: „Im Freibad muss es eine Imbissbude geben“
Freibäder werden sich nie rechnen, sagt Achim Wiese von der DLRG. Dennoch seien sie unverzichtbar als Orte der gesellschaftlichen Teilhabe. Bund und Länder dürften die Kommunen mit dem Problem nicht allein lassen und müssten Zuschüsse geben. Allein, es fehle der politische Wille
Interview André Zuschlag
taz: Herr Wiese, was macht ein gutes Freibad für Sie aus?
Achim Wiese: Das sollte für mich ganz unterschiedliche Aspekte haben. Natürlich steht der Freizeitaspekt im Vordergrund, deshalb muss es im Freibad auch eine Imbissbude geben. Das eine ist ohne das andere gar nicht denkbar. Denn ein Freibad ist eine Kultur- und Sozialstätte, da soll man gerne Zeit verbringen. Zum anderen gehören dazu auch vermeintliche Kleinigkeiten, die aber als Rahmenbedingungen ganz wichtig sind. Info-Schilder sollten möglichst mehrsprachig sein. Ins Freibad gehen schließlich nicht nur Leute, die perfekt Deutsch sprechen. Darauf muss ein Freibad achten.
Das klingt fast, als wäre das Schwimmen zweitrangig.
Schauen Sie, im Freibad treffen ganz unterschiedliche Schichten der Gesellschaft aufeinander. Nicht jeder kann sich den Urlaub im Sommer leisten. Da ist das Freibad der Anlaufpunkt, hier geht es um gesellschaftliche Teilhabe. Und dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen.Ein anderer Aspekt ist natürlich, dass die Schwimmausbildung gewährleistet ist. Schülerinnen und Schüler sollen in der Grundschule das Schwimmen lernen.
Wie schätzen Sie den Zustand der Freibäder gegenwärtig ein?
Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, dass jedes Freibad in einem maroden Zustand ist, aber es wurde ausgerechnet, dass 4,5 Milliarden Euro notwendig zur Sanierung von Bädern sind. Rund die Hälfte davon betrifft Freibäder. Dementsprechend kann man problemlos von einem Sanierungsstau sprechen. Dabei ist es paradox: 24 Millionen Menschen in Deutschland betreiben, in welcher Form auch immer, Wassersport. Das kann man nicht einfach als unwichtig zur Seite schieben!
Achim Wiese, 59, ist Sprecher der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG). Zuvor bildete er dort Rettungsschwimmer aus.
Dabei erleben wir gegenwärtig ein Bädersterben, oder?
Wir sagen ganz klar, dass es seit den 90ern ein schleichendes Freibadsterben gibt. Da sind die Zahlen eindeutig. 2001 haben wir bereits eine Resolution verabschiedet, dass diese Entwicklung bedenklich ist. Erst langsam kommt das in den Köpfen der Politiker an.
Was sollte die Politik denn tun? Viele Kommunen, die die Freibäder betreiben, sind pleite.
Klar, die Kommunen haben tatsächlich häufig das Geld nicht. Da sind Bund und Länder gefordert. Wir haben eine Petition gestartet, „Rettet die Bäder“, um Bund und Länder in Bewegung zu bringen. Viel zu häufig werden die Kommunen mit dem Vorwand des Föderalismus allein gelassen. Tatsächlich aber fehlt der politische Wille. Ab Ende der 50er wurden, auf Betreiben der Deutschen Olympischen Gesellschaft, Tausende Sportstätten und Freibäder gebaut – mit Zuschüssen vom Bund.
Aber dann ist ein Freibad immer noch ein Zuschussgeschäft für Kommunen.
Zunächst einmal muss allen klar sein: Betriebswirtschaftlich rechnet sich ein Freibad nicht. Auch ein Theater oder die Stadtbibliothek rechnet sich nicht. Das ist aber nicht der Punkt. Ein Freibad ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Denn Schwimmen zu lernen ist die größte Lebensversicherung. Wer will mit der Verantwortung leben, wenn jemand ertrinkt, weil es keinen Schwimmunterricht gab?
Gibt es auch hier einen Riss zwischen Stadt und Land?
Das ist zweifelsfrei der Fall. Gerade Flächenländer wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben arge Probleme. In den Großstädten ist das vielleicht nicht ganz so dramatisch. Aber auch dort wird es eng. Wenn in einem Stadtteil das Freibad schließt, müssen Schulklassen in ein anderes ausweichen – was aber von den dortigen Schulen belegt ist.
Aber auf dem Land ist es schlimmer?
Auf dem Land ist es dramatischer. Im Landkreis Oldenburg in Schleswig-Holstein hat das letzte, in diesem Fall, Hallenbad dichtgemacht. Die Lehrerinnen und Lehrer für Sport sagen aber: Wir sind hier an der Küste, die Schüler müssen Schwimmen lernen. Jetzt fahren sie immer eine halbe Stunde nach Scharbeutz. Da bleibt dann wegen der Fahrtdauer nur noch wenig Zeit für den Unterricht. Rund 25 Prozent der Grundschulen haben keinen Zugang zu Bädern.
Was halten Sie von der Idee, wenn sich mehrere Kommunen zusammentun? Statt vieler kleiner, maroder Bäder ein neues Erlebnisbad?
Grundsätzlich gibt es da gar nichts gegen zu sagen. Wenn ein Erlebnisbad die Schwimmausbildung gewährleistet und der Zugang zu dem Bad für alle da ist – also nicht zu weit entfernt und nicht zu teuer –, ist das doch in Ordnung. Überhaupt wäre es sinnvoller, wenn manche Kommunen über den eigenen Tellerrand schauen würden. In Süddeutschland haben sich beispielsweise drei Kommunen zusammengetan, betreiben ein Schwimmbad gemeinsam und das rechnet sich sogar. Nicht jede Kommune braucht ein eigenes Freibad, das ist gar nicht unser Anliegen.
Naturbäder scheinen im Trend zu liegen. Sie sollen günstiger im Unterhalt sein. Wäre das nicht für viele Kommunen attraktiv?
Das kann sich tatsächlich hier und da lohnen. Grundsätzlich lässt sich das aber nicht verallgemeinern, weil es auf sehr individuelle Aspekte wie die Sonneneinstrahlung ankommt.
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