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FSC-Holz aus RusslandKahlschlag mit gutem Gewissen

Viele achten beim Kauf von Holz auf das FSC-Siegel. Eine Studie zeigt jetzt, dass aus Russlands Urwäldern trotz Zertifizierung Brachflächen werden.

Selbst bei FSC-zertifizierten Baumstämme muss man auf die Herkunft achten Foto: ap

Holz mit dem FSC-Siegel aus Russland erfüllt die Anforderungen an nachhaltige Waldwirtschaft nicht. Das ist ein Ergebnis einer Studie mehrerer Universitäten im Auftrag der Umweltorganisation WWF, die am Freitag veröffentlicht worden ist. Demnach konnten die Wissenschaftler auf den untersuchten Flächen im Nordosten des Landes keinen wesentlichen Unterschied zwischen FSC-zertifizierten Wäldern und solchen ohne Zertifikat feststellen, teilte der WWF mit. Die Organisation Forest Stewardship Council vergibt in 80 Ländern sein Siegel an Wälder, die nachhaltig bewirtschaftet werden. Dabei handeln in jedem Land Umweltverbände, Sozialorganisationen und Waldwirtschaft jeweils nationale FSC-Kriterien aus.

„In den untersuchten Wäldern haben wir es unabhängig von der Zertifizierung mit großflächigen Kahlschlägen zu tun“, sagt Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland. Die beteiligten Wissenschaftler aus Deutschland, Polen, Russland und Großbritannien fanden bis zu 50 Hektar große Kahlschläge vor – das ist in etwa die Fläche eines kleinen Bauernhofs. Im Zuge der FSC-Zertifizierung würden in Russland Urwaldschutzgebiete eingerichtet, so Winter, das sei ein positiver Effekt. Die Studie zeige aber, „dass der russische FSC-Standard wichtige Kriterien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ignoriert“. Das müsse sich ändern, sonst drohe das Zertifikat seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Geleitet hat die Studie Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. „Die FSC-zertifizierten Flächen haben sich in Russland rasch ausgebreitet“, sagt er, „weil die Firmen Zugang zum europäischen Markt erreichen wollen.“ Die Verbraucher in Europa kauften das Holz mit dem FSC-Siegel und glaubten, sie würden den russischen Wäldern damit etwas Gutes tun. „Das können wir mit unserer Fallstudie leider nicht bestätigen“, so Ibisch.

Schutz von großen Wäldern

Auch beim FSC-Deutschland sieht man es kritisch, dass die russische Partnerorganisation Kahlschläge zulässt, hält den Blickwinkel der Studie aber für zu eng. „19 Prozent der FSC-zertifizierten russischen Wälder sind freiwillig aus der Nutzung genommen“, sagt Lars Hoffmann vom FSC-Deutschland. Ökologisch besonders wertvolle Waldgebiete und große zusammenhängende Flächen ohne Straßen oder Siedlungen würden dadurch besonders geschützt. „Um den FSC in Russland richtig zu beurteilen, muss man diese Aspekte berücksichtigen“, sagt Hoffmann.

19 Prozent der FSC-zertifizierten russischen Wälder sind freiwillig aus der Nutzung genommen

Lars Hoffmann, FSC

Naturschutzexperte Ibisch hält die Kahlschläge allerdings für schwerwiegend: Die überwiegend durch Fichten geprägten nordischen Urwälder seien wichtige Kohlenstofflager, sagt er. Sie sorgen für Stabilität des Klimas in der nördlichen Hemisphäre. „Die borealen Wälder sind ein Mosaik von Mooren und Wäldern, das ist auch wichtig für den Wasserhaushalt.“

Russland lieferte laut dem Thünen-Institut für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie 3,8 Millionen Kubikmeter Rohholzäquivalente nach Deutschland, etwa in Form von Holzstämmen, Brettern, Papier oder Zellstoff. Die Importe steigen seit Jahren an und erreichen einen Umsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro.

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11 Kommentare

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  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    .



    Bitte ein bisschen genauer hinschauen und recherchieren



    www.greenpeace.de/...r-qualitaetssiegel



    Wenn meine Argumente für Sie kein Gewicht haben, ist das eine Sache und wird von mir akzeptiert. Zu behaupten, das seien überhaupt keine Argumente, ist allerdings mehr als nur ein bisschen ignorant



    Und was Sie dauernd mit dem TÜV wollen, eine Analogie, die keine ist und nicht hierher gehört, bleibt Ihr Geheimnis.



