: Attacke auf linkes Wohnprojekt
Unbekannte zerstören Schaukasten und flüchten sich ins Haus einer rechten Burschenschaft in Göttingen
Von Reimar Paul
Nach Monaten relativer Ruhe hat sich der Konflikt zwischen rechten Studentenverbindungen und ihren linken Gegnern in Göttingen offenbar wieder aufgeheizt. Wie die Wohnrauminitiative – das ist ein Zusammenschluss kleiner Wohnheime und Wohnprojekte – am Donnerstag mitteilte, wurde am Dienstagabend ein von Linken bewohntes Haus im Göttinger Ostviertel angegriffen.
„Mindestens zwei bis drei Personen“ hätten sich an der Zerstörung eines Info-Kastens vor dem Gebäude beteiligt, sagte Marianne Albers, Sprecherin der Initiative, am Donnerstag der taz. Durch eine Reihe harter Tritte und Schläge sei der Kasten aus der Verankerung gerissen, umgestoßen und dadurch zerstört worden. „Danach rannten die Angreifer geschlossen in den Eingang der Burschenschaft Germania“, so Albers. Deren Verbindungshaus liegt, nur wenige Meter entfernt, in derselben Straße wie das attackierte Gebäude. Mehrere Augenzeugen hätten den Vorfall beobachtet.
In dem Schaukasten informieren die zurzeit sechs Bewohner des betroffenen Hauses regelmäßig über aktuelle politische oder kulturelle Veranstaltungen in der Stadt, etwa zum Thema Flucht und Asyl. Dass die Angreifer eben diesen Kasten als Ziel wählten, sieht die Wohnrauminitiative als Angriff auf eine bunte und weltoffene Gesellschaft. Und auf alle, „die nicht dem elitären und patriarchalen Weltbild der Germania entsprechen“.
Die rechte „Burschenschaft Germania zu Göttingen“, wie sie sich selbst nennt, besteht seit 1851 und ist damit – als eine von etwa 40 studentischen Verbindungen in Göttingen – die älteste Burschenschaft in der Unistadt und nach eigenen Angaben „auch die älteste nichtschlagende Burschenschaft Deutschlands“. Von ihren Mitgliedern fordert die Germania „die Bereitwilligkeit, sich dem Gemeinschaftsleben als einem auf christlich-deutscher Grundlage beruhenden einzugliedern“ und „eine überzeugte Bejahung der deutschen Kultur- und Wertegemeinschaft“. Nicht-Christen werden nicht aufgenommen.
Die linken Nachbarn stehen nach Angaben der Wohnrauminitiative schon länger im Fokus der Germania. Bereits vor vier Jahren habe es Übergriffe gegeben, sagt Marianne Albers. „Vorläufiger Höhepunkt“ waren Schüsse aus dem Burschenschaftsgebäude mit einer Soft-Air-Waffe durch ein geöffnetes Fenster des Wohnprojekts. In dem Raum probte damals gerade eine Band. Der Schütze, ein 21-jähriger Student, wurde später wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Auch dieses Mal wollen die Betroffenen die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Am Donnerstag stellten sie Strafantrag gegen Unbekannt. Gleichzeitig trafen sich Bewohner und Unterstützer der Wohnrauminitiative, um über mögliche Protestaktionen zu beraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen