: Armutsbericht: Deutschland viergeteilt
Der Paritätische sieht „besorgniserregende Entwicklungen und neue Problemregionen“
Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht in seinem am Donnerstag veröffentlichten Armutsbericht einen Beleg für fehlenden politischen Willen, Armut wirksam zu bekämpfen. Das Problem sei hausgemacht, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. „Wenn wir im fünftreichsten Land der Erde seit Jahren super Wirtschaftsdaten haben, aber sich an der Armut kaum etwas ändert, dann ist das ein politisches und kein volkswirtschaftliches Problem.“
Für den „Armutsbericht 2019“ hat der Verband nach eigenen Angaben bereits veröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamts zur sogenannten Armutsgefährdungsquote in Bund und Ländern ausgewertet und daraus errechnet, wie sich Armut regional in Deutschland verteilt. Dabei zeichnen sich nach Angaben des Paritätischen „besorgniserregende Entwicklungen und neue Problemregionen insbesondere in Westdeutschland ab“. Es gebe eine wachsende Kluft zwischen Wohlstandsregionen vor allem im Süden und Armutsregionen im Osten und Westen Deutschlands. „Der Graben verläuft längst nicht mehr nur zwischen Ost und West“, sagte Schneider.
Armut wird in Deutschland über das Haushaltseinkommen und die daraus folgenden Möglichkeiten an gesellschaftlicher Teilhabe definiert. Bei der Berechnung der Armutsquoten zählt jede Person als einkommensarm, die mit ihren Einkünften unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Eingerechnet wird das gesamte Nettoeinkommen des Haushalts inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag oder sonstiger Zuwendungen. Die Armutsschwelle für einen Single betrug 2018 beispielsweise 1.035 Euro, für einen Paarhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren 2.174 Euro (Alleinerziehende: 1.656 Euro).
Die Armutsquote betrug dem Bericht zufolge 2018 im Bundesdurchschnitt 15,5 Prozent, das waren 0,3 Prozentpunkte weniger als 2017. Rechnerisch mussten damit 210.000 Menschen weniger als im Vorjahr unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Quote ging dem Bericht zufolge erstmals seit 2014 zurück, lag aber trotz der jahrelang guten Konjunktur fast 1 Prozentpunkt höher als vor zehn Jahren.
Die Armutsquoten teilten die BRD in vier Regionen, heißt es in dem Bericht. Nach wie vor ist der Osten ärmer als der Westen, das Ruhrgebiet gehört indes zu den ärmsten Regionen im ganzen Land. NRW ist deshalb die Region mit der höchsten Armutsquote (18,1 Prozent). Es folgen die ostdeutschen Länder mit 17,5 Prozent. Bayern und Baden-Württemberg stehen zusammen mit einer Quote von 11,8 Prozent deutlich besser da als der Rest der Republik.
Die Linkspartei warf der Bundesregierung Versagen bei der Armutsbekämpfung vor. „Ungleichheit und soziale Spaltung zwischen armen und reichen Regionen, zwischen Stadt und Land können die Demokratie gefährden“, sagte die Vorsitzende Katja Kipping. „Deshalb braucht es jetzt eine Umverteilung, einen garantierten Schutz aller vor Armut, eine Offensive fürs Öffentliche.“ (dpa, epd, afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen