für einen assistierten Suizid umfasse. Alle Verfassungsbeschwerden richteten sich direkt gegen das Gesetz. Es gab seit 2015 noch keine einzige Verurteilung.

Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Bei der mündlichen Verhandlung entstand der Eindruck, dass die Richter das Verbot für unverhältnismäßig halten. Mit Spannung wird aber erwartet, ob sie Paragraf 217 gänzlich kippen. Alternativ könnten sie vom Gesetzgeber die Klarstellung fordern, dass Ärzte straflos bleiben, wenn sie Patienten im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses helfen. Außerdem könnten die Richter die Strafnorm unangetastet lassen und verfassungskonform auslegen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Haben Sie den Verdacht, an Depression zu leiden? Oder haben Sie sogar suizidale Gedanken? Andere Menschen können Ihnen helfen. Sie können sich an Familienmitglieder, Freun­d:in­nen und Bekannte wenden. Sie können sich auch professionelle oder ehrenamtliche Hilfe holen – auch anonym. Bitte suchen Sie sich Hilfe, Sie sind nicht allein. Anbei finden Sie einige Anlaufstellen.

Akute suizidale Gedanken: Rufen Sie den Notruf unter 112 an, wenn Sie akute suizidale Gedanken haben. Wenn Sie sofort behandelt werden möchten, finden Sie Hilfe bei der psychiatrischen Klinik oder beim Krisendienst.

Depression und depressive Stimmung: Holen Sie sich Hilfe durch eine Psychotherapie. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe kann Ihnen ferner Hilfe und Information zum Umgang mit Depression bieten.

Kummer: Sind Sie traurig und möchten jemanden zum Reden haben? Wollen Sie Sorgen loswerden und möchten, dass Ihnen jemand zuhört? Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr besetzt. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Sie können auch das schriftliche Angebot via Chat oder Mail in Anspruch nehmen.

Onlineberatung bei Suizidgedanken: Die MANO Suizidprävention bietet eine anonyme Onlineberatung an. Wenn Sie über 26 Jahre alt sind, können Sie sich auf der Webseite registrieren. Sollten Sie jünger sein, können Sie hier eine Helpmail formulieren.

Hilfsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern: Die Nummer gegen Kummer hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern zu helfen. Kinder erhalten dort Unterstützung unter der Nummer 116 111, Eltern unter 0800 111 0 550, und bei der Helpline Ukraine unter 0800 500 225 0 finden Sie auch Hilfe auf Russisch und Ukrainisch.

Hilfsangebot für Mus­li­m:in­nen: Die Ehrenamtlichen des Muslimischen Seelsorgetelefons erreichen Sie anonym und vertraulich unter 030 443 509 821.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention können Sie nach weiteren Seiten und Nummern suchen, die Ihrem Bedarf entsprechen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.