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Nordirland hofft jetzt auf die Briten

Pride Parade in Belfast – aber der Schlüssel zum Recht auf Homo-Ehe und Abtreibung liegt in London

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die Parade sei weder orange noch grün, sondern regenbogenfarben, sagte Irlands Premierminister Leo Varadkar. Er hatte zum ersten Mal an der Pride Parade in Belfast teilgenommen, bei der am Samstag Zehntausende durch Nordirlands Hauptstadt marschierten. Orange steht in Nordirland für die protestantischen Unionisten, die für den Verbleib der Provinz im Vereinigten Königreich sind. Grün ist die Farbe der katholischen Nationalisten, die für die Vereinigung Irlands eintreten.

Die Parade war Teil des zehntägigen LGBTQ-Festivals. Am Morgen hatte der Belfaster Bürgermeister John Finucane von Sinn Féin die Regenbogenflagge über dem Belfaster Rathaus gehisst. „Das ist ein historischer Moment“, sagte er. „Es ist das erste Mal, dass diese Fahne über dem Rathaus weht, aber ich garantiere, dass es nicht das letzte Mal sein wird.“

Als 2017 der damals 38-jährige Varadkar sein Amt antrat, war er der jüngste Premierminister seit der irischen Staatsgründung 1922. Homosexualität war bis 1993 in der Republik Irland strafbar, sein Vater Ashok ist ein Hindu aus Mumbai. Das alles macht Varadkar aber noch lange nicht zu einem progressiven Politiker. Er gehört in seiner rechtskonservativen Partei Fine Gael (Stamm der Gälen) dem rechten Flügel an.

Bei der Parade am Samstag wurde er begleitet vom Tory-Lord Robert Hayward, der Anfang des Jahres die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe durchs britische Oberhaus geboxt hat. Für Nordirland galt das freilich nicht, es ist der einzige Teil des Vereinigten Königreichs, wo die Homo-Ehe nach wie vor illegal ist. Dort gilt auch noch das Abtreibungsverbot von 1861, das bei Zuwiderhandlung lebenslange Haftstrafen vorsieht.

Das könnte sich jedoch bald ändern. Vor zwei Wochen entschied das Londoner Unterhaus mit 328 zu 65 Stimmen, dass sowohl gleichgeschlechtliche Ehen als auch Abtreibung in Nordirland legalisiert werden. Das Gesetz tritt am 21. Oktober in Kraft – es sei denn, das nordirische Regionalparlament verhindert das. Doch das liegt seit Januar 2017 auf Eis, weil sich die beiden stärksten Parteien auf ihrer jeweiligen Seite, die Democratic Unionist Party (DUP) und Sinn Féin, wegen eines Finanzskandals zerstritten haben. Eine Regierung für Nordirland müssen sie aber laut Karfreitagsabkommen gemeinsam bilden.

Für Sinn Féin, den ehemaligen politischen Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), entbehrt die Sache nicht einer gewissen Ironie. Die Partei tritt für Legalisierung von Abtreibung und Homo-Ehe ein, konnte das aber nicht durchsetzen. Nun kommt die Liberalisierung ausgerechnet vom Parlament in London, das von den sieben Sinn-Féin-Unterhausabgeordneten boykottiert wird.

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