Sven Giegold über Milliarden-Strafe: „Auch für Google eine Menge Geld“
Nach langem Streit soll Google an Frankreich eine Milliarde Euro zahlen. Auch Deutschland könnte mehr tun, meint Grünen-Politiker Sven Giegold.
taz: Herr Giegold, Google zahlt nach einem Steuerstreit fast eine Milliarde Euro an Frankreich. Tut dem Konzern die Summe weh?
Sven Giegold: Natürlich, für ein Unternehmen wie Google ist das eine Menge Geld. Ich finde es tatsächlich bemerkenswert, welche Summe bei dieser Einigung geflossen ist. Aber die Einigung zeigt, dass es für Google offenbar immer noch günstiger war einzulenken, als die Verhandlungen fortzuführen. Von den liquiden Mittel, die der Konzern in den Steueroasen zwischengelagert hat, wird das weniger als ein Prozent ausmachen.
Warum geht Deutschland nicht schärfer gegen Internetriesen vor?
Deutschland ist im Steuervollzug schlecht organisiert. Mehrere Bundesländer, etwa Hamburg und Bayern, haben den Ruf, bei der Eintreibung der Unternehmenssteuern zu lasch zu sein. Wir haben da leider einen echten Steuerverwaltungswettbewerb – in Gegensatz zu Frankreich, da gibt es eine zentrale Verwaltung. Das ist bei großen Unternehmen wie Google auch viel sinnvoller. Große Internetkonzerne nutzen bei uns Schlupflöcher aus, aber wir unternehmen bisher wenig dagegen.
Kann da eine europäische Digitalsteuer helfen?
Eine umfassende europäische Regelung wird wohl nicht kommen, weil einige Länder im Rat der Mitgliedsländer konsequent dagegen stimmen. Ich bin aber auch kein Freund von nationalen Regelungen, wie sie etwa Österreich oder Großbritannien planen. Deutschland sollte sich vielmehr darum bemühen, koordiniert mit andern willigen Ländern außerhalb des EU-Rechts eine gemeinsame Lösung zu finden. Aber dazu scheint die Bundesregierung unter Federführung von Finanzminister Scholz nicht bereit. Das ärgert mich enorm. Das ist Duckmäuserei vor den USA auf Kosten der Steuergerechtigkeit.
Sven Giegold ist Sprecher der Europagruppe der Grünen. Er ist Experte für Klima und Wirtschaft.
Was spricht überhaupt gegen nationale Lösungen?
Ökonomisch geht das problemlos, denn die Digitalsteuer setzt bei den Kund*innen an und ist nicht verlagerbar. Neben Frankreich bringen ja auch Großbritannien, Italien und Österreich bereits eine solche Steuer auf den Weg. Aber wenn jetzt alle Staaten anfangen, eine eigene Steuer zu erheben, dann fragmentieren wir den europäischen digitalen Binnenmarkt. Besser wäre es, wenn alle handlungsbereiten Staaten eine Digitalsteuer mit gleichem Design einführen. Kleinen Digitalfirmen sollten grundsätzlich steuerbefreit sein.
Wird Google sein Verhalten nun ändern?
Vermutlich nicht. Dafür ist die Rechtslage in Europa immer noch nicht zwingend genug für den Konzern. Ich gehe auch davon aus, dass Google keinen wirklichen Reputationsverlust durch die Zahlung erleiden wird. Die Menschen werden die Produkte weiterhin nutzen. Dabei gibt es ja Alternativen ohne Massenüberwachung und Steuerdumping.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW