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Nachtzugverkehr in DeutschlandWeckruf von Scheuer an die Bahn

2016 schaffte der Staatskonzern seine Schlafwagen ab. Nun bringt der Verkehrsminister sie wieder ins Spiel. Das dürfte den Druck auf die Bahn erhöhen.

Bald auch wieder von der Deutschen Bahn? Ein Liegewagen der ÖBB am Bahnhof Hamburg-Altona Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Drei Jahre nach dem Ausstieg der Deutschen Bahn aus dem Nachtzugverkehr hält Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eine Korrektur für denkbar. „Ich bin dafür prinzipiell offen“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage nach einem möglichen Wiedereinstieg des Staatskonzerns. Er verweis auf laufende Gespräche mit den Staatsbahnen Österreichs und der Schweiz.

In welcher Form sich die Deutsche Bahn engagieren könnte, ist dabei aber noch unklar. Es helfe kein Schnellschuss, sagte Scheuer. „Wenn wir wieder Nachtzüge bereitstellen, brauchen wir auch die entsprechenden Züge dafür.“

Die Bahn hatte hingegen zum Jahreswechsel klargestellt, dass derzeit kein eigenes Angebot mit klassischen Schlaf- und Liegewagen geplant sei. Dass sich der Bundesverkehrsminister nun offen positioniert, dürfte auf den bundeseigenen Konzern den Druck erhöhen, seine Haltung zu überdenken. Die Bahn hatte das für sie nach eigenen Angaben defizitäre Schlaf- und Liegewagengeschäft 2016 an die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) abgegeben. Die Österreicher investieren in das Geschäft und ließen zuletzt neue Züge bauen.

Erfolgsmodell Österreich

Die ÖBB lässt ihre Nachtzüge durch Deutschland, Italien, die Schweiz und Österreich fahren, von Mitte Januar an auch bis Brüssel. 2019 seien die Fahrgastzahlen um etwa 10 Prozent gestiegen, sagte ein Sprecher. Die ÖBB erwirtschafteten damit ein leichtes Plus. Mit gut eineinhalb Millionen Kunden bleibt es zwar ein Nischengeschäft, Konzernchef Andreas Matthä hält aber Ausschau nach weiteren Wachstumsmöglichkeiten.

Vor dem Hintergrund der Klimadebatte wollen auch die Schweizerischen Bundesbahnen mehr Nachtzüge und dafür die Zusammenarbeit mit den ÖBB verstärken, wie ein Sprecher sagte. Zürich sei nach Wien die zweitgrößte Drehscheibe für Nachtzugfahrten in Europa. Neue Strecken könnten auch durch Deutschland führen.

Die Deutsche Bahn lässt ihre Kunden derweil nachts in Intercity und ICE im Sitzen reisen. „Zudem unterstützt die DB AG die klassischen Nachtzugverkehre anderer Anbieter, zum Beispiel mit Lokomotiven, mit Personal sowie im Vertrieb“, antwortete der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann, auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. „An dieser zweiteiligen Strategie wird die DB AG festhalten.“

Auch die FDP ist für Nachtzüge

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic kritisierte: „In Deutschland schläft die Bahn, in Österreich der Kunde – und kommt dabei noch ausgeruht und pünktlich ans Ziel.“ Die Bahn solle sich an den ÖBB ein Beispiel nehmen. „Gerade im gehobenen Segment ist Komfort für Reisende ausschlaggebend und der Nachtzug mit Schlafwagen eine attraktive Alternative zum Flugzeug.“ Spannend wäre dafür etwa eine Verbindung Berlin-Paris – die hatte die Bahn 2014 eingestellt.

