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Kampf um die freien Plätze

Bei der Handball-EM muss nach Frankreich nun auch Weltmeister Dänemark zuschauen. Die großen Überraschungen haben mit dem olympischen Turnier im Sommer zu tun

Dänemarks Torwart Niklas Landin Jacobsen hat sich das Turnier anders vorgestellt Foto: dpa

Aus Wien Michael Wilkening

„Ich habe den Traum, noch einmal die Olympischen Spiele zu erleben“, sagt Alexander Petersson. Der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen befindet sich nicht im Spätherbst seiner Karriere, eigentlich ist der Isländer schon darüber hinaus. Petersson ist 39 Jahre alt, im kommenden Sommer bei den Spielen in Tokio wäre er 40. Er hatte seine Karriere im Nationalteam vor dreieinhalb Jahren für beendet erklärt – und gerade sein Comeback für die isländische Nationalmannschaft gegeben. Der Traum von den Olympischen Spielen treibt nicht nur den Linkshänder von den Löwen an, sondern eine ganze Reihe von Mannschaften bei der Europameisterschaft, für die das Dreiländerturnier die finale Möglichkeit ist, den Traum am Leben zu erhalten.

Bislang steht nur Dänemark als Teilnehmer aus Europa fest, die Dänen sind als Weltmeister von 2019 qualifiziert. Der kommende Europameister hat sein Ticket ebenfalls sicher, die weiteren Teilnehmer werden in drei Qualifikationsturnieren im ­April ermittelt. Dafür sind bislang schon sechs von zwölf Plätzen vergeben. Norwegen, Frankreich, Deutschland, Schweden, Kroatien und Spanien, die bei der WM vor einem Jahr die Plätze zwei bis sieben belegten, sind dabei, nur noch zwei weitere Plätze werden an Europäer vergeben. Deshalb ist bei der EM ein wilder Kampf entbrannt, die beiden besten Teams neben den genannten Nationen dürfen sich weiter Hoffnungen machen.

„Wir werden alles gegeben, um einen freien Platz zu bekommen“, erklärte Petersson, der mit den Isländern zum Auftakt überraschend Dänemark schlug. Die Isländer, ohnehin als kampfstarkes Team gefürchtet, wuchs gegen den Weltmeister über sich hinaus und sorgte mit dafür, dass die Dänen überraschend schon ausgeschieden sind. Ebenso wie die Franzosen, die am Außenseiter Portugal scheiterte. Die Portugiesen haben auch noch kein Ticket für ein Qualifikationsturnier in der Tasche und zählen zum Kreis von sieben Mannschaften, die in der Hauptrunde stehen und um die beiden freien Plätze kämpfen.

Die besondere Motivation

Es ist nicht selten, dass die kontinentalen Titelkämpfe in einem Olympiajahr einen ungewöhnlichen Verlauf nehmen, denn es gibt immer noch ein paar arrivierte Handballnationen, die um den Traum im Zeichen der fünf Ringe kämpfen. Die wenigen Prozent mehr Motivation sorgten in den vergangenen Tagen dafür, dass Slowenien Gastgeber Schweden schlug oder dass Ungarn Dänemark einen Punkt abknöpfte. In der Hauptrunde können sich neben Co-Gastgeber Österreich, Tschechien und Weißrussland in der deutschen Gruppe Slowenien, Ungarn, Island und Portugal noch Hoffnungen machen.

„Wir sind hierhergekommen, um eine gute EM zu spielen. Natürlich wissen wir, dass es noch zwei Tickets für die Olympiaausscheidung gibt“, sagt der slowenische Nationaltrainer Ljubomir Vranjes, jahrelang Trainer des Bundesligisten SG Flensburg-Handewitt. Der ungarische Torhüter Roland Mikler macht gar keinen Hehl aus seiner Motivation: „Wir wollen nach Tokio.“ Die Europameisterschaft ist das erste Vehikel auf dem Weg dorthin. Möglicherweise reicht der siebte Platz bei der EM, um ein Ticket für de Olympia-Ausscheidung im April zu ergattern. Sicher scheint die Teilnahme, wenn das Halbfinale erreicht wird. Österreich, Ungarn und Slowenien haben aktuell die besten Aussichten, denn sie starteten allesamt mit zwei Punkten in die Hauptrunde.

Der Rest gibt sich aber nicht geschlagen. „Das war ein Rückschlag, aber wir geben deshalb nicht auf“, sagte Guðmundur Guð­mundsson, nachdem die Isländer gegen Ungarn, also einen direkten Konkurrenten, verloren hatten. Der Trainer der Isländer weiß um die Besonderheit von Olympischen Turnieren. 2008 führte er sein Heimatland sensationell zur olympischen Silbermedaille, vor vier Jahren in Rio de Janeiro gewann er mit der dänischen Mannschaft Gold.

Letztlich findet während dieser EM parallel ein zweiter Wettbewerb statt. Es wird der neue Europameister gesucht – und es wird wie wild um die letzten beiden Tickets für die Olympiaausscheidung gekämpft.

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