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Stichwahlen in UruguayPatt mit Sieg von rechts

Formal gibt es noch keinen Gewinner der Stichwahl in Uruguay vom Sonntag. De facto ist klar, dass die Linke die Wahl ganz knapp verloren hat.

Zu früh gefreut? Anhängerin von Luis Lacalle Pou am Wahlabend in Montevideo Foto: Santiago Mazzarovich/ap

Buenos Aires taz | Uruguay wartet weiter auf den kommenden Präsidenten. Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft am Sonntag konnte keiner der beiden Kandidaten die erforderliche Stimmenzahl auf sich vereinen. Erst wenn in den kommenden Tagen alle abgegebenen Stimmen ausgezählt sind, steht der Sieger fest.

Rund 2,7 Millionen Uruguayer*innen waren zur Stimmabgabe aufgerufen. 90 Prozent gaben ihr Votum ab. Nach der bisherigen Auszählung der Stimmen kommt der Kandidat Luis Lacalle Pou von der konservativen Partido Nacional (PN) auf 48,7 Prozent der Stimmen. Daniel Martínez vom Linksbündnis Frente Amplio (FA) auf 47,5 Prozent.

Damit liegt Lacalle Pou jedoch nur 28.666 Stimmen vor Martínez. Zu wenig, als dass ihn der oberste Wahlrat zum Sieger erklären konnte. Entscheidend sind die 35.242 sogenannten votos observados. Das sind Stimmen von Wahlberechtigten, die ihr Votum in Wahlkreisen abgaben, für die sie nicht registriert waren.

Die Überprüfung dieser Stimmen wird einige Tage in Anspruch nehmen, und da ihre Zahl über Lacalle Pous Stimmenvorsprung liegt, könnte sich das Blatt rein rechnerisch noch wenden. Dafür müssten allerdings über 90 Prozent dieser Stimmen auf Martínez entfallen.

Unterlegener Martínez: „Nach Verständigung suchen“

Luis Lacalle Pou gab sich denn auch siegessicher, als er kurz nach Mitternacht auf die Bühne trat. „Ab 1. März wird eine vielfarbige Regierung regieren“, sagte er. Das Ergebnis sei unumkehrbar.

Seinem Konkurrenten Daniel Martínez war die Erleichterung förmlich anzumerken, als er vor Anhänger*innen der Frente Amplio singend über die Bühne hüpfte. In den Umfragen vor der Stichwahl hatte er stets zwischen 5 und 8 Prozentpunkten hinter Lacalle Pou gelegen – dass es jetzt so knapp geworden ist, kann er als großen Erfolg verbuchen.

„Keine der beiden Optionen wird heute 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen“, so Martínez. Weshalb Uruguay „die historische Aufgabe hat, nach Verständigung zu suchen“, sagte der frühere Bürgermeister der Hauptstadt Montevideo.

Zwar hatte Martínez den ersten Wahlgang am 23. Oktober mit dem Motto „Das Gute bewahren und es besser machen“ mit 39,2 Prozent gewonnen. Vielen schien das zu wenig, um in der Stichwahl entscheidend zulegen zu können. Als Zweiter der ersten Runde (28,6 Prozent) schmiedete Luis Lacalle Pou sofort eine Gegenfront der Unterlegenen, die er stets als „vielfarbige Koalition“ bezeichnet.

Das Wahlprogramm: wirtschaftsfreundlich und neoliberal

Unter dem Titel Compromiso Por El País (Verpflichtung für das Land) legte Lacalle Pou ein 13 Punkte umfassendes Papier vor. Nach erfolgreichen Sondierungsgesprächen wurde es von den ausgeschiedenen Kandidaten der liberalen Partido Colorado und vom rechtsextremen Cabildo Abierto, aber auch von den weit abgeschlagenen Kandidaten der rechtssozialdemokratischen Partido Independiente und der rechtsliberalen Partido de la Gente unterschrieben.

Zwar enthält das Papier unverbindliche und zumeist allgemeine Absichten. Wirtschaftspolitisch ist es neoliberal und marktfreundlich ausgerichtet. Es besiegelte jedoch öffentlich und eindeutig die Unterstützung für Lacalle Pou und sollte zugleich die Befürchtungen progressiver und gemäßigter Wähler*innen vor einem allzu weiten Ruck nach rechts beruhigen.

Das scheint, so signalisiert das knappe Ergebnis, nicht ganz gelungen zu sein. Sicher auch weil Punkt 6 deutlich macht, was die rechte Wählerschaft von einem zukünftigen Präsidenten Lacalle Pou will. Unter der Überschrift „Eine respektierte Polizei, eine friedliche Gesellschaft“ heißt es: „Den nationalen Notstand bei der öffentlichen Sicherheit erklären, um den frontalen Kampf gegen das Verbrechen in all seinen Formen einzuleiten.“

Die Sicherheitspolitik war ein zentrales Wahlkampfthema. Obwohl Uruguay eines der sichersten Ländern in der Region ist, haben immer mehr Uruguayer*innen Angst vor Kriminalität und Gewalt, haben Raub- und Tötungsdelikte in den vergangenen Jahren zugenommen.

Lacalle Pou: im Schatten seines Vaters

Auch dass es in der Wirtschaft kriselt, sich das Loch im Staatshaushalt im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt auf 4,8 Prozent erweitert hat und die Arbeitslosenrate bei 9 Prozent liegt, verhalf Lacalle Pou und seiner Koalition zu Stimmen.

Sollte sich Lacalle Pous Vorsprung bestätigen, wäre er bei seinem Amtsantritt am 1. März 2020 mit 46 Jahren der Jungspund in der Riege seiner Amtsvorgänger seit dem Ende der Diktatur 1985.

Seine parlamentarische Karriere begann der Rechtsanwalt im Jahr 2000 mit dem Einzug ins Abgeordnetenhaus. Seither versucht er aus dem Schatten seines Vaters und ehemaligen Präsidenten Luis Alberto Lacalle (1990–1995) herauszutreten.

Bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren scheiterte er in der Stichwahl gegen den derzeitigen Amtsinhaber Tabaré Vázquez, gewann jedoch einen Sitz im Senat. Von dort aus arbeitete er beharrlich an seiner zweiten Präsidentschaftskandidatur.

Ende Juni setzte er sich bei den Vorwahlen in seiner Partido Nacional abermals gegen gewichtige Konkurrenten durch und präsentierte mit der 58-jährigen Beatriz Argimón die Parteivorsitzende als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.

Auch der Kongress war nach der Wahl am 23. Oktober politisch nach rechts gerückt. In beiden Kammern hat die Frente Amplio ihre absolute Mehrheit verloren, auch wenn sie im Senat mit 13 Mandaten und im Abgeordnetenhaus mit 42 Mandaten die jeweils stärkste Fraktion bleibt.

Zukünftig könnte jedoch Lacalle Pou auf Unterstützung hoffen. Bereits eine Allianz aus Partido Nacional (Senat 10/Abgeordnete 30), Partido Colorado (Senat 4/Abgeordnete 12) und dem Cabildo Abierto (Senat 3/Abgeordnete 11) würde problemlos für eine rechtsgerichtete Mehrheit ausreichen.

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