Journalist im Kongo ermordet: Weil er vor Ebola warnte
Milizionäre in der Demokratischen Republik Kongo ermordeten den Radiomoderator Papy Mahamba. Ein Lokaljournalist enthüllt Hintergründe.
Der stadtbekannte Radiomoderator hat gerade die Zuhörer beschimpft, weil sie sich der Ebola-Aufklärung verweigern. Er geht nach Hause, und nach dem Abendessen geht er nicht noch einmal aus, sondern legt sich schlafen. „Die Sicherheitslage ist gefährlich hier, deswegen sind wir vorsichtig“, erläutert später Gemeindevorsteher Simbo Nyiong Déo.
Nicht nur sind schon über 50 Einwohner von Lwemba an Ebola gestorben, es gibt im Umland auch eine Gruppe lokaler Mai-Mai-Milizionäre unter Kommando eines gewissen Patrick, die den Kampf gegen Ebola zum Feind erklärt haben.
Gegen 21 Uhr brechen fünf Männer mit Messern und Macheten in Papy Mahambas Haus sein. Was dann geschieht, berichtet später seine Ehefrau: „Sie haben ihm gesagt: Wir haben dich gewarnt, halte dich aus diesem Thema heraus, aber du warst dickköpfig.“ Sie weint am Telefon.
Ihr Mann wurde brutal abgeschlachtet, mit Stichen im Bauch, dann aus dem Haus herausgeschleift und scheußlich verstümmelt, bevor die Angreifer das Haus anzünden. Der älteste Sohn des Journalisten schaffte es, Nachbarn zu alarmieren, aber da sind die Mörder schon in der Dunkelheit verschwunden.
„Diese Bestien“
Der Mord hat Lwemba in Angst versetzt. Apadi Ambia, Präsident des lokalen zivilgesellschaftlichen Dachverbandes, kann es noch immer nicht fassen: „Wir verstehen nicht, wie diese Bestien sich das erlauben können. Die Seuche geht uns alle an und tötet uns alle, und jetzt wollen böswillige Leute, dass wir alle sterben?“
Papy Mahambas Radiodirektor Josel Muavuli ist untröstlich. „Ich kann es mir nicht erklären. Mitte September haben sie schon mein Haus angezündet. Was tun wir Journalisten denn Schlimmes, indem wir unsere Mitbürger sensibilisieren, damit diese Seuche ausgelöscht wird?“
Lwemba liegt in der nordöstlichen Provinz Ituri an der Urwaldstraße, die von der Stadt Mangina an der Grenze zwischen Ituri und der Nachbarprovinz Nordkivu nach Nordwesten zur Distrikthauptstadt Mambasa führt.
Es ist eine entlegene Gegend, historisch ohne Präsenz von bewaffneten Gruppen, Armee oder UN-Blauhelmen – nur 12 Polizisten wachen über Lwembas 5.000 Einwohner. Es ist fast die einzige Gegend der Region, wo es seit dem Sturz der Mobutu-Diktatur, 1996 bis 1997, keine bewaffneten Konflikte mehr gegeben hat.
Alteingesessene gegen Zugezogene
Aber seit Neuestem brauen sich Spannungen zusammen: die Einheimischen im Kreis Babila-Babombi, wo Lwemba liegt, klagen über Zuwanderung von außen. Geschäftsleute der Nande-Ethnie, die das Wirtschaftsleben im Ostkongo dominiert, haben korrupten Babila-Chefs großflächig Land abgekauft, oft in verlassenen ehemaligen Bergbaugebieten im Tal des nahen Flusses Ituri, und legen dort kommerzielle Kakaoplantagen an.
Die Nande-Zugereisten haben mehr Geld und Bildung und besetzen alle öffentlichen Leitungsposten. Auch Papy Mahamba war ein Nande – und auch die meisten lokalen Ebola-Bekämpfer sind es. So lehnen manche Alteingesessene die organisierte Seuchenbekämpfung als Mittel zur Festigung der Macht der Zugereisten ab.
So ist die Region um Lwemba das aktuelle Hauptausbreitungsgebiet der Seuche im Ostkongo geworden. Am 13. September raffte Ebola den Chefpfleger des Gesundheitszentrums Saint Marc dahin, der vorher erzählt hatte, Ebola gebe es nicht. Seine Beerdigung wurde Anlass zu Tumulten: Fanatiker entführten seine Leiche und zündeten die Hütten an.
Wochenlang trauten sich Ebola-Bekämpfungsteams danach nicht mehr nach Lwemba. Mitte Oktober überfielen Bewaffnete das Gesundheitszentrum und verwüsteten es. Und seit dem Mord an Papy Mahamba hat das gesamte Gesundheitspersonal den Ort verlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen