: Rumtopf –in Teig verpackt
Ohne Mince Pies kommt in England erst gar keine Weihnachtsstimmung auf. Ihr Ursprung reicht bin ins Mittelalter zurück. Allerdings war damals der Teig noch ungenießbar – er diente vor allem als Transportgefäß
Von Lisa Shoemaker
Mince Pies sind für England das, was Lebkuchen für Deutschland sind. Sie verkünden das nahende Ende des Sommers, wenn sie im August in Supermärkten erscheinen. Die kleinen Pies sind im Durchmesser etwa so groß wie ein Muffin, jedoch flacher. Sie sind mit alkoholisierten Trockenfrüchten, Nüssen und Gewürzen gefüllt und schmecken ein wenig nach Rumtopf im Gewandt eines Gebäcks.
Als ich das erste Mal Weihnachten in Großbritannien verbrachte, wähnte ich mich auf kulturelle Eigenheiten vorbereitet. Ich hatte bereits von Plumpudding gehört, der in Großbritannien übrigens Christmas Pudding heißt. Doch zwei andere Phänomene waren meinem amerikanischen Hintergrund fremd: dass die Geschenke am zweiten Weihnachtstag geöffnet werden, welcher deshalb Boxing Day heißt. Und dass an Weihnachten eben jene Mince Pies auf den Tisch kamen.
In Deutschland muss man manchmal erklären, dass Mince Pie nicht etwa mit Minze zu tun hat. To mince bedeutet in der Küche zunächst einmal hacken. Und als mir meine fleisch-abstinent lebende Schwägerin versicherte, ihre Mince Pies seien vegetarisch, fiel bei mir der Penny: Wait a minute, the others aren’t? Die anderen etwa nicht?! Auf der Insel begegnete mir das Wort mince beim Fleischer in einer neuen Bedeutung: Hack. In den Staaten sagt man ground meat.
Ein Blick in „Mrs. Beeton's Book of Household Management“ verschaffte Klarheit. Im Standardwerk unter den englischen Kochbüchern des 19. Jahrhunderts stand schwarz auf weiß: Mince Pies werden mit suet zubereitet, also mit Rindertalg. Edward Kidders Rezept aus dem frühen 18. Jahrhundert enthält außerdem Zunge. Damit ist es schon nah dran an der ursprünglichen Zubereitung, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Damals hießen mince pies noch chewtters und enthielten vor allem kleingehacktes Fleisch, auch Innereien, zudem hartgekochte Eier. Die Füllung wurde mit Ingwer verfeinert.
Mit der Zeit wandelten sich die Rezepte. Früchte und andere Gewürze kamen hinzu. Von der These, im Mittelalter sei alles stark gewürzt gewesen, um den Geschmack verdorbener Lebensmittel zu übertünchen, sind Historiker inzwischen abgerückt. Im Grunde ging es im Mittelalter zu wie in der heutigen Zeit, man färbte, würzte, süßte, was das Zeug hergab. Und nicht immer waren diese Zusatzstoffe gesund.
In Teig Eingehülltes war auch wegen seiner guten Transporteigenschaften beliebt. England kennt noch eine andere Teigtasche, die das Mittelalter überlebt hat, allerdings nur in Cornwall: Cornish Pasty. Pasties sind im Gegensatz zu Pies, die in einer Form gebacken werden, freihändig geformt und meist oval. Aus heutiger Sicht klingt es seltsam, doch der Teig von Pies und Pasties war im Mittelalter vermutlich ungenießbar. Laut Oxford Companion of Food lässt die Zusammensetzung und Verarbeitung des Teigs darauf schließen, dass er nur als Behältnis gedacht war.
Bereits im 16. Jahrhundert hatten sich die Mince Pies als typisches Weihnachtsgebäck etabliert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die Zutaten im Winter verfügbar waren.
Zum Mince Pie selbst backen bin ich als Resteverwerterin gekommen. Nach weihnachtlichen Backaktionen blieb immer ein Rest an Zitronat, Orangeat, Rosinen und Ähnlichem über. Da diese Zutaten im nächsten Jahr eher von suboptimaler Quälität sind, beschloss ich, Mincemeat zu machen, eben die Füllung für Mince Pies. Trotz des Namens ist die Füllung mittlerweile meiste vegan.
Mince Pies sind leicht herzustellen. Für sie werden besondere Bleche angeboten, aber eine Muffinform tut’s auch. Beim Teig handelt es sich um einen ungesüßten Mürbeteig, der in Großbritannien gelegentlich noch mit Rindertalg hergestellt wird (der Beste ist der, der die Niere umschließt. Er wird auch Rindernierenfett genannt). Moderne Versionen bedienen sich aber bei Butter, Margarine und Backfett. Die Letzteren sind zwar vegan. Jedoch sollte man zusätzlich darauf achten, dass kein Palmöl enthalten ist.
