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Schlipse für ein Patriarchat

Die Ausstellung „Die Zukunft der SPD“ in der Schöneberger Zwinger Galeriegibt keine Lösungen, bietet aber Denkanstöße und Diskussionsansätze

Von Jan Bykowski

Die Situation der SPD ist sattsam bekannt: Positionen scheinen ebenso zur Disposition zu stehen wie offenbar austauschbare Vorsitzende, die traditionelle Klientel hat immer weniger das Gefühl, von dem Programm angesprochen zu sein, und gerade in den Jahrzehnten seit Beschluss der Agenda 2010 wurde sie oft enttäuscht. Die Folge ist der geringste Zuspruch, den die deutsche Sozialdemokratie in ihrer langen Geschichte jemals hatte. Muss man zur SPD in dieser Zeit noch etwas sagen? Allerdings!

Das meinen auch fast alle von den Kuratoren Hans-Jürgen Hafner und Gunter Reski angefragten KünstlerInnen. Nur eine Absage gab es, während 30 andere mindestens eine Arbeit zum Projekt „Die Zukunft der SPD“ beisteuerten. Die Räume der Zwinger Galerie sind entsprechend dicht bespielt. Das Thema „Ein fiktives Plakat für die SPD“ war dabei nur ein lockerer Vorschlag, an den sich zwar nicht alle, aber viele gehalten haben. Entstanden ist eine vielseitige Ausstellung, die der SPD keine Lösung für eine Trendumkehr vorgeben will, sondern eine Vielzahl von Diskussionsansätzen, historischen Eindrücken und Denkanstößen anbietet. So wird man schon am Eingang von einer Vitrine empfangen, in die Manfred Pernice drei Krawatten zu den Buchstaben der Partei drapiert hat. Was leicht übersehen werden könnte, erweist sich als vielschichtige, in ihrer Form aber zurückhaltende Installation.

Stehen die Schlipse für ein Patriarchat in der Partei, die nur zu einem Drittel aus weiblichen Mitgliedern besteht? Oder für die Entwicklung der letzten 150 Jahre von der Arbeiter- zu einer bürgerlichen Partei? Oder muss man einen genaueren Blick auf die Farben der Krawatten werfen, deren Rot mal mit Gelb – die Älteren erinnern sich noch an die nicht zuletzt durch die FDP beendete Koalition unter Helmut Schmidt – mal mit Grün ornamentiert sind?

Solche historischen Anspielungen finden sich in Form und Inhalt mancher Arbeiten. Anschaulich verbindet Claus Föttinger den traditionellen Kern der Partei mit dessen in Auflösung erscheinendem Nachhall in der Gegenwart: Aus Motiven und Genossen der „alten“ SPD auf postkartengroßen Tafeln fügt er den Kern einer Lampe zusammen. Hier sind Schlagzeilen aus der Weimarer Republik bis zum Parteiverbot in der NS-Zeit ebenso zu erkennen wie auch respekteinflößende GenossInnen wie Käte Strobel.

Ein von Brecht inspirierter Chor beklagt den Wohnungsmarkt

Sie ist mit dem Sexualkunde-Atlas in der Hand zu sehen, den sie in den sechziger Jahren als Bundesministerin für Familie und Jugend vorgestellt hatte. Sie ist aber auch eine Sozialdemokratin, die wegen ihrer politischen Überzeugungen im Konzentrationslager Dachau interniert war. Solche Motive zeigen die Karten, die den leuchtenden Kern von Föttingers Lampe bilden. Um sie herum hat er eine Sphäre aus gegenwärtigen Amtsträgern oder solchen der jüngeren Vergangenheit gebildet. Sie erscheinen auf transluziden Karten wie ein blasser Abklang der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. So ein Vergleich ist selbstredend unzulässig und nicht gerecht, aber er veranschaulicht doch ein Imageproblem. Weit in die Vergangenheit greift auch Ina Wudtke, deren Neigung zur Ästhetik der zwanziger Jahre in der gezeigten Videoinstallation „Ein Schloss für Berlin“ zu erkennen ist. Ein wie von Brecht inspirierter Agitationschor beklagt den Wohnungsmarkt, dem sich die nicht besitzende, darum also mietende Klasse ausgesetzt sieht: „Mieterräte sind ein Muss!“ Weniger ein Werbeplakat, eher eine kritische Anmerkung, war sie es doch, die unter der Regierung von Klaus Wowereit und seinem Finanzsenator Thilo Sarrazin Zigtausende von Wohnungen in Berlin aus öffentlichem Eigentum an den freien Markt verkaufte.

Damit mag sich die Schau „Die Zukunft der SPD“ aber nicht zufrieden geben. Kein Bashing, auch kein billiges Lustigmachen soll es sein. Dafür ist das Thema zu ernst. Und dafür ist die Rolle, die eine funktionierende Sozialdemokratie auch in Zukunft spielen kann, zu wichtig. Manche Arbeiten deuten dann doch Lösungen an, wie das Plakat mit dem Titel „Das Prekariat wählt“ von Michaela Meise. Denn wo es Arbeiter als soziale Klasse nicht mehr in derselben Form wie noch in der Weimarer Republik gibt, bleibt dennoch ein ähnlicher Bedarf. Mit „Barista, Yoga-Lehrer, Putzhilfe, Babysitterin“ werden Zielgruppen vorgeschlagen, die auch heute oftmals ohne Sozialversicherung in schwach bezahlten Jobs arbeiten. Garniert mit einem Image, in dem der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert im Porträt von Norbert Bisky erscheint, kann die Sozialdemokratie auch für die Zukunft attraktiv sein.

Die Zukunft der SPD, bis 22. Februar in der Zwinger Galerie, Mansteinstraße 5, Berlin-Schöneberg, Di.–Sa. 12–18 Uhr

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