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Mehr Kleingeld gegen die Inflation

Höherer Mindestlohn, mehr Wohngeld, Entlastung für Angehörige und eine neue Servicenummer: Das alles ändert sich ab Januar 2020

Ab Januar – jetzt zahlt der Staat fürs Altenheim Foto: Stefan Boness/Ipon

Von Barbara Dribbusch

Der Mindestlohn steigt am 1. Januar von aktuell 9,19 Euro pro Stunde auf 9,35 Euro brutto, das sind 16 Cent mehr, also eine Erhöhung um 1,7 Prozent. Bei einer 40-Stunden-Woche in der Gastronomie macht das brutto 27 Euro, netto 18 Euro mehr im Monat. Aufs Jahr gesehen kommt man auf 216 Euro mehr, damit könnte man eine Woche zelten gehen. Könnte. Denn die Inflationsrate von geschätzten 1,5 Prozent im Jahre 2020 zehrt einen Teil der Erhöhung wieder auf.

Doch es gibt noch bescheidenere Entgelte. Auszubildende, die 2020 eine Lehre beginnen, können sich auf eine Mindestausbildungsvergütung von 515 Euro im Monat im ersten Lehrjahr verlassen. Erschreckend, dass es offenbar Betriebe gab, die ihren Lehrlingen bisher weniger zahlten.

BezieherInnen von Hartz IV bekommen auch etwas mehr Geld. Für alleinstehende Langzeitarbeitslose erhöht sich der Regelsatz von bisher 424 Euro im Monat ab Januar auf 432 Euro. Auch für Ehepaare und Kinder in Familien im Hartz-IV-Bezug gibt es entsprechend mehr. Für Alleinstehende macht dies acht Euro mehr im Monat aus, das sind 1,9 Prozent mehr zum Leben. Die Erhöhung liegt damit ein bisschen über der prognostizierten Inflationsrate, aber auch nicht viel.

Ab Juli 2020 sollen die Renten steigen. Im Westen werden die Renten voraussichtlich um 3,15 Prozent und im Osten um 3,92 Prozent zulegen. Die vergleichsweise starken Rentenerhöhungen ergeben sich aus einer Anpassungsformel, die sich unter anderem nach der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter und dem Anteil der Erwerbstätigen richtet. Die vergleichsweise gute Konjunktur hilft den RentnerInnen also mehr als den Mindestlöhnern oder Hartz-IV-EmpfängerInnen. Die Hartz-Regelsätze werden entsprechend der Lohn- als auch der Preisentwicklung angehoben.

Steigen soll ab 1.Januar auch das Wohngeld, das Leute mit geringen Einkommen als Zuschuss zur Miete bekommen. Das Gesetz beinhaltet eine generelle Anhebung der Leistungen und will der Miet- und Einkommensentwicklung in den vergangenen Jahren Rechnung tragen. Nach einer Berechnung des Bundesinnenministeriums wird das Wohngeld für einen Zweipersonen-Haushalt, der bereits vor der Reform diese Leistung erhalten hat, im Durchschnitt von 145 Euro monatlich auf 190 Euro steigen. Das sind 30 Prozent mehr.

Durch die Reform erhalten auch Haushalte mit gestiegenen Einkommen einen Anspruch auf Wohngeld, wenn die Miete hoch ist. Von den im Jahre 2020 erwarteten 480.000 Empfänger-Haushalten ohne Reform soll die Zahl mit der Reform auf 660.000 Haushalte zulegen. Für teure Regionen werden höhere Mietstufen eingeführt.

Interessant ist die Wohngeld­erhöhung auch für Aufstocker, deren Einkommen für die Miete plus Lebensunterhalt nicht reicht und die deswegen ergänzende Hartz-IV-Leistungen beziehen. Mit dem neuen Wohngeld kommen diese Leute möglicherweise aus dem Hartz-IV-Bezug heraus und können sich den Stress mit dem Jobcenter sparen.

Der Hartz-IV-Satz für Alleinstehende steigt zum 1. Januar von 424 auf 432 Euro im Monat

Weitere Veränderungen wie das Angehörigen-Entlastungsgesetz sehen ab 1.Januar 2020 vor, dass unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Pflegebedürftigen, die Geld aus der Sozialhilfe erhalten, nicht mehr zur Unterstützung herangezogen werden können.

Dies ist der Fall, wenn beispielsweise der alte Vater oder die alte Mutter ins Pflegeheim muss und deren eigene Rente und das eigene Vermögen nicht ausreichen, um die Eigenanteile für den Heimaufenthalt zu bezahlen. Dann springt das Sozial­amt ein und leistet den fehlenden Betrag, was ungefähr bei jedem dritten Heimbewohner passiert. Das Geld holt sich das Sozialamt bislang von den erwachsenen Kindern zurück, wobei diese einen Freibetrag haben. Künftig soll auf unterhaltsverpflichtete Angehörige nur dann zurückgegriffen werden, wenn diese mehr als 100.000 Euro an Jahreseinkommen haben. In den allermeisten Fällen sind die erwachsenen Kinder von HeimbewohnerInnen damit von der Unterhaltspflicht entbunden. Die Kommunen befürchten dadurch steigende Sozialhilfeausgaben.

In der Praxis spielt aber vor allem eine Rolle, dass Pflegebedürftige ihre Rente und ihr Vermögen für den Heimaufenthalt drangeben müssen. Daran ändert sich nichts.

Ab Januar soll es für kranke Hilfesuchende überall in Deutschland Terminservicestellen unter der einheitlichen Telefonnummer 116117 geben, die rund um die Uhr erreichbar sind. AnruferInnen sollen dadurch auch außerhalb der normalen Sprechstundenzeiten über ärztliche Bereitschaftspraxen oder fahrende Notärzte informiert werden. Mancherorts wie in Berlin berät sogar in bestimmten Fällen ein Arzt direkt am Telefon. Durch den neuen Service sollen die Menschen davon abgehalten werden, auch bei leichteren Beschwerden ein Krankenhaus aufzusuchen.

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