Man beginnt am besten frühzeitig mit dem Mincemeat, denn am besten schmeckt es, wenn es zwei Wochen lang durchgezogen ist (der Vergleich zum Rumtopf am Anfang dieses Textes war ernst gemeint).
Mincemeat: Man benötigt 500–600g Mincemeat für 48 kleine Pies (also 4 Muffinbleche).
75 g Zucker, am besten Muscovado (dunkler Zucker mit Melasse)
75 ml Alkohol: Brandy, Rum oder Port
250 g frische Frucht, klassisch sind Äpfel ohne Schale und Kerne, klein geschnitten
½ –1 TL Gewürzmischung: Lebkuchengewürz, Zimt, Ingwer, Nelke, Muskat
250 g Trockenfrüchte und – schale: Rosinen, Korinthen, Zitronat, Orangeat
Saft und Abrieb einer viertel Zitrone
Zucker und Alkohol erhitzen und die frische Frucht hineingeben und kurz garen, dann nacheinander die restlichen Zutaten hineinrühren. Vom Herd nehmen und in sterile Gläser füllen. Für optimalen Geschmack zwei Wochen durchziehen lassen.
Der englische Food Writer Nigel Slater hat meine Lieblingsversion in seinem Wintertagebuch beschrieben: mit Quitten und Kardamom. Aber auch Nigella Lawsons Rezept mit frischen Cranberrys ist hervorragend. Allerdings sollten sowohl Quitten als auch Cranberrys für das Mincemeat vorgekocht werden.
Teig: alle Zutaten gut gekühlt
400 g Mehl
Prise Salz
Ein Rezept: Black Velvet Cake
Der Red Velvet Cake hat in den USA seit seiner Erfindung Ende des 19. Jahrhunderts unterschiedliche Konjunkturen erlebt. Die leuchtend rote Farbe des Teigs ist nicht jedermanns Sache, obwohl sie sich ganz natürlich mit Roter Bete herstellen lässt. „Velvet“ („Samt“) wurde der Kuchen getauft, weil er saftig-locker daherkommt, in der Konsistenz dem Cupcake durchaus ähnlich.
Farblich abgedunkelt und vegan modifiziert landete über ein befreundetes Paar aus Tel Aviv ein Nachfahre des Red Velvet Cake auf meinem Küchentisch: Dieser Kuchen ist nahezu schwarz. Die amerikanische Küche kennt unter dem Namen Devil‘s Food Cake einen sehr ähnlichen dunkelbraunen Kuchen – doch der wird mit Schokolade angerührt statt wie der Black Velvet mit Kakao.
Und so geht es: Für den Teig mische man in einer Schüssel 250 g Dinkel-Vollkornmehl, 2 Teelöffel Backpulver, 300 g Rohrzucker, 1 Teelöffel Vanillezucker und 8 Esslöffel Kakaopulver. Dazu eine Prise Salz. In der Mitte der Schüssel eine Mulde bilden. 250 ml Apfelmus (ein bewährter Ei-Ersatz in veganen Kuchen), 250 ml Sonnenblumenöl und 500 ml Sojamilch hinzufügen und gründlich mixen. Dann 4 Teelöffel Apfelessig hinzugeben und erneut gut mixen. Schließlich 4 Esslöffel feine Schokoraspeln oder gehackte dunkle Schokolade unterheben. In eine Kuchenform geben und etwa 35 Minuten bei 180 Grad backen.
Für die Glasur 100 Gramm dunkle (vegane) Schokolade zerkleinern. Zusammen mit 5 EL Sojamilch und 5 EL Puderzucker im Wasserbad zum Schmelzen bringen, gut verrühren und auf den Kuchen auftragen. (mka)
200 g Fett (s. oben)
Saft von 2 Clementinen
Salz ins Mehl mischen, das Fett in kleine Stücke schneiden und mit den Fingerspitzen so ins Mehl einarbeiten, dass es bröselig aussieht. Etwas Saft hinzugeben und kurz kneten (es ist kein Hefeteig), bis der Teig zusammenhält, eventuell mehr Flüssigkeit hinzufügen. Teig in 4 Teile schneiden (1 Teil jeweils für 12 Pies). 1 Stunde kühlen. Herausnehmen und auf einer bemehlten Fläche ausrollen. 12 Kreise mit 7 cm Durchmesser ausstechen. In die gefetteten Muffinformen legen, den Rand circa 1 cm hochziehen. Füllen. Die Teigreste nochmals ausrollen und Deckel ausstechen. Hübsch sehen auch Sterne als Deckel aus.
Bei 180 ° C Umluft circa 15–20 Minuten backen.
Merry Christmas!
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