: Als die Bilder bunt wurden
Das Zeughauskino nimmt den 50. Jahrestag der Einführung des Farbfernsehens in der DDR zum Anlass für eine kleine Filmreihe
Von Fabian Tietke
Grell leuchtet die Studiosonne über der Sandlandschaft, in der ein Propellerflugzeug gestrandet ist. 1965/66 dreht Konrad Wolf, einer der bekanntesten Regisseure der DDR, in den Studios der Defa in Babelsberg eine Verfilmung von Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“. In reduzierten Kulissen, die sich an den Illustrationen des Buches orientieren, entwickelt Wolf einen Film, der den existenzialistischenHumanismus der Vorlage in die Gegenwart überträgt. „Mensch, Du musst Dich erheben“ singt Manfred Krug zeitgeistig-jazzig im Vorspann. Die farbenfrohen Kostüme heben den kleinen Prinzen von der gedämpft farbigen Umgebung ab. Die Spielszenen zeugen von Nähe zum sozialistischen Science-Fiction-Film jener Jahre, die Rückblenden auf den Heimatplaneten des kleinen Prinzen sind märchenhaft verspielt.
Wolfs Film war geplant als ein Höhepunkt für die Einführung des Farbfernsehens. Als jedoch im Oktober 1969 in der DDR als letztem deutschsprachigen Land das Farbfernsehen startete, blieb der Film zunächst unsichtbar. Die Verantwortlichen hatten es versäumt, die Rechte für die Verfilmung einzuholen. Der Film lief schließlich 1972 doch noch im Fernsehen. Am kommenden Dienstag eröffnet er eine kleine Filmreihe, die Thomas Beutelschmidt aus Anlass des 50. Jahrestags der Einführung des Farbfernsehens in der DDR für das Berliner Zeughauskino zusammengestellt hat. Die Reihe stellt Wolfs Ausflug ins Fantastische neun Gegenwartsfilme an die Seite.
Im Urlaub in Bulgarien lernt der Automechaniker Robert die junge Studentin Jutta kennen, die sich nach einer Flucht aus der Enge des realsozialistischen Biedermeier sehnt. Erst nachdem die beiden ein gemeinsames Kind haben, weiht sie Robert in die Fluchtpläne ein, die sie gemeinsam mit ihrem West-Onkel verfolgt. Vom Generationenkonflikt bis zur Wohnungsnot in der DDR – Helmut Krätzigs „Risiko“ greift eine ganze Reihe von Konfliktthemen auf, verschränkt die Problemlinien miteinander, lässt den Fluchtversuch scheitern und wurde doch nicht ausgestrahlt. Statt wie geplant 1980 in der Fernsehreihe „Der Staatsanwalt hat das Wort“ zu laufen, wurde der Film erst zehn Jahre später, nach dem Fall der Mauer gezeigt.
Die Konflikte um die Rollenerwartungen an Männer und Frauen in der DDR, die in „Risiko“ nur eines von vielen Konfliktfeldern bildet, steht im Zentrum von Horst E. Brandts „Eva und Adam oder Drum prüfe!“ Vera Schmidt hat erfolgreich ihre Dissertation abgeschlossen und arbeitet als Referentin in einem Druckmaschinenwerk. Ihr Mann leitet das Werk als Betriebsdirektor. Vera wird fortwährend mit dem Verweis auf Gepflogenheiten, Bräuche und Traditionen mit Erwartungen konfrontiert, in denen die in der Verfassung garantierte Gleichberechtigung nur mehr ein fahler Abglanz ist. Auf dem Standesamt bekommt ihr Mann wie selbstverständlich die Heiratsurkunde als erster zur Unterschrift, auf der Arbeit wird ihr ein Wechsel nahegelegt, weil das Ehepaar nicht zusammen arbeiten soll. Vera landet in der SED-Bezirksleitung, er wird nach Leipzig versetzt – zunächst provisorisch. Als aus dem Provisorium ein Dauerzustand wird, bittet Vera ihren Mann, die neue Stelle abzulehnen, um ihr eine Karriere in der Bezirksleitung zu ermöglichen. Den Schluss der Reihe bildet Anfang November Frank Beyers Kammerspiel „Geschlossene Gesellschaft“, in dem ein Paar in einem Ferienhaus auf sich selbst zurückgeworfen, schwelende Konflikte nicht länger verdecken kann. Beyers Drang ins Banale bricht sich in Details wie der Filmmusik bisweilen Bahn, doch die Schauspielleistung von Armin Mueller-Stahl und Jutta Hoffmann erhält dem Film die Intensität eines düsteren Stimmungsbildes. Beide verließen kurz darauf die DDR.
„Im Auftrag des Fernsehens der DDR“ zeigt künstlerische Freiheiten und politische Grenzen von Filmen, die für das DDR-Fernsehen produziert wurden. Vor allem in den Produktionen der 70er Jahre stechen die Parallelen zum westdeutschen Fernsehen hervor. „Geschlossene Gesellschaft“ ähnelt einer abgeschwächten Form der klaustrophoben Kammerspiele, die Sohrab Shahid-Saless drehte und auch Christian Rischerts realitätsgesättigtem zweiten Spielfilm „Lena Rais“ über die Emanzipation einer Frau. „Eva und Adam oder Drum prüfe!“ hingegen wirkt in der Mischung aus Seifenoper und Gesellschaftspolitik wie eine konzentrierte Fassung der „Lindenstraße“. Die Reihe, die das Zeughauskino in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv zeigt, macht Lust auf die Schätze, die sich noch im Archiv verbergen.
Im Auftrag des Fernsehens der DDR, 1. Oktober bis 3. November im Zeughauskino
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen