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press-schlagEinstieg in die Fahrstuhlliga

Angeblich streiten sich nur vier Ex-Erstligisten um den Aufstieg: Doch ganz so einfach ist das nicht

Der Club ist wieder da! Nämlich da, wo er hingehört, wie böse Zungen sagen, auf dem traurigen Boden der Tatsachen, zurück in der 2. Liga. Trotzdem wird der neunmalige Deutsche Meister und Rekordabsteiger 1. FC Nürnberg genauso wie die Mitabsteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 als Aufstiegskandidat gehandelt – mitsamt dem selbstverhinderten Aufsteiger der letzten Saison, dem Hamburger SV. Vier für zwei bis drei Plätze. Dahinter wird sich, so die allgemeine Expertenmeinung, viel Mittelmaß tummeln. Von unten neu dazugekommen ist der Karlsruher SC, noch so ein Ex-Langzeiterst­ligist, aber wohl noch zu schwach, um oben mitzuspielen.

Klare Sache also? Nein, so einfach wird das nicht. Das Bild der 2. Bundesliga pendelt in der allgemeinen Betrachtung ja zwischen Reha­klinik für angeschlagene Große, die es eigentlich nach Europa zieht (HSV, VfB, in der Vergangenheit Hertha, Gladbach, Frankfurt und der 1. FC Köln), und erstem Kreis der Hölle, nur eine Liga vor dem endgültigen sportlichen und finanziellen Abgrund entfernt (man denke an 1860 und Lautern). Die Wahrheit liegt wie so oft in der tristen Mitte: In der 2. Bundesliga kommt es darauf an, sich an das spielerisch und taktisch eher rückschrittliche Niveau anzupassen. Der HSV ist in der letzten Saison genau daran gescheitert – man war nicht in der Lage, gegen Mauertruppen mit Konterpotenzial zu bestehen, und verlor reihenweise Heim- wie Auswärtsspiele gegen schwächere Gegner; Mannschaften wie Darmstadt, Regensburg, Ingolstadt oder auch Union Berlin – die sich am Ende sogar über einen unverhofften Aufstieg freuen durften.

Ähnliches Gerumpel wird auch dieses Jahr zu erwarten sein. Ödes Gebolze zu unmöglichen Anstoßzeiten wie samstags um 13 Uhr, Freitags um 18.30 Uhr oder am immer noch nicht abgeschafften Montagabend. Das Gebolze ehemaliger Großvereine werden Fußballromantiker auch diesmal wieder zum „wahren Fußball“ verklären; besonders wenn Spiele in Osnabrück anstehen oder der FC St. Pauli aufläuft. Dabei ist die 2. Liga nicht viel mehr als eine Fahrstuhlliga – das Niveau ist übel, die meisten Vereine wollen wieder weg, nämlich nach oben, allein schon aus finanziellen Gründen, denn jedes Jahr 2. Liga kostet doppelt, was künftige Konkurrenzfähigkeit im Oberhaus angeht. Andere Vereine finden sich in Liga 2 eher eine Klasse zu hoch wieder.

Die beiden Saisoneröffner Stuttgart und Hannover werden es in Sachen Aufstieg sogar am schwersten haben, weil sie weder von innen noch von außen gefestigt sind: Personal­querelen, verstimmtes Umfeld, Finanzpro­bleme sind das Gegenteil von positiver Anpassung ans Realitätsprinzip. Davon profitieren könnte tatsächlich der Club, dem solche Abgründe traditionell allzu bekannt sind, oder der HSV, der sich in Sachen Personalplanung lernfähig zeigt – bescheidene, aber passende Kaderplanung, und Star-Trainer Hecking mit leistungsbezogenem Vertrag. Beim VfB – mit einem erstligafähigen Kader rund um einen gealterten Mario Gomez – wird es drauf ankommen, cool zu bleiben, wenn es mal nicht so läuft.

Das ist die 2. Liga: ödes Gebolze zu unmöglichen Anstoßzeiten

Am Ende könnte das aber erneut eine Saison werden, in der Biedermann und die Konter ansonsten mausgraue Teams dank urdeutscher Untugenden wie „mannschaftliche Geschlossenheit“ und „hinten dicht machen“ nach oben spülen werden. Wenn man mich fragt, spricht das alles sehr für Arminia Bielefeld und den VfL Bochum. René Hamann

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