: Die Last mit der Bahn
Innerstädtischer Gütertransport kann per Straßenbahn umweltfreundlicher werden: Das zeigen Beispiele aus Zürich, Dresden und Frankfurt. Ob das auch Modelle für Bremen sein können, will Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) prüfen
Von Benno Schirrmeister
Das Alter einer Idee sagt nichts über ihre Qualität. Und auch, dass der eher randständige Christliche Gewerkschaftsbund Bremen (CGB) sie aktuell erhebt, disqualifiziert die Forderung nach einer Lasten-Tram nicht: Dessen nahezu ewiger Landesvorsitzender Peter Rudolph hat Klima-, Umwelt- und Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) zum Amtsantritt gratuliert und dabei angeregt, wenigstens „zu prüfen, inwieweit sich die Gleise der Bremer Straßenbahn auch für den Gütertransport nutzen lassen“.
Gegeben hat es das schon einmal, wenn auch offenbar nicht in Bremen: In den Anfängen waren in vielen deutschen Städten die Pferdebahnen und die Elektrischen auch für den innerstädtischen Lastverkehr zuständig. Hannover verfügte damals über Deutschlands größte Güter-Tram-Netz. Bis weit in die 1950er-Jahre hinein sind solche Transport-Straßenbahnen aktenkundig. Mit dem autogerechten Umbau der Städte wurden sie von dieselnden LKW verdrängt.
Die sind jetzt ein großes Problem der Citys: Ihr Lärm, ihr Gestank. Seit 2001 gibt es deshalb zum Beispiel in Dresden die Cargo-Tram, eine von Volkswagen finanzierte Zulieferungsstraßenbahn für die dortige Autofabrik. Seit die keine Luxuskarren mehr herstellt, sondern E-Golfs, wirkt das sehr zukunftsgewandt. Ein anderes Güter-Tram-Konzept fährt die Stadt Zürich: Sie nutzt den Schienenverkehr für die Sperrmüllabfuhr. Frankfurt am Main hat 2018 einen Modellversuch gestartet.
In Bremen zeigt sich Senatorin Schaefer entsprechend aufgeschlossen: „Ich finde das hochspannend“, sagte sie der taz. Das Mindeste sei „genau hinzuschauen, was in den anderen Städten passiert, um davon lernen zu können“, so die Senatorin.
Tatsächlich rennt der CGB mit dem Vorstoß offene Türen ein. Beziehungsweise: angelehnte. Schon 2012 hatte Michael Lütjen vom Bremer Uni-Institut für Produktion und Logistik (Biba) zusammen mit Jakub Piotrowski die Möglichkeiten eines „Intelligenten Güterverkehrs per Straßenbahn“ untersucht – und war „trotz großer, noch zu lösender Herausforderungen“ zu einer eher optimistischen Einschätzung gekommen, „da das Straßenbahnnetz über große Potenziale für den Güterverkehr verfügt“.
Zudem hatte 2017 auf Betreiben des wirtschaftsnahen Vereins „Bremen kommt“ eine Arbeitsgruppe aus der Bremer Straßenbahn AG und Logistik-WissenschaftlerInnen darüber beraten, wie sich „die Stadt als Modellregion für einen elektrisch betriebenen Lieferverkehr in der Innenstadt“ entwickeln ließe, so steht’s auf der Homepage des Vereins. Und auch das Fraunhofer Institut für Materialforschung (IFAM) sei beteiligt gewesen, woran man sich dort allerdings nicht mehr erinnert: „Zu Gütertransport per Straßenbahn in Bremen liegt hier nichts vor“, so die IFAM-Pressestelle.
Egal. „Die Pilotphase“ heißt es auf der „Bremen Kommt“-Webseite sehr konkret, „ist auf drei Jahre angelegt.“ Und zwar gehe es „um die Strecke zwischen dem Güterverkehrszentrum und der Innenstadt, die von der Straße auf die Schiene kommen soll“. Die Federführung habe damals er gehabt, bestätigt der Vereinsvorsitzende Hans-August Kruse, gewesener Bau-Unternehmer und Kulturmanager mit nicht so toller Bilanz.
„Hochkarätig besetzt“ sei das Gremium gewesen, und dass die Sache dann im Sande verlaufen sei, will er so nicht sagen. Nur, dass es einen Verlauf genommen habe, „der leider typisch bremisch ist“. Und: „Wenn Bremen das nicht umsetzt, was wir da zusammen mit hochkarätigen Wissenschaftlern ausgearbeitet haben, dann …!“, aber das Ganze brauche mehr Zeit als ein Telefonat zwischen Tür und Angel.
Maike Schaefer (Grüne), Umwelt-, Verkehrs- und Bausenatorin
Auf der „Bremen Kommt“-Seite wird als „zentraler Partner“ die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) benannt, „auf deren Gleisen das Projekt umgesetzt werden soll“. Und dort immerhin bestätigt man die Teilnahme an den Gesprächen: „Das ist ein sehr interessanter Gedanke“, so BSAG-Sprecher Andreas Holling. Die BSAG sei auch grundsätzlich bereit, ihn weiterzudenken. „Aber wir können hier ja nur Transportkapazitäten ermitteln und unser Netz zur Verfügung stellen.“ Sprich: Es bräuchte noch jemanden, der Ware per Tram transportieren – und empfangen will.
Also entweder große Paketzustelldienste wie UPS, DHL oder Hermes. Oder lokale Händler. Für nicht zuständig erklärt sich jedenfalls der Verein der Bremer Spediteure: „Die innerstädtischen Verkehre sind eher Sache des Einzelhandels“, so deren Geschäftsführer Robert Völkl. „Ich habe aber ehrlich gesagt auch keine Fantasie, wie das gehen soll“, so der Logistiker. „Man muss ja erst die Güter zur Straßenbahn bringen und dann von der Haltestelle wieder abholen“, so Völkl. „Wie soll das den CO2-Ausstoß senken?“ Auch geriete eine Cargo-Tram in Konkurrenz zu ihrer eigenen Bestimmung: „Die Straßenbahn soll ja Personen durch die autofreie City befördern, nicht die Innenstadt mit Waren versorgen.“
Ein Konflikt, den auch der ökologische Verkehrsclub VCD befürchtet: „Solange die Kapazitäten für den Personenverkehr so beengt sind wie jetzt, würde es schwierig, die Straßenbahn auch noch für Güterverkehr heranzuziehen“, warnt dessen Landesvorsitzender Malte Halim. Auch wenn der Grundgedanke „zu begrüßen“ sei. Und wenn es möglich wäre, Zeitfenster zu finden, in denen das Personenverkehrsaufkommen gering ist? „Das könnte passen.“
Hinweise darauf gibt es im Biba-Paper: „Die Verkehrsinfrastruktur wird insbesondere zu Arbeitsbeginn und -ende durch den Personenverkehr stark belastet, wohingegen der Güterverkehr seine Spitzenzeiten zwischen 10 und 13 Uhr erreicht“, heißt es da. Ein „robustes logistisches System“ das Straßenbahn und Paketübergabestationen kombiniert, könnte das Transportpotenzial des Tramnetzes grundsätzlich erschließen, so die Prognose des Biba. Dazu noch einmal Senatorin Schaefer: „Uns ist es wichtig, die Stadt von den Abgasen der Kurierdienste zu entlasten, die oft genug Fußgänger- und Radwege blockieren.“
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