    Und ja, ich bemühe mich bei sehr Vielem, genau zurück zu verfolgen. Bei Agrarprodukten und eben Holz ist mir das möglich. Bei technischen Produkten nur bedingt

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @61321 (Profil gelöscht):

      @TRAVERSO

  • Was in Russland diesbezüglich passiert, ist schlimm, allerdings wird dort auch gegen solche korrupten Praktiken vorgegangen. Der Erfolg ist natürlich begrenzt, weil es oft Seilschaften von Provinzfürsten in Tateinheit mit Oligarchen, die in der Jelzin-Ära zu Großgrundbesitzern geworden sind und den deutschen Importeuren sind, die dagegen stehen.

    Ist aber in EU-Ländern wie z.B. Rumänien aber auch nicht besser. Dort gab es u.a. korrupte Nationalpark-Leiter, die den Holzkonzernen das den Raubbau an Urwäldern gestatteten.

    Aber auch bei uns gibt es unzählige Tricks der Waldbesitzer, die sowieso schon nicht so strengen Vorgaben zu umgehen, dazu boten Stürme, Borkenkäfer oder Bauvorhaben reichlich Gelegenheit um über das Ziel hinauszuschießen.

    Überhaupt ist bei staatlichen bzw. im öffentlichen Besitz befindlichen Wäldern die Grundvorgabe eine völlig andere:

    Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1990 ausgeführt: „ Die Bewirtschaftung des Körperschafts- und Staatswaldes dient der Umwelt- und Erholungsfunktion des Waldes, nicht der Sicherung von Absatz und Verwertung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. Die staatliche Forstpolitik fördert im Gegensatz zur Landwirtschaftspolitik weniger die Betriebe und die Absetzbarkeit ihrer Produkte als vielmehr die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts.“ (BVerfG, Urt. v. 31.05.1990, NVwZ 1991, 53).

    • @Khaled Chaabouté:

      Danke für die guten Informationen.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Was kommt im Artikel nicht zu Tage?



    1. Das FSC-Siegel ist schon dem Grunde nach äußerst kritisch zu sehen. Es gilt weltweit, hat keine systematischen Kontrollen, und wenn, ändern aufgedeckte Verstöße nichts am Verhalten vor Ort.



    2. Sanktionen, z. B. Belieferungsstopp oder so? Fehlanzeige.



    3. Am Markt wird mehr FSC-zertifiziertes Holz angeboten, als es forstwirtschaftlich zur Verfügung steht. Nur wundert das niemanden.



    4. Studien erstellen ist nett - ändert aber nichts am Raubbau an der Natur. Es geht um viel Geld, da spielen Ethik oder Ökologie keine Rollen.



    5. Schon einmal einen russischen Steinkohletagebergbau gesehen? Da wird das rheinische Braunkohlerevier aus ökologischer Sicht zum Naherholungsgebiet.



    Nur so kommen die Preise zustande!

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Der FSC war nun weiß Gott schon oft genug im Zentrum kritischen Interesses. Lernen die nicht dazu? Ist es ihnen egal?



    Ich achte seit Langem auf das FSC-Siegel und kaufe nichts wo das drauf pappt.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Fahren Sie auch Auto ohne TÜV- Siegel ?



      Oder haben Sie dort bestes Vertrauen ?



      Jedes, aber auch wirklich jedes Gütesiegel kann umgangen werden. Betrüger gibt es auf allen Ebenen.



      Ist ein Siegel deswegen grundsätzlich falsch ? Ganz bestimmt nicht.



      Ganz einfach: Betrüger müssen gnadenlos vor Gericht. Dort liegt das Problem. Nicht am Siegel und deren seriösen Unterstützern ( z.B. WWF und auch Greenpeace ) selber.



      Wer ohne Siegel kauft kauft garantierter Ausbeutung und Naturzerstörung.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Traverso:

        .



        Nö, FSC ist mir bereits entschieden zu unseriös. Es passieren zu viele komische Dinge, die FSC selber nicht konsequent genug aufklärt und offen legt, bzw. unterbindet.



        Darüber hinaus bin ich nicht ganz einverstanden mit der generellen Linie dieser Organisation. Für andere mag sie ja stimmig sein.



        Will ich wissen, wo meine Ware her kommt, bzw. wie die entsprechenden Herkunfts-Wälder bewirtschaftet werden, gehe ich in eines der nächstgelegenen kleinen Sägewerke, eine Praxis die sich bewährt hat

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Mit dem naheliegenden Sägewerk ist eine echt gute Idee. Für manche Leute ist das möglich, für die meisten Menschen nicht.



          Und Ihr Papier kommt bestimmt nicht vom Sägewerk. Für unzertifiziertes Papier fallen weltweit Urwälder. Ein Siegel wie FSC ist eine gewisse Garantie, schwarze Schafe selbstverständlich ausgenommen.



          Was sind denn die komischen Dinge und die generelle Linie, die Sie ansprechen. Nicht besonders konkret.



          Wissen Sie, was der Unterschied zwischen TÜV und FSC ist ? Ohne TÜV fahren Sie illegal. Holz aus Raubbau wird fröhlich hingenommen und FSC als Unfug hingestellt. Sehr einfach.

          • 6G
            61321 (Profil gelöscht)
            @Traverso:

            .



            Über die Vorwürfe, die dem FSC in der Vergangenheit gemacht wurde, bitte ich Sie, selbst nachzurecherchieren. Es findet sich genug im Netz und ich habe die Informationen nicht auf meinem Rechner abgespeichert. Rumänien hat oben jemand bereits erwähnt.



            Letztlich müsste man überall selbst hin fahren, um sich ein Bild zu machen. Die Berichterstattung, auch in der taz, erlaubt nur, sich grob zu informieren. Es wird viel zu wenig investigativ nachgeforscht und auch wird nie mal nachberichtet, was aus einem Missstand oder einem Skandal geworden ist.



            Gesamteindruck, aus einer Vielzahl von Quellen:



            - FSC ist nicht geeignet, sicher für nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern zu sorgen



            - FSC sitzt Skandale und Vorwürfe aus



            - FSC ist nicht geeignet und auch überhaupt nicht Willens, weltweiten Handel und Transport von Holz und Holzprodukten zu vermindern, im Gegenteil



            - FSC zertifiziert überall wo man sie nur ran lässt. Es fehlt ein übergeordnetes ökologisches Konzept, das streng ist und mit dem jemand einverstanden sein kann, der sich echte Sorgen um die biologischen Ressourcen (hier Wälder) der Erde macht



            Daher der persönliche Verzicht auf jegliche zertifizierte Produkte und ein Beschränken auf Waren, die sich tatsächlich genau zurückverfolgen lassen und eigenen, strengeren Ansprüchen genügen.

            Brechen wir es herunter auf zwei wichtige Kernvorwürfe:



            1) FSC ist genuin ein Rädchen im weltweiten biologische Ressourcen verbrauchenden kapitalistischen Handel. Wer diesen Handel in seiner heutigen Form ablehnt, muss FSC ablehnen.



            2) Mit FSC-Siegeln werden biologische Schätze der Erde, die tatsächlich vor menschlichem Zugriff geschützt werden sollten, nicht wirklich und dauerhaft geschützt. FSC lässt sich überall auf der Welt auf irgendwelche Kuhhandel, das heißt, höchst fragwürdige Kompromisse ein, die strengeren Anforderungen an Naturschutz nicht gerecht werden.

            • @61321 (Profil gelöscht):

              Sie zählen lediglich allgemeine Behauptungen auf, ohne wirklich ein Argument zu nennen.



              Greenpeace, WWF und andere hochproffessionelle, kompetente Umweltorganisationen unterstützen FSC und kritisieren Missbrauch. Sie meinen es besser zu wissen ?



              Ja, FSC wird teilweise missbraucht.



              Wie andere Siegel auch.



              Und das muß bestraft werden.



              Sie sagen: "....Daher der persönliche Verzicht auf jegliche zertifizierte Produkte und ein Beschränken auf Waren, die sich tatsächlich genau zurückverfolgen lassen und eigenen, strengeren Ansprüchen genügen...."



              Der Verzicht auf Siegel bedeutet den Verzicht auf jegliche Kontrolle.



              Wenn Sie dürften würden Sie wohl auch auf den TÜV verzichten.



              Na, dann gute Fahrt !



              Und bei allem, was Sie konsumieren, verfolgen Sie bis zum Rohstoffabbau zurück ob es fair, ökologisch und sozial hergestellt wurde ? Dafür müßten Sie den Nobelpreis bekommen. Wenn Sie es wirklich könnten....