Ehrenamtliche Arbeit für Geflüchtete: Nach der Ersten Hilfe
Im Sommer 2015 setzten sich viele Menschen in Deutschland für Geflüchtete ein. Was ist davon noch übrig?
Lautes Klatschen erfüllt den Dortmunder Hauptbahnhof. Es ist ein früher Morgen im Spätsommer 2015, Menschen strömen in alle Richtungen, und einige halten Schilder in die Luft, auf denen „Welcome to Dortmund“ und „Refugees Welcome“ steht. Viele ehrenamtliche HelferInnen stehen bereit, um geflüchtete Menschen zu empfangen. Freiwillige verteilen Spendenpakete und weisen den Neuankömmlingen den Weg.
Fatma Karacakurtoglu erinnert sich noch genau an diese Zeit, sie war eine der HelferInnen vor Ort. Für sie war es eine überwältigende Situation. „Wildfremde Leute kamen einfach zusammen und haben geholfen. Es war unbeschreiblich“, erinnert sie sich.
In Nordrhein-Westfalen hatten damals Hilfsorganisationen in den sozialen Netzwerken zum Helfen aufgerufen. Schnell fanden sich Hunderte Freiwillige, die am Bahnhof geflüchtete Menschen willkommen hießen und betreuten. Und nicht nur in Dortmund engagierten sich Menschen für Geflüchtete: Laut einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums hat 2015 mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren Flüchtlinge ehrenamtlich unterstützt.
Doch die Umfrage zeigt auch, dass 2017 nur noch 19 Prozent der Deutschen für Flüchtlinge im Einsatz waren. Was ist aus dem ehrenamtlichen Engagement geworden? Ist der Einsatz in der Flüchtlingsarbeit nicht mehr notwendig?
Neue Anforderungen
Fatma Karacakurtoglu hat im Oktober 2015 den Verein Train of Hope gegründet und setzt sich seitdem für Geflüchtete ein. „Anfangs haben sich bis zu 2.000 Menschen freiwillig gemeldet“, erzählt sie. Für Karacakurtoglu ist es nicht verwunderlich, dass sich die Zahl der Freiwilligen verringert hat. Bei vielen hätten sich die Lebensumstände verändert, sodass ein längerfristiges Engagement einfach nicht immer möglich war.
Auch Diana Henniges, Gründerin des Vereins Moabit hilft in Berlin, hat diese Erfahrung gemacht: „Es ist normal, dass das Engagement weniger geworden ist. Aber der Rückgang an EhrenamtlerInnen ist nicht so stark, wie man denkt“, sagt sie. Es gab eine Umstrukturierung in den vergangenen Jahren.
Vor allem die Ansprüche an die Tätigkeit von Ehrenamtlerinnen hätten sich verändert, erklärt Henniges: Die Aufgaben und die Bereiche, die die Arbeit heute abdeckt, seien andere als bei der Ankunft der geflüchteten Menschen im Sommer der Zuwanderung. „Die Stellung und Ausfüllung von Asylanträgen beispielsweise bedingt ein Wissen von Gesetzeslagen oder anderen Fähigkeiten, die erlernt werden müssen“, sagt sie.
Vereine wie Moabit hilft haben einen regelmäßigen Austausch mit anderen Initiativen. Monatlich gibt es einen Stammtisch, bei dem man sich trifft und unterhält, erzählt Henniges. „In den Randbezirken Berlins gibt es teilweise gar keine EhrenamtlerInnen mehr; das liegt an der Veränderung des gesellschaftlichen Umgangs und der Verschärfung des Rassismus“, sagt sie.
Auch nach Einschätzung der Caritas hat das Engagement der Freiwilligen in Deutschland seit 2017 stark abgenommen. Ein Grund sei „die nicht mehr ‚brandaktuelle‘ Not der Geflüchteten wie noch 2015“, schreibt die Caritas auf die Anfrage der taz.
Doch es gibt noch immer Bereiche, in denen dringend nach Unterstützung gesucht wird. Gerade die Wohnungssuche stellt für viele Geflüchtete ein Problem dar. Und ist einmal eine private Unterkunft gefunden, offenbaren sich noch tiefergehende Schwierigkeiten. „Kaum ist die Wohnung da, kommt die Einsamkeit“, sagt Fatma Karacakurtoglu.
Es fehlen soziale Kontakte
Die Art der ehrenamtlichen Hilfe für Geflüchtete hat sich mit der Zeit verändert. Im Sommer 2015 und in den darauffolgenden Monaten, musste man sich zunächst vor allem um die grundlegende Versorgung kümmern. Doch nun müssen die Geflüchteten in der deutschen Gesellschaft Fuß fassen.
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Laut der Caritas fehlt es vielen geflüchteten Menschen in Deutschland an sozialen Kontakten. Daher werden in vielen Organisationen in diesem Bereich noch helfende Hände gesucht. Die genaue Zahl der EhrenamtlerInnen lässt sich heute nicht exakt bestimmen. Diana Henniges schätzt die Situation so ein: „Viele, die mal ehrenamtlich tätig waren und immer noch Arbeit leisten, sind oft noch intransparent in Einzelfällen tätig.“
Nicht alle ehrenamtlichen HelferInnen von 2015 haben ihre Tätigkeiten aufgegeben, dennoch ist ihre Zahl seit 2017 gesunken. Der Bedarf scheint zwar nicht mehr so groß zu sein, aber er ist immer noch da – er hat sich nur verändert.
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