Konflikt um rechtes Tattoo-Studio: Die Nerven liegen blank
Die Auseinandersetzung um ein Neumünsteraner Tattoo-Studio im Umfeld rechtsextremer Rocker eskaliert: Nun gab es einen Messerangriff.
Die Betreiber des besagten Tattoo-Studios kommen aus dem Rockermilieu der Bandidos und einige haben rechtsextreme Biographien. Stutz selbst wurde 2017 mit zwei weiteren Bandidos wegen eines Messerangriffes auf einen feindlichen Rocker in Dägeling (Kreis Steinburg) verurteilt.
Die Betroffene schildert den Vorfall am 23. Dezember im Gespräch mit der taz nun so: Gegen 16.40 Uhr habe sie mit ihrem Freund an der Kasse einer Filiale einer Bekleidungskette im Obergeschoss angestanden. Da sei Stutz auf sie zugekommen und habe sie und ihren Partner angepöbelt. Vor dem Laden soll Stutz ihren Freund auch körperlich angegangen haben. „Er hatte meinen Freund im Würgegriff und das Messer gezogen“, sagt sie. Sie wundere sich noch immer, warum die Sicherheitskräfte des Einkaufszentrums nicht einschritten. „Mein Freund erlitt eine Schnittwunde, ich wurde unter anderem am Halswirbel verletzt“, sagt sie.
„Ich habe die Menschen, es waren circa 40 Gaffer, um ein Einschreiten gebeten“, sagt sie. „Aber es kam keiner der im Halbkreis stehenden Menschen zu Hilfe. Ich bin selber dazwischengegangen und wurde dann von der Freundin des Studio-Inhabers angegriffen.“ Ihre Verletzungen und die ihres Freundes mussten laut ihrer Aussage im Krankenhaus behandelt werden, weitere Untersuchungen seien nötig. „Ich habe Anzeige erstattet“, sagt sie.
Die Staatsanwaltschaft Kiel leitete eine Ermittlung wegen gefährlicher Körperverletzung ein und bestätigte einen Rocker-Hintergrund. Auch ein Messer sei zum Einsatz gekommen.
Die Betroffene vermutet als Motiv, dass dem Tattoo-Studio der Mietvertrag für die Räume im Einkaufszentrum gekündigt wurde. Denn „der Studio-Chef hat uns bei seinen verbalen Ausfällen vorgehalten, für die Kündigung verantwortlich zu sein“, erzählt sie.
Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte besagtes Tattoo-Studio, dessen Geschäftsführer offiziell Christian Franz ist, nun den Namen des männlichen Opfers. Die Angegriffenen sehen darin eine Form der direkten Bedrohung.
Seit das „Famous Tattoo & Lifestyle Studio“ im Juni in das Einkaufszentrum einzog, warnt die Kampagne „Kein Fame für Famous“ davor, dass sich in Neumünster die Mischszene aus Rechtsextremen und Rockern weiter etabliere. Durchaus mit Erfolg: Dass dem Studio mittlerweile der Mietvertrag gekündigt wurde, dürfte die Kampagne zumindest forciert haben. Es läuft ein Rechtsstreit.
„Die Nerven bei den Betreibern scheinen nun blank zu liegen“, sagt ein Aktivist der Kampagne. Der Angriff im Einkaufszentrum habe ihn dennoch „sehr erschreckt“. Dass der Inhaber des Tattoo-Studios frustriert sei, sei ja klar. „Dass er am helllichten Tag vor Passanten auf Menschen in einem Einkaufszentrum losgeht“, bestätige jedoch die Befürchtungen der Aktivisten, dass es sich bei den Betreibern um gewaltbereite Rocker mit Kontakten in die rechte Szene handele.
Die Betreiber des Studios wiederum streiten ab, einschlägige Kontakte zu haben und mit Peter Borchert – einem führenden Bandido und langjährigem Rechtsextremist – in geschäftlicher Beziehung zu stehen. Aufnahmen jedoch belegen diese Beziehungen. Für den Miet-Rechtsstreit haben sich die Betreiber zudem einen Anwalt genommen, der auch Borchert bereits mehrfach vertreten hat.
Beste Beziehungen hat Stutz nicht nur zu Borchert, sondern auch zu Alexander Hardt. Auf seinem Instagram-Account hat der langjährige Mitstreiter von Borchert in der rechtsextremen Szene und im Bandidos-Spektrum im Oktober ein Video veröffentlicht. Im Vorspann des Clips spricht er ausdrücklich Personen an, die das „Famous Tattoo & Lifestyle Studio“ kritisieren. Eine kurze Geste mit deutlicher Botschaft folgte: Die rechte Hand auf Kopfhöhe gehalten, lässt Hardt ein imaginäres Messer aufklappen, runter zum Hals wandern, um dort eine schnelle Schnittbewegung zu vollziehen. Das Video haben die Aktivisten der Kampagne „Kein Fame für Famous“ der Polizei übergeben.
Bedauern beim Management des Einkaufszentrums
Auf Facebook stellen die Betreiber des Tattoo-Studios auch den Angriff ganz anders dar: Stutz sei nicht der Täter, sondern das Opfer. Vor einem „hinterhältigen Angriff“ habe er sich mit zwei Schlägen wehren müssen, wobei er leicht verletzt worden sei. In dem Post wird der vermeintliche Angreifer mit vollem Namen, Spitznamen und Arbeitsstelle genannt. Diese Stellungnahme überrascht, denn in der Rocker-Szene gilt es als No-Go, sich in der Öffentlichkeit zu erklären, es verstößt gegen den Ehrenkodex.
Dass die Männer, die aneinandergerieten, sich kennen, läge daran, dass ihr Freund mal in der Rocker-Szene gewesen sei, sagt die Freundin des Angegriffenen. „Er ist seit zweieinhalb Jahren aber raus.“
In einer Stellungnahme zum Angriff betont Marcus Eggers vom Management der „Holsten Galerie“, „als Vermieter“ keinen Einfluss auf die Mieter zu haben. In einer weiteren Stellungnahme hebt Eggers jedoch hervor, dass das Management des Einkaufszentrums den Vorfall sehr ernst nehme und ausdrücklich bedauere.
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