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Frühe WeihnachtsmärkteÜberleben mit Licht

Meckert ruhig über früh eröffnete Weihnachtsmärkte. Aber bedenkt: Ohne hell erleuchtete Feste wäre der Monat November nicht auszuhalten.

Zum Glück leuchten einige Weihnachtsmärkte schon im November Foto: dpa

N ovember ist ein schrecklicher Monat. Es gibt keine Hoffnung. Nichts bringt Freude in dieser Zeit des Jahres: Kein Spaziergang, nicht der Blick in den Himmel und auch die kahlen Bäume können einen nur traurig stimmen. Während der Oktober noch Kraft schenkt, golden leuchtet, ja strahlt, ist der November eine Grauzone. Der Oktober sagt: Der Sommer vorbei, doch ich schenke warme Sonnenstrahlen. Der November sagt: Bei mir gibt es nichts zu holen.

Aber es gibt ja noch den Dezember, einen Monat der Hoffnung und des Lichts. Wenn die Adventszeit beginnt und die Menschen bunt leuchtende Lichterketten und Sterne in ihre Fenster hängen, ist das ein Zeichen des Überlebens. Es bedeutet: Wir haben das Grauen überstanden, es wird wieder gut.

In Duisburg wurde 17 Tage vor dem 1. Advent nun der (fast) erste Weihnachtsmarkt eröffnet. Das ist so früh wie noch nie für die Stadt. Man kann das als pragmatisch, konsum- oder kundenorientiert abtun, oder – viel naheliegender – es als eine Kampfansage an den November interpretieren.

Auch in Essen, Berlin und Bayreuth können sich Besucher*innen schon während des grauen Novembers mit Bratwurst und kandierten Äpfeln die Bäuche voll schlagen und sich zwischen glitzernden Buden an Glühwein wärmen. Die Kirche sieht in den frühen Weihnachtsmärkten natürlich einen Ausverkauf des christlichen Festes. Ulrich Lota, Pressesprecher des Bistums Essen, meldet sich zu Wort und warnt, dass Weihnachten nicht irgendeine kulturelle Lichtfeier am Jahresende sei.

Ähnlich argumentieren Menschen, die behaupten, Lebkuchen sollte nicht schon im September verkauft werden. Unsinn. Je früher man zu essen beginnt, desto besser übersteht man die kalte Jahreszeit. Die Kirche tut so, als gehöre ihr das Fest. Doch Weihnachten gehört nicht der Kirche, nicht den Christen, sondern uns allen, ist Gemeingut. Die Adventszeit ist eine Flucht aus der Grauzone. Wer gegen frühe Weihnachtsmärkte ist, ist gegen das Überleben.

Die Abwesenheit von Licht kann unangenehme Auswirkungen auf Menschen haben. Man wird einsam und hungrig. Wie viel schöner ist es, sich gemeinsam satt zu essen. Auf einem Markt im November.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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6 Kommentare

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  • &!Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - graut's -

    “ "Ohne hell erleuchtete Feste wäre der Monat November nicht auszuhalten."



    Wer den November nicht aushält, hält das Leben nicht aus.“

    kurz - Tja - so sieht’s wohl aus.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ..."Wer gegen frühe Weihnachtsmärkte ist, ist gegen das Überleben...."

    Glühwein und Weihnachtsgedichte gerne auch schon im August. Licht ist da im übermaß vorhanden.

    "Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!



    Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.



    Mutter schenkte euch das Leben.



    Das genügt, wenn man’s bedenkt.



    Einmal kommt auch Eure Zeit.



    Morgen ist’s noch nicht so weit.

    Doch ihr dürft nicht traurig werden,



    Reiche haben Armut gern.



    Gänsebraten macht Beschwerden,



    Puppen sind nicht mehr modern.



    Morgen kommt der Weihnachtsmann.



    Allerdings nur nebenan.

    Lauft ein bisschen durch die Straßen!



    Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.



