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Experte über „Demokratie leben“„Die Probleme sind gewachsen“

Der Bund plant erneut 115,5 Millionen Euro für demokratiefördernde Projekte. Das ist zu wenig, sagt Josef Blank von der Gesellschaft für Demokratiepädagogik.

Für Demokratie, gegen rechte Hetze: auf der Unteilbar-Demo im August in Dresden Foto: Robert Michael
Pia Stendera
Interview von Pia Stendera

taz am wochenende: Herr Blank, der Etat der Bundesregierung für demokratiefördernde Projekte bleibt unverändert. Im kommenden Jahr sind 115,5 Millionen Euro für das Programm „Demokratie leben“ eingeplant. Warum ist das immer noch zu wenig?

Josef Blank: Weil die Herausforderungen und Probleme, vor denen wir stehen, im gleichen Zeitraum in ungleich größerem Maße angewachsen sind. Wir haben ein gesellschaftliches Klima, in dem sich rechtes Gedankengut und Alltagsrassismus bis in Schulen und Bildungseinrichtungen hinein massiv verstärkt haben, dazu kommen neue Themen wie Onlinemobbing und Hate Speech. Deswegen sind alle Organi­sa­tio­nen viel mehr Anfragen konfrontiert, zum Teil mit doppelt so vielen wie früher. Der Mittelzuwachs von „Demokratie leben“ reicht einfach nicht aus.

Wirken sich Zäsuren wie der rechtsextremistische und antisemitische Anschlag in Halle auf Förderstrukturen aus?

Zäsuren führen zwar dazu, dass es kurzfristig eine intensivere Debatte in Politik und Gesellschaft zu der Frage gibt, was man langfristig gegen die Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas tun muss. Wenn die öffentliche Aufmerksamkeit dann abebbt, verschwinden diese Debatten aber auch schnell wieder.

Wie kann eine nachhaltigere Demokratieförderung aussehen?

Sie bräuchte vor allem langfristige Strukturen. Momentan werden Projekte zeitlich begrenzt gefördert, eine Folgeförderung ist nur möglich, wenn die Projekte deutlich umgestaltet werden. Das heißt: Wir haben eine Förderstruktur, in der gute Projekte entwickelt und erprobt werden, und wenn sie funktionieren und man auch weiß, dass sie funktionieren, muss man sie wieder verändern.

Und auf struktureller Ebene?

Im Interview: Josef Blank

33, ist geschäfts­führender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik e. V.

Brauchen wir auch eine Förderung von Organisationen und Strukturen. Weil die Mitarbeitenden bei der Projektförderung nur für dieses eine Projekt arbeiten dürfen, haben alle Organisationen große Probleme, das Personal zu finanzieren, das darüber hinaus notwendig ist, um neue Projekte zu entwickeln und die bestehenden zu verwalten. Das ist eine dauerhafte Mangelwirtschaft.

Eine der Neuerungen von „Demokratie leben“ ist die Einführung sogenannter Partnerschaften für Demokratie, bei denen das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gefördert wird.

Das ist unglaublich wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, ersetzt aber nicht ein professionelles, hauptamtliches und dauerhaftes Engagement von Expertinnen und Experten. Eigentlich könnten sich diese beiden Förderbereiche wunderbar ergänzen, momentan führt es aber leider dazu, dass zwar viele punk­tuel­le Projekte gestärkt werden, aber der hauptamtliche Einsatz für die Demokratieförderung geschwächt wird.

Viele Organisationen kritisieren auch die geplante Verteilung der Gelder. Anstatt an Bund und Länder soll künftig mehr Geld an die Kommunen gehen. Welche Folgen könnte das haben?

Über die Vergabe dieser Fördertöpfe entscheidet ein Begleitausschuss in der Kommune. Gut an „Demokratie leben“ ist, dass dieser Ausschuss überwiegend zivilgesellschaftlich besetzt ist. Aber nichtsdestotrotz sind dort auch ­Kommunalpolitikerinnen und -politiker eingebunden. An vielen Orten sehen wir schon jetzt, dass es eine Angst davor gibt, die AfD gegen sich aufzubringen. Die große Gefahr ist: Wenn das gesellschaftliche Klima in einer Kommune schon kaputtgegangen ist, werden auch Förderentscheidungen ängstlich getroffen.

Rassismus und Antisemitismus haben sich modernisiert und verbreiten sich nicht zuletzt durch die digitale Vernetzung. Muss sich auch die Demokratieförderung modernisieren?

Auf jeden Fall. Was wir brauchen, ist eine Struktur, in der wir ausprobieren, was funktioniert – und dann die Möglichkeit, diese erfolgreichen Projekte in die Breite tragen zu können. In meinem Hauptarbeitsfeld Schule haben wir sehr viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die gute Demokratiearbeit machen. Aber das sind eben nur die, die sich selbst um Weiterbildungen kümmern. Ob ein Kind in der Schule tatsächlich Demokratie lernen und leben kann, hängt also vom Zufall ab. Um die Demokratie flächendeckend zu fördern, brauchen wir also eine staatlich sichergestellte Demokratiearbeit.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Was braucht es noch?

Wir müssen unsere Methoden und Projektansätze modernisieren, stärker in den digitalen Raum gehen und auf Dialogarbeit setzen. Und wir brauchen Fortbildungsinitiativen, müssen neue Zielgruppen erschließen. Pädagoginnen und Pädagogen müssen lernen, wie sie mit demokratiefeindlichen Äußerungen und Handlungen umgehen. Eine ­Mathelehrerin kann heute nicht mehr sagen: Mir ist es egal, wenn sich ein Schüler rassistisch äußert oder den Hitlergruß zeigt. Das ist nicht mein Fachgebiet. Auch von diesen Lehrerinnen und Lehrern ist Grundrechteklarheit und ein Eintreten für die Grundwerte gefragt. Sie haben das aber in ihrer Ausbildung nie gelernt, höchstens, wenn sie Politik unterrichten. Die Demokratieförderungen kann nicht mehr nur Aufgabe von Spezialisten sein, sondern muss Dauer­aufgabe von allen Pädagoginnen und Pädagogen in allen Bildungseinrichtungen werden.

Seit zwei Jahren kämpfen einige Politiker*innen für ein Demokratiefördergesetz. Heiße Luft oder Hoffnungsschimmer?

Wenn mit dem Demokratiefördergesetz tatsächlich eine langfristige Finanzierung von Projekten und Strukturen möglich wird und wir endlich aus diesem Teufelskreis von zeitlich begrenzter Projektförderung ausbrechen können, dann wäre das ein wichtiger Meilenstein für die Demokratiearbeit.

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14 Kommentare

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  • Klar, der Mann und tausende seinesgleichen leben ja von der Kohle. Dass der mehr und länger will, ist ja durchaus eigennützig.

    Allerdings ist der Nutzen dieser Vereine mehr als zweifelhaft. R2G in Thüringen haben zig Millionen € dafür rausgeschmissen. Mehr als jede andere Regierung.

    Ergebnis: Die AfD von 10% auf 24% gehievt. R2G abgewählt.

    • @Frank Erlangen:

      offenbar profitieren Rechtsextreme davon, dass man ständig über sie redet.

      • @Monika Frommel :

        Wie wahr, wie wahr.



        Und wie kontraproduktiv.

      • @Monika Frommel :

        Ramelow wurde ja bloß von den Alten, Systemkonformen SED Freunden gerettet. Und die sterben ja ohnehin aus.

      • @Monika Frommel :

        Das weiss ich nicht. Aber uns Ostdeutschen ist der „Staatsbürgerkundeunterricht“ noch sehr präsent. Auch „Rotlichtbestrahlung“ genannt.

        Was anderes tun diese Vereine ja auch nicht und da regt sich zwangsläufig Widerstand. Die Menschen im Osten sind ja nicht doof, und wenn die neuen Herren dieselben Mittel wie die alten Herren benutzen, zeugt das eher von Lernresistenz.



        Die Wahlerfolge der AfD grade bei der Jugend spricht Bände über den Unwillen zur Gehirnwäsche.

    • @Frank Erlangen:

      " der Nutzen dieser Vereine" ist nicht nur " mehr als zweifelhaft" sondern wahrscheinlich sogar negativ.

      wenn man wirklich etwas für die demokratie förderung in deutschland tun will importiere man mehr historiker*nnen ,soziolog*innen und politolog*innen aus dem ausland oder lasse ihre werke ins deutsche übersetzen



      man sollte es auch viel mehr jungen menschen aus allen schichten ermöglichen im ausland zu studieren



      damit sie lernen die demokratie so kritisch zu sehen wie man sie sehen muss um ein guter demokrat sein zu können.







