piwik no script img

Kolumne Frauen-WMEiner trage des anderen Last

Unser Autor wollte mit einem Leihrad zu seinem Hotel, das malerisch an einem Autobahnkreuz liegt. Dabei hätte er fast seinen Daumen verloren.

So idyllisch wäre unser Autor auch gern durch Frankreich gefahren. Bei ihm lief es etwas anders Foto: Unsplash/Caroline Tribe

D iese Weltmeisterschaft hat mich den Daumen gekostet. Den linken. Ein bisschen zumindest. Ich bin der Almuth Schult der WM 2019. Die hatte sich beim Training auf den von den Spielerinnen so sehr gehassten Kunstrasenplätzen, auf denen vor vier Jahren die WM in Kanada ausgetragen worden ist, den Finger ausgekugelt. Der ist bis heute steif. Ob ich meinen Daumen wohl je wieder bewegen kann?

Schuld ist die Weltmeisterschaft. Nur wegen der bin ich ja in Frankreich unterwegs. Schuld ist auch die Eselsrepublik, ohne die ich in Valenciennes nicht in mein malerisch an einem Autobahnkreuz liegendes Hotel gekommen wäre. Donkey Republic ist ein Fahrradverleihservice aus Dänemark, bei dem ich mich angemeldet habe, nachdem ich mich erkundigt hatte, wie ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem abseits der Stadt gelegenen Hotel gelangen kann.

Gar nicht.

Das heißt, ich hätte eine halbe Stunde Tram und Bus fahren können, um dann noch eine Dreiviertelstunde zu Fuß zu gehen. Weil ich für die taz unterwegs bin, kommt für mich nicht infrage, ein Auto auszuleihen, sonst hätten die Klimaskeptiker von rechts ja nichts zu lachen über diesen armseligen, moralbesoffenen Schmierfink von der links-grün versifften Lügenpostille. Dass ich überhaupt keinen Führerschein habe, braucht ja niemand von denen zu wissen.

Ich habe mir also einen der Drahtesel der Eselsrepublik, die am Bahnhof von Valen­ciennes stehen, ausgeliehen, bin damit zum Hotel gefahren und wollte ihn am nächsten Tag wieder zum Bahnhof zurückbringen. Als ich an diesem nächsten Tag aufsteigen wollte, hat mich das Rad, dessen Schloss ich am Tag zuvor über eine App ansteuern konnte, nicht mehr erkannt. Ich stand am Rand von Valenciennes mit einem abgesperrten Rad, das mir nicht gehört, und wusste nicht recht weiter.

Ich habe die österreichische Nummer gewählt, die die App mir angezeigt hat, und bin tatsächlich in einem Callcenter gelandet. Der Mann, der mit mir sprach, hatte jenen indischen Akzent, der in Sitcoms ganz originell sein mag, den ich aber gar nicht mehr witzig fand, als ich gemerkt habe, dass ich ihn überhaupt nicht verstehe. Ich habe dann das 30 Kilo schwere Rad die sechs Kilometer in die Stadt getragen, um der Strafe zu entgehen, die fällig geworden wäre, wenn ich das Rad an einem nicht vorgegeben Rückgabeort zurückgelassen hätte. Dabei habe ich wohl meinen Daumen verloren.

Obwohl. Vielleicht ist es ja doch nicht so schlimm. Am Ende dieser Kolumne tut er schon fast nicht mehr weh.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Am schönsten ist die "links-grün versifften Lügenpostille". Ab heute werde ich den Autor wohl häufiger zitieren.

    Für die Erfahrung mit den sehr eingeschränkten Nutzungszonen hätte der Autor nicht nach Frankreich fahren müssen. Von den allseits so gelobten vielzähligen Leihangeboten deckt kein einziges das gesamte berliner Stadtgebiet ab. Für eine Fahrt von zu Hause (noch Berlin) in die Innenstadt brache ich mit den Öffentlichen mehr als die im Artikel ganannte 1 Std 15.

    Nur in meiner Gegend wohnt natürliche keiner der armseligen, moralbesoffenen Schmierfinken.