Ermittlungen gegen Netzwerk-Gründer: Wieder Waffensuche bei „Hannibal“
Bei Teilnehmern eines Trainings des Vereins Uniter gab es Durchsuchungen. Ein Jahr, nachdem die taz darüber berichtete.
Es geht um einen möglichen Verstoß gegen des Waffengesetz, wieder einmal, erst am Montag wurde André S., 34, der unter dem Namen „Hannibal“ als Gründer eines rechten Prepper-Netzwerkes bekannt wurde, vom Amtsgericht Böblingen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Ermittler suchten Schusswaffen, insbesondere Airsoftwaffen eines bestimmten Typs. So heißt es im Durchsuchungsbeschluss. Fünf dieser Airsoftwaffen konnten sie dann auch sicherstellen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Mosbach am Donnerstag der taz. Daneben seien bei André S. auch 27 leere Magazine scharfer Waffen gefunden worden. Da werde nun geprüft, ob sie dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen.
Die Airsoftwaffen sehen aus wie echte Sturmgewehre, sie verschießen aber nur Plastikkugeln. Man kann sie legal kaufen und auf dem eigenen Privatgelände benutzten. Wenn man sie in der Öffentlichkeit führen möchte, fallen sie aber wie scharfe Waffen unter das Waffengesetz. Das trifft auch zu, wenn man sie auf einem fremden Privatgelände benutzt. Und genau das war hier der Fall.
Ausbildung von „gute Infanteristen“
Grund der Ermittlungen ist ein militärtaktisches Training des von André S. gegründeten Vereins Uniter e.V., das bereits im Sommer 2018 im badischen Mosbach stattfand, auf einem Gelände, auf dem normalerweise Polizei und Rettungskräfte Terrorlagen trainieren. Die taz hat im Dezember 2018 ausführliche Recherchen über dieses Training veröffentlicht, bei dem eine „Defence“-Einheit von Uniter unter der Anleitung von André S. den Umgang mit Waffen übte.
Der Bundeswehrsoldat war gerade frisch beim KSK ausgeschieden und zurück zu den Fallschirmjägern versetzt, als er eine Ausbildungsserie plante. In Vereinsdokumenten und Audionachrichten von André S., die der taz vorliegen, ist die Rede von einer „Kommandopipeline“, analog zu einem KSK-Begriff, vier Stufen soll diese beinhalten. Die Teilnehmer nennt S. „Shooter“, die Inhalte „Care under fire“, explizit heißt das: „Ausweichdrills, Verwundetenversorgung, Gegenangriffe auch mit Fahrzeugen und sonstwas“.
Es gehe darum, Anfängerwissen bis hin zu Taktik zu vermitteln. Standard: TCCC, also „Tactical Combat Casualty Care“, sagt André S. in einer Sprachnachricht: „Es soll wirklich darum gehen, dass alle Mitglieder, die diese Blöcke machen, irgendwann so einen Stand haben, wenn die alles durchgemacht haben, das man sagt, das sind gute Infanteristen, die kann man gut einsetzen, ob deutschlandweit oder sonstwo.“
Mindestens ein Training dieser Reihe hat dann auch stattgefunden, ebenjenes im Sommer 2018 im badischen Mosbach. Auf mit einer Drohne aus der Luft gefilmten Videoaufnahmen, die der taz vorliegen, ist zu sehen, wie sich sechs Männer in voller Kampfmontur über das Gelände bewegen. Sie haben Waffen im Anschlag und geben sich gegenseitig Deckung. Angeleitet werden sie von André S. und einem weiterem Mann, beide in orangefarbener Warnweste.
Auf Anfrage teilte Uniter damals über einen Anwalt mit, bei den Waffen handele es sich um Waffen-Attrappen. Und bei dem Training um einen gewöhnlichen Selbstverteidigungskurs.
Kein passender strafrechtlicher Vorwurf
Nur haben die zuständige Polizei oder Staatsanwaltschaft den taz-Artikel offenbar nicht gelesen. Mehr als ein halbes Jahr vergeht, bis sie Ermittlungen einleiten. Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft passierte das, nachdem der Stern im August 2019 über dasselbe paramilitärische Training berichtete.
Ende 2019 wurde bei einem ersten Beschuldigten durchsucht. Waffen fanden die Ermittler bei ihm keine, stellten aber Computer und Datenträger sicher. So kamen sie auf die Namen der Männer, die als Teil der „Defence“-Einheit an dem Training teilnahmen und nun durchsucht wurden. Nicht alle der mindestens acht Teilnehmer der Übung konnten die Ermittler namentlich feststellen.
Die weiteren Beschuldigten leben in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Bei einem wurden legale Waffen festgestellt, die den Angaben zufolge auch ordnungsgemäß verwahrt waren. Auch André S. Elternhaus in Halle wurde erneut durchsucht. Dort wurde aber nichts gefunden.
André S. Anwalt nennt den Tatvorwurf eine „juristische Spitzfindigkeit“. Im Grunde gehe des darum, dass man eine solche Waffe nicht ohne die Einwilligung des Hausrechtinhabers abschießen dürfe. „Ob die Waffen abgeschossen wurden und durch wen, das kann man mit der Hausdurchsuchung aber nicht herausfinden.“
Er sagt auch: „Das Durchsuchungsverhalten zeigt, es ging nicht um Waffen, sie haben Zufallsfunde gesucht.“ Die aufgefundenen Magazine seien André S. private, die er bei der Bundeswehr benutzt habe. Die Ermittler hätten unter anderen auch private Fotos abfotografiert, sagt der Anwalt der taz. Er habe Beschwerde gegen die Vorgehensweise eingelegt.
Wegen des Trainings in Mosbach an sich werde nicht ermittelt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es gebe da keinen passenden strafrechtlichen Vorwurf. Und dass gerade jetzt durchsucht wurde, einen Tag nach André S. Verurteilung in Böblingen, sei Zufall. Der Prozess sei in der Behörde gar nicht bekannt gewesen.
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