: Eine komplexe Beziehung
„Body Performance“ in der Helmut-Newton-Stiftung untersucht das Verhältnis von Performance und Fotografie. Obwohl Performances zu kurz kommen, ist im Berliner Museum für Fotografie etwas über die Kunstform zu lernen
Von Lorina Speder
Eine Performance ist ein komplexes Gebilde, das nur im Moment lebt. Jede anwesende Person nimmt die künstlerische Darbietung jeweils anders wahr und trägt sie auch unterschiedlich weiter. Was bleibt, sind Erinnerungen und die Bilder, die währenddessen mit Kameras aufgenommen werden. Die Ausstellung „Body Performance“ im Museum für Fotografie soll Einblicke in die geschwisterliche Beziehung von Performance und Kamera geben. Es ist deshalb etwas irritierend, dass bei 13 gezeigten Positionen die Performance als eigenständige Kunstform kaum eine Rolle spielt.
Man bekommt bei dem Gang durch die Ausstellung eher den Eindruck, dass der Fokus auf Körper und ihre Inszenierung für die Kamera gelegt wird. Jürgen Klauke fotografierte für seine „Viva España“ Serie zwei in sich umschlungene Personen, von denen auf den ersten Blick nur in die Luft ragende Beine sichtbar sind. Seine lebensgroßen Fotografien sezieren die Bewegungen der schwingenden Beine in einzelne Sekunden. Tänzerisch geht es auch bei Helmut Newton zu, der die Mitglieder des Monte-Carlo-Balletts vor knapp 30 Jahren inszenierte. Die BalletttänzerInnen nahmen für die Bilder auf offener Straße dynamische Posen ein.
Rollenspiele, Happenings
Das Spiel aus Posen, Bewegung und Inszenierung ist auch auf den Fotografien von Robert Mapplethorpe, Yang Fudong und Robert Longo zu finden. Für Longos „Men in the Cities“-Serie wirbeln Freunde des Künstlers durch die Luft oder imitieren liegend den freien Fall. Die Bilder erwecken den Eindruck, als handle es sich um ein spontanes und lockeres Happening. Alles andere als spontan sind hingegen Shermans berühmte Rollenspiele vor der Kamera, die auch in der Ausstellung zu sehen sind. Ihre klischeebehafteten Charakterporträts sind mit Brustprothesen und Schichten von Make-up bis ins letzte Detail geplant und durchgeführt. Doch der Verkleidungsprozess wäre ohne das Bild am Ende kein Werk an sich. Selbst wenn Shermans Vorgehen Referenzen zum Theater aufbauen, ihre „Untitled Film Still“ Serie einen direkten Bezug zum Film herstellt oder Longos Serie performative Aktionen auf den Dächern New Yorks fordert – die Fotoshootings hinter diesen großartigen fotografischen Werken sind keine eigenständigen Performances. Das zu behaupten wäre eine Beleidigung gegenüber Künstlerinnen wie Eva Mendieta, Marina Abramovic oder Yoko Ono, die das Genre der Performance mit ihren Aktionen geprägt haben.
Bei den Fotografien des österrichischen Künstlers Erwin Wurm ist das anders. Seine „One Minute Sculptures“ bewegen sich zwischen Skulptur und Performance, die vom Publikum ausgeht. Seit mehreren Dekaden fordert der Künstler BesucherInnen auf, seine Objektskulpturen mit dem eigenen Körper zu komplettieren. Auf den Bildern sieht man deshalb Menschen, die in unnatürlichen Posen gegen seine Objekte lehnen, auf Orangen liegen oder Tassen auf ihren Fußrücken balancieren. Bei Wurm ist die Fotografie sowohl Vermittler als auch Dokumentation seines Werkes, das gut zur selbstdarstellerischen Tendenz der sozialen Netzwerke passt.
Eine Künstlerin, bei der man etwas über das Verhältnis von Kamera und Performance erfährt, ist die Britin Vanessa Beecroft. Die Anordnung ihrer Fotografien im zentralen Ausstellungsraum gibt das Gefühl, man bewege sich inmitten der 100 halbnackten Performerinnen aus ihrer VB55 Performance. Diese standen 2005 über Stunden in der Neuen Nationalgalerie und bekamen die Anweisung, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Die Fotografien brechen die Veranstaltung auf unterschiedliche Perspektiven herunter und strahlen eigenwillige Ästhetik aus. Mal zoomt die Kamera ganz nah auf die Ansammlung von Körpern, mal versteckt sie sich hinter dem in Abendgarderobe gekleideten Publikum.
Die Kamera hat auf den Bildern Intentionen und lenkt unsere Blicke auf Details, die uns vor Ort vielleicht nicht aufgefallen wären. Sie dokumentiert nicht nur das Geschehen, sondern zeigt vor allem Beecrofts theatralisches Geschick. Die Anordnung der Körper zur eckigen Bühne wird durch den hohen Kamerawinkel hervorgehoben, auch das Zoomen auf die durch Mandelöl glänzende Haut der Akteurinnen verstärkt den Effekt von Nacktheit. Beecrofts Beitrag zeigt deshalb vor allem, wie subjektiv Fotografie ist. Zwar kann sie uns als Zeitzeuge Einblicke in vergangene Darbietungen geben. Sie hat aber auch die Macht, die Performance an sich neu zu inszenieren. Um das wirklich beurteilen zu können, müsste man aber selbst dabei gewesen sein.
Bis 10. Mai 2020, Jebensstr. 2 am Bahnhof Zoo
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