    Christentum, vom Turm geblasen,



    macht die kleinsten Kinder klug.



    Kopf gut schütteln vor Gebrauch!



    Ohne Christbaum geht es auch.

    Tannengrün mit Osrambirnen –



    lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!



    Reißt die Bretter von den Stirnen,



    denn im Ofen fehlt’s an Holz!



    Stille Nacht und heilge Nacht –



    Weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

    Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!



    Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!



    Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!



    Gott ist nicht allein dran schuld.



    Gottes Güte reicht so weit . . .



    Ach, du liebe Weihnachtszeit!"

    (Erich Kästner)

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Heute ist zwar nicht der 18. Brumaire, aber immerhin der 17.

    Sollte einem da nicht der Gedanke an brennende Barrikaden das Herz erwärmen, als die schnöden Funzeln eines Weihnachtsmarktes?

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Schonn. Wenn’s dabei 'n Gløgg gibt - Simmer dabei.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Fragen wir Bruder Heine:

        "Unser Grab erwärmt der Ruhm.



        Torenworte! Narrentum!



        Eine beßre Wärme gibt



        Eine Kuhmagd, die verliebt



        Uns mit dicken Lippen küßt



        Und beträchtlich riecht nach Mist.



        Gleichfalls eine beßre Wärme



        Wärmt dem Menschen die Gedärme,



        Wenn er Glühwein trinkt und Punsch



        Oder Grog nach Herzenswunsch



        In den niedrigsten Spelunken,



        Unter Dieben und Halunken,



        Die dem Galgen sind entlaufen,



        Aber leben, atmen, schnaufen,



        Und beneidenswerter sind,



        Als der Thetis großes Kind -



        Der Pelide sprach mit Recht:



        Leben wie der ärmste Knecht



        In der Oberwelt ist besser,



        Als am stygischen Gewässer



        Schattenführer sein, ein Heros,



        Den besungen selbst Homeros."

  • Ach herm.

    Helf mal aus - Elfember im November - 🥳 -

    “ Wie säh' er aus, wenn er sich wünschen ließe?



    Schaltmonat wär? Vielleicht Elfember hieße?



    Wem zwölf genügen, dem ist nicht zu helfen



    Wie säh' er aus, der Dreizehnte von Zwölfen?

    Der Frühling müsste blüh'n in holden Dolden



    Jasmin und Rosen hätten Sommerfest



    Und Äpfel hingen, mürb und rot und golden



    Im Herbstgeäst

    Die Tannen träten unter weißbeschneiten



    Kroatenmützen aus dem Birkenhain



    Und kauften auf dem Markt der Jahreszeiten



    Maiglöckchen ein

    Adam und Eva lägen in der Wiese



    Und liebten sich in ihrem Veilchenbett



    Als ob sie niemand aus dem Paradiese



    Vertrieben hätt'

    Das Korn wär gelb und blau wären die Trauben



    Wir träumten, und die Erde wär der Traum



    Dreizehnter Monat, lass uns an dich glauben -



    Die Zeit hat Raum!

    Verzeih, dass wir so kühn sind, dich zu schildern



    Der Schleier weht, dein Antlitz bleibt verhüllt



    Man macht, wir wissen's, aus zwölf alten Bildern



    Kein neues Bild

    Drum schaff dich selbst! Aus unerhörten Tönen



    Aus Farben, die kein Regenbogen zeigt



    Plündere den Schatz des ungeschehen Schönen -



    Du schweigst? Er schweigt!

    Es tickt die Zeit, das Jahr dreht sich im Kreise



    Und werden kann nur, was schon immer war



    Geduld, mein Herz, im Kreise geht die Reise



    Und dem Dezember folgt der Januar.

    & bitte Gisela May - laß es ihr Kästnern -



    m.youtube.com/watch?v=zm6aMYeHlXc

    unterm—-



    de.wikipedia.org/wiki/Die_13_Monate



    &



    Dank euch beiden. 🧐