Streit zwischen EU und Deutschland: Naturschutz? Mangelhaft!
Deutschland droht eine neue Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Brüssel wirft den Bundesländern vor, Schutzgebiete schlecht zu managen.
In einer „begründeten Stellungnahme“ heißt es, für die Naturschutzgebiete Natura 2000 fehlten ausreichend detaillierte und messbare Schutzziele. Außerdem verstießen sechs Länder gegen die Transparenzpflichten; demnach informieren sie die Öffentlichkeit nicht ausreichend darüber, was in den Natura-2000-Gebieten erlaubt ist, was nicht, und wie sie sich entwickeln sollen. Die Kommission kritisiert grundsätzlich, wie die 4.606 deutschen Schutzgebiete gemanagt werden und sieht schwerwiegende Auswirkungen auf Qualität und Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen.
Natura-2000-Gebiete bilden in Europa ein Netz von Lebensräumen für gefährdete Wildtiere und -pflanzen. Rechtsgrundlage ist die FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat).
Auf eine „begründete Stellungnahme“ der Kommission muss die Bundesregierung innerhalb der nächsten zwei Monate reagieren und darlegen, wie sie die Missstände beseitigen will. Überzeugt sie die Kommission nicht, droht ihr ein weiteres Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), ähnlich wie im Fall der zu hohen Nitratbelastungen im Grundwasser, in dem Deutschland verurteilt wurde und noch immer nach Lösungen sucht.
Einige Bundesländer sind erfolgreich
„Dass Deutschland bei Natura 2000 seit Jahren schlampt, ist bekannt“, sagt der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Regierung und Länder versuchten, das Thema auszusitzen, weil sie Ärger mit Landwirten und Waldbesitzern vermeiden wollten.
Diana Pretzell, WWF
Laut Magnus Wessel, Leiter Naturschutzpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), setzen die für die Schutzgebiete zuständigen Bundesländer die EU-Vorgaben ganz unterschiedlich um. „Überall dort, wo Personal für Natura 2000 aufgebaut wurde und es im Land klare und ausreichend finanziell unterlegte Verantwortlichkeiten gibt, läuft es besser als früher, so etwa in Thüringen oder Baden-Württemberg“, sagt Wessel. „Wo die Länder die Zuständigkeiten ohne Unterstützung an die Kommunen delegiert haben, geht der Naturschutz oft den Bach runter“, so Wessel.
Nach einem Bericht des Bundesumweltministeriums vom Sommer 2019 über den Zustand von Arten und -Lebensräumen, die nach der FFH-Richtlinie der EU geschützt sind, gibt es Probleme vor allem in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Sie seien „überwiegend in einem schlechten Zustand“, schrieb das Ministerium.
Diana Pretzell, bei der Naturschutzorganisation WWF zuständig für Biodiversitätspolitik, fordert: Wir brauchen einen Aktionsplan für unsere Schutzgebiete: „Sie sind das Tafelsilber unserer Natur, für sie tragen wir die Verantwortung.“ In Nationalparks und in den Kernzonen von Biosphärenreservaten müsse die wirtschaftliche Nutzung aufhören, in anderen FFH-Gebieten, etwa Heidelandschaften, eine für das Schutzziel notwendige Bewirtschaftung erfolgen, etwa die Beweidung durch Schafe. Wichtig sei, dass Pestizide in Schutzgebieten künftig nicht mehr eingesetzt würden, so Pretzell.
Unterdessen erwartet Berlin in Sachen Naturschutz schon neuer Ärger. Das besonders schützenswerte „artenreiche Grünland“ ist hierzulande derart bedroht, dass die EU-Kommission die Bundesregierung in einem alarmierten Brief um Klärung gebeten hat, wie der Zustand von „mageren Mähwiesen und Berg-Mähwiesen“ verbessert werden soll; das ist die Eskalationsstufe vor der „begründeten Stellungnahme“.
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