      denn im deutschen establishment gibt es im hinblick auf die demokratie tendentiell keinerlei intellektuelle redlichkeit



      was an deutschen schulen und universitäten über demokratie gelehrt wird ist so falsch dass es besser wäre die sogenannte politische bildung abzuschaffen

      • @satgurupseudologos:

        In der Tat

  • Zurück zur Erfindung der Demo (=Volk) Kratie (= Macht) wurde von Aristoteles beschrieben:



    Republik (lat. res publica d.h. öffentliche Sache)



    Demokratie (griech. demos Volk kratein herrschen)



    „Denn in den Demokratien, wo es nach dem Gesetze zugeht,



    ist kein Aufkommen für die Demagogen,



    weil daselbst die "Besten aus den Bürgern" die Stimmführer sind.“



    (Aristoteles Politik, 4. Buch. 4. Kapitel 1291b30 ff)



    Deshalb mache ich nur noch Briefwahl, denn da erfahre ich vor der Wahl den Namen der Kandidaten in meinem Wahlkreis und kann deren Fähigkeiten / Beruf etc. herausfinden!



    Es ist erstaunlich welche "Kapazitäten" sich um einen Sitz für 10.000,- plus Spesen pro Monat und Büro im Bundestag bewerben!



    Sie werden sich wundern was herauskommt, wenn ein Kandidat auf seinem Wahlplakat unter sein Foto schreibt: "Für Sie im Bundestag".



    So kann ich vorher Prüfen, ob der oder die mich vertreten sollen.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    "Weil die Herausforderungen und Probleme, vor denen wir stehen, im gleichen Zeitraum in ungleich größerem Maße angewachsen sind."

    Sorry. Grundsätzlich falsch.



    1. Keine Argument zu Weil?



    2. Widerspruch zu Herausforderungen und Probleme



    Wenn eine Herausforderung auch ein Problem ist? Mist oder?



    3. Warum dann Weiter So rumdoktern mit projektieren? Sind ja größer geworden oder?



    4. Digitale Vernetzung? Digital ist? Eine Steuerungsart hatte ich mal in Et Ausbildung. Wie analog. Oder? Alles was an Daten kommt geht dann Digital. Mehr nicht. Und da nicht geschützt. Hat es nichts genützt.

    Mehr Geld mehr Probleme? und Mehr Geld Weniger Probleme (Herausforderung) zu sehen? Vielleicht müsste der Demokratiepädagoke mal eine Lernzielglierderung erarbeiten. Also was soll bei TN dauerhaft bewirkt werden?

    " Auch von diesen Lehrerinnen und Lehrern ist Grundrechteklarheit und ein Eintreten für die Grundwerte gefragt. Sie haben das aber in ihrer Ausbildung nie gelernt, höchstens, wenn sie Politik unterrichten." Leider auch nicht richtig. Weil Beamte Eid_Laufbahn_Angestelltenlehrgänge machten_Und diese ja selbst Bestandteil der vorausgegangen Bildungsweg der Länder und des Staates hatte.



    Merken sie schon? Tut sich das Lohnen? Oder wäre ein Lebenseinkommen für alle nicht Sozial Gesellschaftlich und Kompetenzbildend Zielführender?

    Na ich weiss es nicht. In Krefeld hatte ich mal das Dreieck der Argumentation.



    Also seit 2011 sehe, lese und höre ich Weiter So Schachtel Programm und Nachlernsätze. BuhBuh

    Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Das stimmt im Weiter So.



    Gnadenlos. Wie man an den Forderungen zum Erfüllen feststellen kann. Statt Ursachen anzugehen und das alle gleich zu leben und zu verstehen.

    Drum ist das vermutlich ein Weiter So drehen.

    • @07400 (Profil gelöscht):

      Was sollen diese "Sätze" aussagen? Wollen Sie es vielleicht noch mal in Verständlich probieren?

  • 9G
    93441 (Profil gelöscht)

    Ich fände es sinnvoll, die Vergabe der Gelder auf deren Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Seitdem herausgekommen ist, dass über "Demokratie leben"Extremisten subventioniert wurden (werden?), stehe ich der ganzen Angelegenheit sehr skeptisch gegenüber. Die Frage ist auch, wie der Erfolg evaluiert wird. Ansonsten droht die Gefahr, dass einfach nur Geld zum Fenster rausgeschmissen wird.

    • @93441 (Profil gelöscht):

      Könnten Sie mal bitte eine Quelle angeben, welche Extremisten subventioniert wurden.