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Radfahren auf dem LandDer Strich des Anstoßes

Fahrradfahrer sind selten auf dem Land. Und die wenigen von ihnen, zeigen sich engagiert in der Gestaltung von Fahrradwegen.

Manche fahren Rennrad, manche, na ja, chauffieren ihre Hunde über Brandenburgs Landstraßen Foto: imago images/Julia Christe

R adler sind im Umland immer noch in der Minderheit. Mag sein, dass am Wochenende die Städter ihre Manufakturräder aus der S-Bahn wuchten, um sie um unseren See zu bewegen. Mag auch sein, dass diverse Rennrad-Cordons über die Landstraße heizen, um ihre beachtliche Beinmuskulatur öffentlich vorzuführen – der Dörfler mag es immer noch gern motorisiert. Doch auch hier bleibt die Zeit nicht stehen.

Die Verwaltung unserer Kleinstadt hat am Pendlerbahnhof ein todschickes Fahrradparkhaus gebaut. Obwohl ich dachte, dass dies nur dazu führen würde, dass bockige Provinzler ihre Möhren nun massenhaft an umliegenden Geländern, Bäumen und Straßenschildern anbinden würden, wird das Parkhaus sehr gut angenommen. Fast wie in Amsterdam, nur ohne die dort anzutreffende Fahrradfahrerfreundlichkeit. An der arbeiten wir Brandenburger noch.

Und wie in Berlin oder Amsterdam gibt es auch hier BürgerInnen, die es besser wissen. Einer dieser Kleinstädter kennt sich sehr gut aus mit sämtlichen Normen für Radwege: Markierungen, Trixie-Spiegel, Kurvenverläufe – der Mann weiß Bescheid. Und natürlich saust er auf einem E-Lastenrad durch die Botanik. Dabei ist ihm aufgefallen, dass an einer schlecht überschaubaren Stelle eine Markierung für Radler gut täte.

Sein Vorschlag: einen Strich ziehen, damit einander entgegenkommende Pedalisten erkennen, wo ihre Strecke verläuft. Briefchen an den Bürgermeister – Problem erkannt, Problem gebannt. Im Grunde simpel.

Engagierter Bürger

Die Stadtverwaltung fand das gut – und unternahm dann genau nichts. Bevor da eine verkehrsrechtliche Anordnung erfolgen könne, müsse geprüft und geplant werden, erst dann könne eine Genehmigung erfolgen und die Umsetzung in Angriff genommen werden. Was Büroklammern halt so sagen, wenn sie einen zehn Meter langen weißen Strich malen sollen.

Irgendwann reichte es dem engagierten Bürger. Nach einem Jahr des Zuwartens wuchtete er einen Eimer weiße Wandfarbe in sein Lastenrad, müllerte damit zu der im Begegnungsfall ziemlich heiklen Stelle und malerte einfach selbst den Markierungsstrich auf den Asphalt.

Schock! Anarchie! Die Stimmung zwischen Verwaltung und Bürgerlein wurde auch deshalb nicht besser, weil dessen Versprechen, der nächste Regen werde seine Straßenmalerei hinfortwaschen, nicht eintraf. Der Stadthof musste ausrücken. Anschließend tauchte tatsächlich eine autorisierte Firma auf und brachte den gewünschten Markierungsstrich auf. Und auch die Verwaltung blieb nicht untätig; sie schickte dem anarchischen Radfahrer eine Reinigungsrechnung über 422 Euro.

Im Nu fanden sich andere Bürger, legten ein paar Taler auf den Tisch und schon war die Summe beisammen. Und statt die Sache als ironische Kommentierung eigenen Verwaltungshandelns abzubuchen, gefällt sich die Bürgermeisterei seither in Zeigefinger-Rhetorik und Könnte-ja-jeder-Ermahnungen. Kann man so machen, ist aber offenbar aus einem Denken geboren, an dem wir Brandenburger – ich erwähnte es – noch zu arbeiten haben werden.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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10 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Mag sein, dass am Wochenende die Städter ihre Manufakturräder aus der S-Bahn wuchten, um sie um unseren See zu bewegen."

    Wird diese Attitüde des Dorfes als Widerstandsnests gegen Städter eigentlich nie langweilig?

    In den letzten dreißig Jahren bin ich sicher an die hundertmal mit S-Bahn oder Regionalbahn mit Rad und Mann und Maus von Berlin aus aufs Land gefahren. Ganz ohne Manufaktur-Rad und ohne Manufaktur-Gedanken.

    Mal saßen Nazis in den Kneipen, die kommen im Bauernfrühstück gar nicht vor, mal was das Essen gut, die Leute nett, mal umgekehrt.

    Mittlerweile lassen sich auf dem Wege Freunde und Bekannte besuchen, die dort Häuser gekauft haben, gerade wie Frau Maier. Nur das die nicht unter so einem Anpassungsdruck stehen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Manufaktur? Ach was!

      Das hat halt grad Konjunktur •



      &



      Vom Konjunktiv - ist - wa!…schlecht - 👩‍🌾 frühstücken. Newahr. Normal.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Das ist ja das Schlimme.

        Und jede Manufaktur hat ihre Philosophie. Auch, wenn sie nur Unterhosen herstellt. Alle arbeiten gern und verwirklichen sich dabei selbst.

        Furchtbar.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Manufakturfahrrad?



          Was ist das denn schön wieder für ein dämlicher Kampfbegriff?



          Ist hochwertiger Fahrradbau in Ihren Augen nur für blöde Yuppies, die ihr Carbon-Poser-Bike im Eiscafé vorführen?



          Ja, es gibt Firmen, die produzieren Produkte nach einer Philosophie und einem Qualitätskonzept. Was daran verwerflich? Ist man nur ein ehrlicher, umweltfreundlicher und gutmenschlicher Radfahrer, wenn man einen zwanzig Jahre alten, gebrauchten Stahlesel fährt?



          Womöglich ist ein HighTech-Rad auch noch rechts.



          Ich habe ein "Manufakturfahrrad" weil ich mehr als 4000km im Jahr damit fahre, als Sportgerät mit teilweise Extrembelastungen genauso wie als tägliches Fahrzeug zur Arbeit und anderen Erledigungen.



          Ich schätze die Qualität, die Langlebigkeit und somit die Nachhaltigkeit solcher Fahrzeuge. Und dabei hilft der Philosophie- und der Manufakturgedanke ungemein.

          • @Stefan L.:

            &!Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - pling -

            “ Klingelingeling.







            Wer den Maier-Text gelesen hat, weiß, dass nicht JIM HAWKINS die Manufaktur ins Spiel gebracht hat.“







            kurz - Gehn Sie mit der Konjunktur - wa.



            m.youtube.com/watch?v=pjacOmKDJ80

          • @Stefan L.:

            Zitat: „Womöglich ist ein HighTech-Rad auch noch rechts.“

            Tja, das halt kommt ganz drauf an, wer es mit welchen (Hinter-)Gedanken fährt. Wer in die Edelpedalen tritt, um sich und der Welt preisgünstig und risikoarm zu beweisen, dass er/sie/es ein besonders wertvoller Mensch ist, der macht (auch) HighTech-Räder zu rechtsdrehenden Maschinen. Und zwar voll automatisch. Das Potential dafür haben die Super-Vehikel jedenfalls. Danke, Marketing! Du schaffst es immer wieder, den Preis zu unterschlagen, den andere zahlen für deinen Profit.

            • @mowgli:

              @MOWGLI Zitat: "Tja, das halt kommt ganz drauf an, wer es mit welchen (Hinter-)Gedanken fährt. "

              Ich fahre es um Sport zu machen und unter der Woche von A nach B zu kommen?



              Bin ich jetzt links oder rechts?

              @MOWGLI Zitat: "Wer in die Edelpedalen tritt, um sich und der Welt preisgünstig und risikoarm zu beweisen, dass er/sie/es ein besonders wertvoller Mensch ist, der macht (auch) HighTech-Räder zu rechtsdrehenden Maschinen."

              Vielleicht bin ich ja begriffsstutzig oder blöde aber diese Aussage verstehe ich nicht.



              Erstmal widerspricht sich preisgünstig und Edelpedale und ich persönlich will niemanden beweisen, dass ich wertvoll oder sonst was bin. Höchstens, dass ich etwas fitter als die meisten 61jährigen bin aber ansonsten macht mir das Sportradeln Spaß und das von A nach B-Radeln empfinde ich als effizient - und macht meistens auch noch Spaß.

              @MOWGLI Zitat: "Das Potential dafür haben die Super-Vehikel jedenfalls. Danke, Marketing!



              Ok, demnach ist Marketing grundsätzlich rechts?

              @MOWGLI Zitat: "Du schaffst es immer wieder, den Preis zu unterschlagen, den andere zahlen für deinen Profit."

              Welchen Preis zahle ich wofür und woraus besteht mein "Profit" , wenn ich ein etwas besseres Fahrrad nutze?

            • @mowgli:

              Liggers. Das sind eben nicht nur die SUVs des kleinen Mannes. Nö. Stehn im Car-Port - gut angekettet gleich dabei.



              &



              (btw - mein erstes: - schwarzes Damen🚲 für 5 DM (damals viel Geld) & ich rätsel bis heute - was es für eine Bewandtnis mit dem kleinen graumetallig endlos drehbaren Rädchen am Lenkerrohr hatte!;)) 🧐

              kurz - Ja - unsere Welt - ist voller Paradoxien. Aber nur die sind bekanntlich entscheidbar. (Goedel/Heinz von Foerster) *



              Ooch wieder wahr.

              unterm—— * servíce —



              hansarandt.wordpre...verantwortung/amp/

        • @88181 (Profil gelöscht):

          …anschließe mich. 🗽 🗽 🗽



          &



          All dess - wo es doch am Rande der Streusandbüchse Preußens so passend zeitlos hymnend heißt “… Steige hoch, du roter Adler, über Sumpf und Sand …“ 🥳 🦅 🥳

          Aber der wird ja sowieso & gar nicht versehentlich - von den Schlapphüten sicher strengstens beobachtet. 👺

          & Jetzt - ist wieder - Ruhe im Objekt!



          💤 💤 💤 - 👻 👻 👻

          • @Lowandorder:

            ps - Wer wg - “…roter Adler…“ durch die Nase lacht - hat eine eingeschränkte Sicht auf die Welt.

            Wurden doch einst wg “…ab Oberst…“ -



            Auch alle Oberkellner Oberlokomotivführer & Oberbootsmannsmaate einkassiert - wa.

            Gemäß dem alltbekannten Kommißkoppmotto - “Mir doch scheißegal - Wo die Sonne aufgeht. Hauptsache - Einheitlich!“ - Jawollja.



            &



            Darüber wacht ja neuerdings nicht nur



            AKK 47 - Öffentlich: - “Helm ab zum Gebet - bis 20 Zählen - Helm auf!“ 👨‍🚀 👨‍🚀👨‍🚀

            kurz - “Y - Das Ende von Germany“ 👹

            Na Mahlzeit - darauf ein 👩‍🌾Strühfück •