Serie: Fünf für die Finals: Der Super-Kanut
Ronald Rauhe, seit 20 Jahren Leistungssportler, stellt immer noch Weltrekorde auf. Auch bei den Finals wird er wohl gewinnen.
Ein Haus am See vor den Toren Berlins, großer Garten, Terrasse, weiter hinten steht ein hölzernes Klettergerüst, Ronny Rauhe hat es selbst für seine Kinder gezimmert. Rauhe, Kanute, Olympiasieger und vielfacher Welt- und Europameister, der ein bisschen aussieht wie ein Cousin von Jürgen Vogel, lädt zu sich nach Hause ein, was nicht viele Spitzenathleten tun. Er tut das oft, und so wuseln in Texten über Rauhe immer die Kinder durch die Gegend, die heute unbeeindruckt im Wasser planschen, ein bürgerliches Idyll.
Rauhe tritt so bodenständig auf, wie das Szenario vermuten lässt. „Ich weiß durch das viele Reisen die Heimat mehr zu schätzen. Als ich jung war, war das Reisen noch ganz toll und das Heimatgefühl nicht so intensiv. Jetzt ist es immer ein besonderes Gefühl, wenn wir über Tegel einfliegen.“
Etwa ein Drittel des Jahres verbringt der gebürtige Spandauer im Ausland, oft beim Wintertraining in Florida. Ein Opfer, das der Sport mit sich bringt. Seit gut zwanzig Jahren ist er Leistungssportler, mit brennendem Ehrgeiz, immer noch stellt er Weltrekorde auf. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Rio 2016 wollte er eigentlich die Laufbahn beenden. Dann wurde der Kajak-Vierer über 500 Meter ins olympische Programm aufgenommen, und jetzt macht er doch weiter, bis 2020. Es wären seine sechsten Olympischen Spiele. „Soweit meine Recherchen gehen, haben das erst vier oder fünf Deutsche geschafft.“ Das zu überprüfen, hat er sich dann doch nicht nehmen lassen.
Was gibt der Spitzensport einem Menschen zwanzig Jahre lang, dass er davon nicht lassen kann? „Es sind weniger die Medaillen, die mich reizen. Es ist die Herausforderung. Sobald ich meine eigenen Ansprüche nicht mehr erfülle, höre ich auf. Ich setze mich nicht in irgendein Boot, um der Drittbeste zu sein und mich mitziehen zu lassen.“ Die Motivation, glaubt Rauhe, müsse aus dem Inneren kommen, er habe da diesen Antrieb. Man müsse einen kleinen Tick haben, sonst mache man es nicht so lange in dem Geschäft, „jedenfalls nicht zwanzig Jahre lang“.
Rauhe lacht viel und laut
Er lacht viel und laut im Gespräch, es ist leicht, mit Rauhe zu reden. Gleichzeitig vermeidet er konsequent das Sportler-Du, er hält eine gewisse Distanz. „Manchmal resümiere ich erst in Gesprächen bewusst meine Karriere“, sagt er einmal. Seine Berufswahl ist im Vergleich zu vielen anderen Sportlern kein Überraschungsmärchen, sondern ziemlich offensichtlich: Beide Eltern waren Kanuten, der Vater auch Sportlehrer, allerdings waren sie nicht so erfolgreich wie Rauhe Junior. Selbst die angeheiratete Familie macht auf Sport und Wasser; Rauhes Frau ist Kanu-Olympiasiegerin Fanny Fischer, sein Schwiegervater Kanu-Weltmeister, die Schwiegermutter Schwimm-Olympiasiegerin.
Trotzdem sagt Rauhe, da sei kein Zwang gewesen in der Jugend. Er habe viele Sportarten ausprobiert. Im Kanuverein verbrachte er lange Sommer am und im Wasser, das gefiel ihm. Mit neun oder zehn Jahren sei er die erste Regatta gefahren, eigentlich zu jung. „Man durfte erst ab zwölf. Aber mein Vater hat mich älter gemacht, weil ich so genervt habe, dass ich unbedingt wollte.“ Es folgte eine Ausnahmekarriere. Olympisches Gold 2004, Silber 2008, zweimal Bronze und haufenweise WM- und EM-Gold.
„Die Finals – Berlin 2019“ vereinen zehn Deutsche Meisterschaften im Bahnrad, Bogensport, Boxen, Kanu, in der Leichtathletik, im Modernen Fünfkampf, Schwimmen sowie Turnen, Triathlon und Trial. Mehr als 3.300 Sportlerinnen werden am 3. und 4. August um insgesamt 202 Entscheidungen kämpfen. Unter anderem soll der sogenannte Randsport besser präsentiert werden. Tickets gibt es unter www.finals2019.berlin.de.