Scheuer sagte: „Die entscheidende Frage ist: Was macht Bahnfahren attraktiver?“ Der Komfort müsse besser werden. „Wie kann ich die Zeit am besten nutzen, wenn ich zum Beispiel vom Passau nach Berlin fahre? Kann ich diese fünfeinhalb Stunden auch nachts nutzen, um mich zu erholen, oder fahre ich lieber tagsüber und nutze die Zeit, um zu arbeiten?“

Nach Ferlemanns Angaben hatte die Deutsche Bahn nach 2016 ihre verbliebenen 81 Schlafwagen verkauft. Wie teuer es wäre, in das Nachtzuggeschäft wieder einzusteigen, konnte er nicht sagen. Für die speziellen Fahrzeuge müssten auch die Werkstätten und Reinigungsanlagen umgebaut werden. „Hierfür wären hohe Investitionen notwendig.“

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6 Kommentare

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  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Ich nehme Herrn Scheuer nicht ab, daß er sich wirklich für den Bahnverkehr interessiert. Genausowenig wie für den Fahrradverkehr. Alles ist ihm recht, was von seinen Debakeln ablenkt.

    Doch trotz Scheuer ist das Thema Schlafwagen wichtig. Viele Verbindungen sind eigentlich nur mit Schlafwagen attraktiv.

    Berlin-Brüssel war mit dem Schlafwagen eine Superverbindung, die ich oft genutzt habe. Jetzt ist es eine Katastrophe. Man verliert fast den ganzen Tag. Manch einer fliegt deshalb sogar.

    Berlin-München ist zwar mit dem neuen ICE auch tagsüber ganz gut, aber wenn man morgens in München sein will, z.B. weil man nach Italien weiterreisen will oder ein Meeting hat, dann muß man doch am Vortag anreisen und ein Hotel nehmen. Der Nachtzug hat früher zwar länger gebraucht, aber man hat weniger Zeit verloren.

    Frankfurt-Marseille ist eine gute Direktverbindung (manchmal funktioniert sogar das WLAN!), aber als Schlafwagen wäre sie deutlich attraktiver. Und im Schlaf braucht man kein WLAN.

    • @90618 (Profil gelöscht):

      Uns moderne Schlafwagen haben sogar WLAN 😊

  • Der Nachtzug kommt aus einen Zeit in der die Fahrt von Frankfurt nach Berlin noch 8 Stunden dauerte, heute werden dafür 4 benötigt.



    Für diese Zeit legt sich keiner ins Bett.



    In der Regel fahren Nachtzüge frühstens um 21 Uhr los und sind dann um spätestens 9 da, sie stehen also 12 Std rum.



    Ein ICE kann um 24 Uhr ankommen und um 6 wieder auf die Strecke gehen, er steht also nur die Hälfte der Zeit rum.



    Das fahrende Personal ist durch Nachtzuschläge teurer, alle diese zusätzlichen Kosten müssen von jemanden getragen werden. Die Begründung müsste ein bisschen mehr als romantischer Flair sein.



    Der der morgens flieg setzt sich auch in einen Sprinter aber sicher nicht am Vorabend in den Nachtzug.

    • @Andreas Severidt:

      Sagt wer? Ach, Sie sagen das. Nachtzüge fahren auch zwischen 22 und 24 Uhr attraktiv (man hat noch einen freien Abend) vom Ausgangsort los und fahren auf Mitteldistanzen (5-6 Stunden) einfach langsamer (übrigens genau wie Nachtfähren) als die gleiche Tages Verbindung und erreicht ihr Ziel optimaler Weise zwischen 6 und 8 Uhr morgens. Es gab bzw. gibt sogar Schlafwagenverbindungen in Nord- und Osteuropa auf kürzeren Distanzen, die erreichten den Zielbahnhof bereits um 4 oder 5 Uhr und die Reisenden konnten bzw können bis 9 Uhr im Abteil nach eigenem Ermessen am Bahnsteig ausschlafen, duschen, frühstücken und aussteigen. Und mit den neuen Hochgeschwindigkeisstrecken sind sogar sehr weite Nachtsprungdistanzen wie Deutschland - Spanien oder Italien (z. B. Köln - Madrid oder München - Rom) von unter 10 Stunden zukünftig vorstellbar. Sie scheinen also nicht wirklich Ahnung von den Möglichkeiten eines modernen europäischen Nachtzugnetzes zu haben.

  • Mir wären nachts bequeme Liegesessel, in denen ich jederzeit flexibel zwischen Liegen und Sitzen wechseln kann, am Liebsten.

  • ach, der Herr Scheuer nun wieder.

    Ein Thema zur Ablenkung. Das wird nicht funktionieren wenn diePresse nicht auf jeden Unfug einsteigt.