: Ja, ist denn jetztschon Merz?
Am nächsten Freitag wird es auf dem Parteitag darum gehen, wer die CDU eigentlich führt
Was wurde in der CDU gestritten in den zurückliegenden Monaten. Vordergründig ging es zuletzt um die Grundrente. Würde man sich mit dem Koalitionspartner SPD einigen können? Und wenn ja, wer sollte überhaupt Anspruch auf die Hilfe im Alter haben und zu welchen Bedingungen? Hinter all den Bezichtigungen und Unterstellungen, den kleinen Lügen und verdrehten Fakten war die zentrale Frage nur noch mühsam kaschiert: Wer führt die Partei?
Am Ende der kommenden Woche will die CDU darauf eine Antwort finden. Am Freitag beginnt in Leipzig der 32. Bundesparteitag. Eigentlich soll es um das lange vorbereitete Grundsatzprogramm gehen; doch in Zeiten eher mäßiger Führung aus Berlin stehen Personalfragen viel weiter im Vordergrund als erhofft.
Annegret Kramp-Karrenbauer, 57, ist seit einem Jahr Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union. 2018, beim Parteitag in Hamburg, hatte sie mit wenigen Stimmen Vorsprung die Stichwahl ums Adenauer-Haus gewonnen. Der unterlegene Friedrich Merz, heute 64, tat – entgegen seinem in Hamburg gegebenen Loyalitäts-Versprechen – so gut wie nichts für die Partei. Dafür um so mehr für seine politische Wiederauferstehung.
Er hat nicht nur eine Agentur engagiert, die ihm seitdem zu maximaler Publicity verhilft. Er hat auch ein Netzwerk geknüpft aus stramm konservativen Abgeordneten, Wirtschaftsvertretern, Merkel-Kritikern und dem Parteinachwuchs, das eine so in der CDU noch nicht da gewesene Graswurzelrevolution angezettelt hat. So lange, bis Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Thüringer Landtagswahl die Führungsfrage auf ihre Weise zu beantworten versuchte. „Wer immer meint, die Frage müsse jetzt in diesem Herbst entschieden werden, der hat auf dem Bundesparteitag dazu die Gelegenheit.“
Friedrich Merz, so viel ist zu hören, wird diese Gelegenheit wahrnehmen. Der Lobbyist und Hobbypilot hat angekündigt, auf dem Parteitag das Wort zu ergreifen. Denn es geht nicht nur um ein bisschen – durchaus angebrachte – Kritik an der Vorsitzenden. Die Führungsfrage ist vor allem die Machtfrage. In einem Jahr soll der nächste Bundesparteitag den oder die Kanzlerkandidatin wählen. Schafft Merz es bereits jetzt, die Position des Vorsitzenden im Handstreich zu nehmen, wäre seine Startposition ins Bundestagswahljahr ungleich besser.
Aber noch ist es nicht so weit. Im Gegenteil. Im politischen Berlin werden Beruhigungspillen verteilt. Der Spin: Die gute, alte CDU sei keine Partei der Umstürzler. Auch die Wählerschaft schätze keinen Streit; das hätten selbst die Merz-Jungs kapiert. Selbst Kramp-Karrenbauers Kritiker Armin Laschet versucht vor dem Parteitag gut Wetter zu machen. Gemeinsam mit dem Saarländer Tobias Hans ruft der nordrhein-westfälische Ministerpräsident die Partei zur Ordnung. „Die Führungsfrage ist auf dem Parteitag in Hamburg im Dezember 2018 beantwortet worden. Sie stellt sich daher nicht.“ Und Hans sekundiert: „Das Problem ist das fehlende Teamspiel. Wir müssen also zusammenrücken und die Suche nach der scheinbar rettenden Lichtgestalt beenden.“
An diesem Donnerstag hat der CDU-Arbeitnehmerflügel einen „Aufruf zur Einigkeit“ veröffentlicht. Die jüngsten internen Angriffe auf die Parteichefin müssten aufhören, „da sie niemandem nutzen und nur Schaden für alle Beteiligten und für die Partei mit sich bringen“, steht darin. „Einige Persönlichkeiten“ in der CDU sorgten offen und offensiv dafür, dass sich die CDU mehr um sich selbst als um andere kümmere. Das geschehe, obwohl die Vorsitzende versucht habe, diejenigen einzubinden, die sie nicht gewählt haben.
Namen werden nicht genannt. Das ist aber auch nicht nötig; der Aufruf ist deutlich genug. „An der Spitze einer Volkspartei wird nie ein Scharfmacher stehen können, sondern es muss immer ein Vermittler sein, der die verschiedenen Strömungen in der Partei zusammenhält, für Ausgleich sorgt und den Menschen in und außerhalb unserer Partei Orientierung gibt.“ Anja Maier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen