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Studie zu klimafreundlichem VerhaltenNicht ohne mein Fleisch

Laut Energie Hamburg sieht die Mehrheit der HamburgerInnen die Notwendigkeit, sich klimafreundlicher zu verhalten. In der Praxis ist man zögerlich.

Das bisschen Fleisch, das bisschen Flug: alles verleidet durchs blöde Klima Foto: dpa

Hamburg taz | Liegt den HamburgerInnen der Klimaschutz nur theoretisch am Herzen oder sind sie auch praktisch bereit, etwas dafür zu tun? Das städtische Energieversorgungsunternehmen Hamburg Energie hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben, deren Antwort zusammengefasst lautet: einerseits ja, andererseits nein.

69 Prozent der HamburgerInnen sind der Ansicht, dass sie ihr Verhalten ändern müssten, um klimafreundlicher zu leben. 82 Prozent sind überzeugt, selbst einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten zu können. Zugleich glauben aber 40 Prozent, dass Privatpersonen den geringsten Einfluss auf den Klimawandel haben.

Auffälligstes Ergebnis der Studie ist die Diskrepanz zwischen Einsicht und Konsequenz. Konkret zu Verhaltensänderungen bereit sind nur 56 Prozent der 18- bis 39-Jährigen. Bei den über 60-Jährigen sind es immerhin 65 Prozent. Grundlage der Studie war eine Online-Befragung von rund 1.000 Personen.

Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen erklärt der Umweltpsychologe Gerhard Reese von der Universität Koblenz-Landau, der an der Studie mitwirkte, mit unterschiedlichen Haltungen zu Mobilität. Jüngeren fiele der Verzicht im Bereich Mobilität besonders schwer – schließlich seien sie „in ein System hineingewachsen, in dem eine billige Flugmobilität erst möglich geworden ist“. Andererseits ist ein Viertel der Jüngeren bereit, sich fleischlos zu ernähren, bei den Älteren sind das nur elf Prozent.

Mehr als gute Vorsätze

Ihren Müll trennen 75 Prozent der HamburgerInnen

Öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad nutzen 65 Prozent

Einwegprodukte vermeiden 64 Prozent

Überwiegend regionale Lebensmittel kaufen 53 Prozent

Laut Reese spielt sich das Umweltengagement je nach Altersgruppe auf verschiedenen Ebenen ab: Während sich die Jüngeren eher bei Fridays for Future oder anderen Klimainitiativen engagierten und Parteien mit ökologischem Schwerpunkt wählten, unterstützten die Älteren Umweltverbände eher finanziell oder verzichteten bei der Mobilität.

Ein Leben ohne Auto

Konkret konnten sich 54 Prozent der über 60-Jährigen vorstellen, auf Flugreisen zu verzichten, aber nur ein Fünftel der 18- bis 39-Jährigen. Zu einem Leben ohne Auto wären 40 Prozent der über 60-Jährigen bereit, 47 Prozent der 40- bis 59-Jährigen und nur 27 Prozent der 18- bis 39-Jährigen. Welchen Impuls es jedoch bräuchte, damit aus der Bereitschaft praktisches Handeln wird, lässt die Studie offen.

Das Unternehmen betonte bei der Vorstellung der Studie die Bedeutung des Stromverbrauchs fürs Klima. Das kann nicht überraschen – Hamburg Energie hat ein vitales Interesse daran, dass mehr als die derzeit etwa 32 Prozent der HamburgerInnen Ökostrom beziehen.

So erscheint auf einer Infografik der Stromverbrauch aus Kohlekraft als mit Abstand größter klimafeindlicher Konsumfaktor, während die Mobilität mit einem Hin- und Rückflug nur mit einem Drittel der CO2-Belastung auftaucht. Zieht man hingegen eine Statistik des Bundesumweltamtes zurate, so liegt „sonstiger Konsum“ vorn, gefolgt von Heizung und Strom einerseits und Mobilität andererseits, die jeweils mit einer halb so hohen CO2-Belastung veranschlagt werden.

Das liege daran, dass man mit Strom, der allein aus Kohle gewonnen werde, einen „etwas spezielleren Wert“ zugrunde lege, sagt die Sprecherin von Hamburg Energie. Nachvollziehbar ist das Erstaunen des Unternehmens über die Trägheit der HamburgerInnen beim Stromanbieterwechsel. Inzwischen ist laut Hamburger Verbraucherzentrale selbst der in Deutschland erzeugte Ökostrom günstiger als der Basistarif des Grundversorgers mit konventionellen Energien – das scheint nicht im allgemeinen Bewusstsein angekommen zu sein.

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1 Kommentar

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  • "Zu einem Leben ohne Auto wären 40 Prozent der über 60-Jährigen bereit, 47 Prozent der 40- bis 59-Jährigen und nur 27 Prozent der 18- bis 39-Jährigen."

    Diese Zahlen bestätigen nur, dass viele Befragte bei solchen Umfragen "sozial erwünschte" Antworten geben. Man hätte nicht fragen sollen, wer zu einem Verzicht aufs Auto "bereit wäre", sondern wer tatsächlich auf ein Auto verzichtet. Dann wären vielleicht realistischere Zahlen herausgekommen. Wer sich ein Auto leisten kann, hat in aller Regel auch eins. Oder hat zumindest einen Partner oder Angehörige mit Auto, so dass bei Bedarf darauf zurückgegriffen werden kann. Und wer in einer Großstadt mit gut ausgebautem ÖPNV lebt und praktisch ausschließlich Wege zurücklegt, die unproblematisch mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden können, und deswegen kein Auto hat, der "verzichtet" nicht.