heute in hamburg: „Es muss eine redaktionelle Auswahl geben“
Podiumsdiskussion „Regionale Tagespresse - ‚alles online, alles gut?‘“ mit Martin Dieckmann, Sven Kummereincke (Hamburger Abendblatt) und taz nord-Redaktionsleiterin Andrea Maestro: 19 Uhr, Klub, Besenbinderhof 62
Interview Inga Kemper
taz: Herr Dieckmann, wieso ist es für viele Regionalzeitungen schwierig, auf Online-Journalismus umzusteigen?
Martin Dieckmann: Die gesamte Entwicklung der regionalen Tageszeitungen ist lange verschlafen worden, obwohl die Ursachen lange vor der Onlinenutzung erkennbar waren. Weil die Regionalzeitung ein universelles Medium ist und über alles berichtet, kompensierten andere Pressemärkte durch immer mehr Titel für spezifische Zielgruppen. Das Schrumpfen der Reichweite und der Auflage der regionalen Tageszeitung hat 1991 angesetzt und ist immer um den gleichen Faktor gesunken, bis vor ein paar Jahren.
Wie soll Qualitätsjournalismus im Netz finanziert werden – etwa mit Bezahlschranken?
Die Schwierigkeit bei Bezahlschranken besteht darin, dass Journalisten und Verlage nur noch von den Vertriebserlösen leben können. Diese machten in der Vergangenheit aber nur ein Drittel der Tageszeitung aus, das heißt diese Produkte sind teuer und nur für Bevölkerungsgruppen, die sich das leisten können. Wir brauchen in Zukunft eine Mischung von privatwirtschaftlichen Modellen – Genossenschaften, spendenfinanziert –, aber wir brauchen auch eine Öffnung des öffentlich-rechtlichen Angebots in den Lokaljournalismus.
Kann Online-Journalismus auch eine Chance sein?
Martin Dieckmann, 63, ist Ver.di-Fachbereichsleiter für Medien in Hamburg.
Die qualitativen Elemente der Redaktion einer Tageszeitung kommen zusammen mit den Erfahrungen des Rundfunks: Der Rundfunk wird presseähnlich im Internet und die Tageszeitung wird rundfunkähnlicher. Das ermöglicht es auch über den Tag hinweg Informationen zu bringen, wenn sie denn gesichert sind. Der entscheidende Punkt ist: Es muss eine redaktionelle Auswahl und eine Prüfung geben.
Sind Fake News in Zeiten von Online-Journalismus zunehmend ein Problem?
Gezielte Fehlinformationen, also Fake News, sind etwas anderes als fehlerhafte Information. Wir erleben aber, dass durch die Hektik und Konkurrenz der Plattformen häufiger falsche Darstellungen erfolgen. Zum Beispiel, wenn die Deutsche Presse-Agentur eine Meldung herausbringt, wo die Überschrift, um Aufmerksamkeit zu erreichen, den Text nicht trägt.
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