Die Serie Die taz berlin stellt bis zum Beginn der Finals jeden Montag eine*n Teilnehmer*in der Wettkämpfe vor. Nächste Woche geht es um die Fünfkämpferin Annika Schleu.
Ronald Rauhe wurde 1981 in Westberlin geboren. Schon seine Eltern waren Kanuten, seine Kindheit war von Sport geprägt. Rauhe ist einer der erfolgreichsten Kanuten der Gegenwart. Er holte olympisches Gold 2004 sowie zweimal Bronze und einmal Silber, ist neunfacher Kanu-Weltmeister und zehnfacher Europameister. Rauhe ist Sportsoldat bei der Bundeswehr und SPD-Mitglied. Er ist mit der Kanu-Olympiasiegerin Fanny Fischer verheiratet und hat zwei Söhne. Nach Olympia 2020 will er seine Karriere beenden. (asc)
Mit Kollege Tim Wieskötter im Zweier war Rauhe acht Jahre ungeschlagen, „wie eine Ehe“ sei das gewesen, so lange zusammen auf engem Raum. „Man kennt irgendwann die Macken des anderen und weiß sie zu respektieren.“ Wieskötter sei eher ruhig gewesen und habe abends ein Buch gelesen, er selbst habe raus gewollt. Es fanden sich aber dann andere Sportler, die mit Rauhe auf Erkundung gingen. Noch einmal olympisches Gold, diesmal im Vierer, hätte er gern zum Karriereabschluss. Und dann Schluss, endgültig. „Ich habe keine Angst.“ Das Ende des Leistungssports werde er nicht bereuen, zumindest glaubt er das jetzt, er lacht wieder.
Ronny Rauhe ist eher kein Typ, der nach so einer Karriere ausflippt oder in Tibet meditieren geht. Er freue sich, sagt er schlicht, wenn es einen geregelten Übergang in den Beruf gibt, er habe ja Verantwortung für die Familie. Mehrere Angebote hat er, unter anderem Marketing für die Staatskanzlei in Brandenburg. Etwa an diesem Punkt stellt sich heraus, dass Rauhe mal für die SPD für den Landtag kandidierte. Mehr überredet worden sei er, und den Vorschlag, die SPD suche ja jetzt Führungspersonal, lehnt Rauhe dankend ab. „Die Politik war ein Ausflug, den ich für mich nicht mehr so sehe. Ich hatte mir sie anders vorgestellt.“ Wie anders? Er zögert. „Ehrlicher“, sagt er dann. „Ich dachte, man kämpft mehr für die Sache und nicht für das Ego.“ Mit seiner Ehrlichkeit sei er zu langsam gewesen in der Politik. Genosse ist er geblieben.
Im Marketing, das er auch studierte, wird Rauhe weiter gern eingesetzt. Derzeit ist er eines der Gesichter für die Finals – Deutsche Meisterschaften mit Show-Element, um sich neu zu präsentieren, um Menschen näher an den Sport zu bringen, er findet so was super. „Wir könnten noch viel mehr solcher Veranstaltungen machen.“
Ohnehin ist Rauhe ein Befürworter großer Sportevents, ganz offen auch von Olympia in Berlin. Er weiß um die Kritik: Die enormen Kosten, fehlende Nachhaltigkeit, aber nein, das ändert seinen Standpunkt nicht. „Die Kosten sind doch halbherzige Argumente. Die Leute gucken nicht auf die Werte, die der Sport vermittelt. Toleranz, Wertschätzung. Der Sport ist kein Allheilmittel, aber ein ganz wichtiger Baustein, um die Gesellschaft zu stärken.“
Jetzt klingt er tatsächlich ein bisschen nach SPD. Rauhe, der dem Sport viel verdankt, will ihn weitergeben. Mit den Kindern probiert er viele verschiedene Sportarten, sie sollen nicht zwingend beim Kanu landen. Es wäre natürlich wenig überraschend, wenn sie es täten. Die Abwechslung gefällt Ronny Rauhe, in vielerlei Hinsicht. „Das ist wahrscheinlich ein Geheimnis, warum ich Sport mache. Weil ich immer die Chance hatte, mich auf andere Dinge einzulassen. Es war nie langweilig.“
Selbst bei den Finals wartet eine Premiere: Rauhe wird auf der Innenstadt-Spree paddeln, erstmals überhaupt. Und das unter ungewohnten Wettkampfbedingungen – die Kanuten treten auf einer Distanz von nur 160 Metern gegeneinander an, immer im Modus eins gegen eins. Wer verliert, ist raus. Gut, dass Rauhe selten verliert.
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