: Nichts wie weg vom Coronavirus
Die Weltgesundheitsorganisation ruft den internationalen Notstand aus, und immer mehr Staaten evakuieren ihre Bürger:innen aus China. Das Coronavirus ist weiter auf dem Vormarsch. Weite Teile Chinas bleiben abgeschottet
Von Jana Lapper
Jetzt startet auch von Deutschland aus ein Flugzeug in Richtung China, um Staatsangehörige aus der zentralchinesischen Stadt Wuhan zu evakuieren. Dort liegt der Ursprung des neuartigen Coronavirus, und dort wurden bislang die meisten Ansteckungen gezählt.
Am Freitagmittag hob die Maschine der Bundeswehr in Köln ab, twitterte Bundesaußenminister Heiko Maas am selben Tag. Diese werde um die hundert deutsche Staatsbürger:innen nach Deutschland zurückbringen. Bereits Infizierte oder Verdachtsfälle würden sich aber nicht darunter befinden, teilte das Auswärtige Amt mit. „Um die Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland zu gewährleisten, werden diejenigen, die ausgeflogen werden, für zwei Wochen in Quarantäne genommen an einem Bundeswehrstandort, um sicherzugehen, dass keine Infektion, keine Infizierung bei einem der Ausgeflogenen vorliegt“, hieß es weiter.
Im Laufe der Woche hatten schon Japan, die USA und Südkorea mehrere Hundert Staatsangehörige aus Wuhan ausgeflogen. Die US-Regierung setzte die Reisewarnung für China auf die höchste Stufe – „Nicht reisen“. Auch das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen nach China ab. Einige Fluglinien, darunter die Lufthansa, haben ihre Flüge dorthin ohnehin zunächst bis zum 9. Februar ausgesetzt.
Aber auch China will die eigenen Staatsangehörigen aus dem Ausland zurückholen, denn dort habe es rassistische Anfeindungen gegeben: Laut der britischen Zeitung The Guardian wurde in Italien dazu aufgerufen, chinesische Läden zu meiden. Der Direktor einer Universität in Rom habe asiatische Studierende aufgefordert, zu Hause zu bleiben.
In China stehen weiter ganze Metropolen und Landstriche unter Quarantäne. In der am heftigsten betroffenen Provinz Hubei rund um Wuhan sind 45 Millionen Menschen von der Außenwelt abgeschottet. Die Verkehrsverbindungen sind gekappt, die Innenstädte wie ausgestorben. Auch in Peking hat kaum mehr ein Laden geöffnet. In allen Provinzen Chinas herrscht die Furcht vor Ansteckung. Hongkongs Schulen werden erst im März wieder öffnen.
Die Zahl der Infektionen und Todesfälle erfuhr am Freitag den größten Anstieg innerhalb eines Tages. Die Zahl der Infizierten kletterte um 1.981 auf 9.692, berichtete die Gesundheitskommission in Peking. Bis Freitagnachmittag sind mindestens 213 Menschen – überwiegend Ältere mit Vorerkrankungen – an den Folgen der Virusinfektion gestorben.
Außerhalb Chinas sind mittlerweile über 20 Länder mit rund 120 Ansteckungen betroffen, darunter die EU-Länder Frankreich, Italien, Finnland und Großbritannien. In Bayern wurden am Freitag ein fünfter und ein sechster Fall im Landkreis Traunstein bestätigt. Das sei aber eine relativ niedrige Zahl, so WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus nach einer Sitzung in Genf. Allerdings wisse man nicht, welchen Schaden das Virus in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem anrichten würde.
Das sei auch der ausschlaggebende Grund für die Weltgesundheitsorganisation WHO gewesen, am Donnerstagabend den internationalen Gesundheitsnotstand auszurufen. Laut Definition handelt es sich damit um eine „ernste, plötzliche, ungewöhnliche und unerwartete“ Situation. Damit sollen internationale Maßnahmen ermöglicht werden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Trotzdem forderte ein WHO-Sprecher die Staaten auf, ihre Grenzen nicht dauerhaft zu schließen. Russland hatte am Donnerstag seine Grenze zu China dicht gemacht.
Die Kriterien für einen Notstand wurden 2007 im Zuge der Sars-Epidemie in China ausgearbeitet. Damals starben fast 800 Menschen an dem Virus, das eng mit dem neuen Coronavirus verwandt ist. Es stammt wie Sars von Wildtieren ab. Laut Virolog:innen scheint die neue Virusinfektion aber seltener tödlich auszugehen, obwohl sich schon jetzt mehr Menschen infiziert haben als 2007 mit dem Sarsvirus. (mit dpa)
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