heute in hamburg: „Care-Arbeit betrifft wirklich jede*n“
Podiumsdiskussion: „Who cares?! Ein vielstimmiges Gespräch über das Sorgen“, mit Vertreterinnen des Kollektivs „Swoosh Lieu“, Aktivistin Elisabeth Klatzer und jemandem vom Netzwerk Care Revolution, 19 Uhr, W3, Nernstweg 32–34, Eintritt auf Spendenbasis
Interview Sabrina Winter
taz: Frau Wernecke, Care-Arbeit, also Sorge- und Pflegearbeit, wird wenig geschätzt, schlecht bezahlt und vor allem von Frauen übernommen. Wie kann man das ändern?
Rosa Wernecke: Wir müssen Geschlechter-Stereotype aufbrechen und schauen, warum sind Sorgearbeiten so weiblich konnotiert. Auf der Hand liegt, dass Sorgearbeit besser bezahlt werden muss. Natürlich gibt es auch viel unbezahlte Sorgearbeit, die gar nicht in Zahlen eingefangen wird. Personen, die diese Arbeit leisten, brauchen mehr Anerkennung und Absicherung.
Wie kann es gelingen, die Stereotypen aufzubrechen?
Geschlecht ist eine soziale Konstruktion. Arbeit ist als männlich oder weiblich konnotiert. Woran liegt es zum Beispiel, dass sich Mädchen anscheinend nicht so sehr für MINT-Fächer interessieren? Oder Jungs nicht für Care-Tätigkeiten? Darüber müssen wir sprechen – auf allen Ebenen: Gesellschaft, Kunst, Medien, Kultur und so weiter. Das ist eine große Aufgabe, bei der alle mitmachen müssen.
Was tun Sie als Künstlerin, um sich für einen Wandel einzusetzen?
Als Künstler*innen können wir unsere Sichtbarkeit oder Hörbarkeit dafür nutzen, um solche Themen zu verbreiten und öffentliche Debatten anzustoßen.
Sie und ihre Kolleginnen aus dem Kollektiv „Swoosh Lieu“ haben sich in einem Hörspiel mit Care-Arbeit beschäftigt. Was haben Sie dabei gelernt?
Für das Hörspiel haben wir unterschiedliche Frauen* interviewt, die in dem Bereich arbeiten. Das geht von der Kindergärtnerin über die Altenpflegerin bis hin zur Mutter. Auch Sexarbeiterinnen kommen vor. Dabei haben wir gelernt, was für harte und tolle Arbeit all diese Menschen machen. Und dass Care-Arbeit wirklich jede*n betrifft. In dem Hörspiel erkunden wir, wie die Frauen* ihre Stimme für die Sorgearbeit einsetzen. Denn sie ändern ihre Stimme, um bestimmte Rollen zu erfüllen.
Rosa Wernecke, 33, gehört zum feministischen Medien- und Performance-Kollektiv „Swoosh Lieu“, das sich in einem Hörspiel mit Sorgearbeit auseinandergesetzt hat.
Und wie?
Von Pflegenden erwartet man eher eine zugewandte Stimme. Eine Kindergärtnerin hat uns erzählt, dass sie ihre Stimme ändert, um die Kinder unterschiedlich anzusprechen. Wir haben uns auch mit Stimmklischees generell auseinander gesetzt. Denn wir haben bestimmte Stimmen im Ohr, zum Beispiel von einer sexy Stimme oder einer devoten Stimme, von der wir voreilig auf den Menschen dahinter schließen. In unserem Hörspiel zeichnen wir eine Utopie von einer Welt nach der Care-Revolution, in der Stimmen mit Wums zu Wort kommen.
Was ist denn eine Care-Revolution?
Wir meinen damit eine revolutionäre Bewegung, die eine neue care-zentrierte Gesellschaftsordnung schafft – abseits einer kapitalistischen Marktlogik. Care-Berufe werden besser bezahlt und anerkannt. Es gibt keinen Gender-Care-Gap mehr. In dieser Utopie wird die Care-Arbeit umgekrempelt und das strahlt in alle Bereiche hinein.
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