: Gedenken an Hatun Sürücü
Vor 15 Jahren wurde die Berlinerin an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof erschossen
Am 15. Todestag von Hatun Sürücü wird am Freitag in Berlin an die 23-jährige Deutsch-Türkin erinnert, die von ihrem Bruder ermordet wurde.
Am Gedenkstein in Berlin-Tempelhof wird zu einer Kranzniederlegung eingeladen. Am Abend wird mit einer Gedenkveranstaltung im Rathaus Schöneberg an die junge Mutter und alle Opfer von Gewalt im Namen der Ehre erinnert, teilte der Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung am Mittwoch mit.
In den 15 Jahren seit dem Mord habe es zwar Fortschritte gegeben, betonte der Arbeitskreis. So sei Zwangsverheiratung inzwischen ein eigener Straftatbestand und sogenannte Ehrenmorde würden in der Regel nicht mehr als Totschlag mit einer geringen Strafe geahndet. Trotzdem bleibe noch viel zu tun. Beratungs- und Kriseneinrichtungen müssten finanziell abgesichert und weiterentwickelt werden. Kinderehen müssten konsequent als Form der Kindeswohlgefährdung bekämpft werden.
Wenige Tage nach der Tat nahm die Berliner Polizei Hatun Sürücüs Brüder Ayhan, Mutlu und Alpaslan fest. Im Juni 2005 klagte die Staatsanwaltschaft sie wegen gemeinschaftlichen Mordes aus niedrigen Beweggründen an. Der 26-jährige Mutlu soll die Waffe besorgt und der 25-jährige Alpaslan seinen Bruder Ayhan zum Tatort begleitet haben, lautete der Vorwurf. Geschossen hatte der erst 19-jährige Ayhan, der auch als Einziger ein umfassendes Geständnis ablegte und sich selbst schwer belastete.
Im Prozess gegen die drei Brüder, der noch im gleichen Jahr begann, scheiterten Richter und Staatsanwälte an einem Kartell des Schweigens. Nur die damalige Freundin Ayhans, Melek A., wurde zur Hauptzeugin der Anklage.
Der Preis, den Melek A. und ihre Familie für diese Courage zahlten, ist hoch. Sie lebt bis heute mit ihrer Mutter im Zeugenschutzprogramm unter neuer Identität an einem unbekannten Ort.
Im April 2006 sprach das Landgericht Berlin die zwei älteren Brüder trotzdem frei. Die Aussagen von Melek A. seien nicht zuverlässig, weil sie vieles nur vom Hörensagen kannte, befand das Gericht. Der Jüngste, Ayhan, wurde nach Jugendstrafrecht wegen Mordes zu einer Haftstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt.
Ein Jahr später kassierte der Bundesgerichtshof die Freisprüche, aber Alpaslan und Mutlu hatten sich in die Türkei abgesetzt. 2014 folgte ihnen Ayhan, der nach Verbüßung seiner Strafe von den deutschen Behörden abgeschoben wurde.
2016 wurden Alpaslan und Mutlu in Istanbul vor Gericht gestellt. Die Berliner Justiz hatte den türkischen Behörden alle Unterlagen zum Fall zur Verfügung gestellt, aber sie wurden aus Mangel an Beweisen 2017 freigesprochen. Eine 2018 angekündigte Berufungsverhandlung wurde bislang nicht eröffnet. (dpa, epd)
Die Kranzniederlegung ist am Freitag, 7. Februar, um 14 Uhr am Gedenkstein in der Oberlandstraße in Berlin-Tempelhof.
Die Gedenkveranstaltung beginnt um 18 Uhr im Rathaus Schöneberg.
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