Zehn Jahre Weltnaturerbe Wattenmeer: Serengeti mit Seehunden
Die drei Wattenmeer-Nationalparks in der Nordsee sind Naturreichtümer von Weltrang. Probleme gibt es dennoch zuhauf.
In der Region seien auch viele, die zunächst mit dem Nationalpark gehadert hätten, mittlerweile überzeugte Anhänger dieses Projekts geworden. Die Bewahrung der Artenvielfalt und der touristische Nutzen für die Region würden dort eng miteinander verknüpft. „Dies geschieht dort vorbildlich in einer seltenen Symbiose zwischen Tourismus und Naturschutz.“
Auch Peter Südbeck spricht von einem „Glücksfall“. Dem Wattenmeer hätte nichts Besseres passieren können als der Status des Weltnaturerbes, findet der Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Das sei „etwas ganz Besonderes“ gewesen, sagte er der Oldenburger Nordwest-Zeitung: „Es war der Anstoß für ganz viele Maßnahmen in Naturschutz, Umweltbildung und nachhaltigem Tourismus.“
Etwa 500 Kilometer lang ist die Küste zwischen der dänischen Stadt Esbjerg und Den Helder in den Niederlanden, knapp 12.000 Quadratmeter groß ist die Fläche, die seit den 1980er-Jahren in mehreren Schritten unter Naturschutz gestellt worden war; vor zehn Jahren wurden die ersten Areale als Naturerbe der Menschheit ausgezeichnet, seit 2014 trägt das gesamte Wattenmeer diesen Titel.
Das Wattenmeer an der Nordseeküste ist das weltgrößte tideabhängige Sand- und Schlickwatt. Dort leben rund 3.200 Tierarten, 250 von ihnen sind endemisch.
Am 26. Juni 2009 wurden die Nationalparks vor Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den Niederlanden von der Unesco als Weltnaturerbe anerkannt. 2011 kam das Hamburgische Wattenmeer dazu, 2014 das dänische.
Die Nationalparks sind in zwei Schutzzonen eingeteilt. Zone 1 ist für Menschen geschlossen, in Zone 2 darf gebadet, gesegelt und nach strengen Kriterien gefischt werden.
Und seit der Unterschutzstellung ist der Naturreichtum in der Tat gewachsen. Rund zehn Millionen Wat- und Wasservögel rasten hier zwei Mal jährlich auf ihren Zügen in und von den Brutgebieten, etwa eine Million von ihnen ist an der Nordseeküste heimisch. Der Bestand an Seehunden stieg von etwa 5.000 Mitte der 1970er-Jahre auf nunmehr etwa 40.000 Seehunde, aus wenigen hundert Kegelrobben wurden rund 5.000, vor den nordfriesischen Inseln Sylt und Amrum liegt in der Kinderstube der Schweinswale das einzige heimische Walschutzgebiet. Es ist „einer der größten natürlichen Lebensräume Westeuropas“, heißt es bei der Umweltstiftung WWF, aus deren Wattenmeerbüro in Husum der schleswig-holsteinische Teil des Welterbes gepflegt wird.
Auch die Schutzstation Wattenmeer ebenfalls in Husum weist auf vor gravierende Probleme in dem Ökosystem hin. „Dieser einmalige Naturraum ist in seiner Existenz gefährdet“, sagt Geschäftsführer Harald Förster. Durch den Klimawandel drohen große Wattgebiete schon in wenigen Jahrzehnten mitsamt ihrer Tier- und Pflanzenwelt für immer verschwunden zu sein, wenn keine Trendwende erreicht wird.
Förster fordert schärfere Einschränkungen und Verbote für schädliche Eingriffe in das Wattenmeer. Vor allem die Erdölförderung auf der Bohrplattform Mittelplate nördlich der Elbmündung habe in einem Welterbegebiet nichts zu suchen. Auch müsse die Einleitung von Pestiziden aus der Landwirtschaft ins Wattenmeer gestoppt werden.
Und Manfred Knake vom Ostfriesischen Wattenrat kritisiert, dass der Weltnaturerbestatus „als Werbe- und Vermarktungslabel der Tourismuswirtschaft an der Küste missbraucht wird“. Millionenfache Übernachtungszahlen in den Küstenbadeorten und auf den Inseln sei nachteilig für Küstenvögel und andere Lebewesen. Ebenso würden die Windparks an Land und auf dem Meer vor allem die Vögel gefährden, so der Wattenrat.
Weitere Gefahren kämen aus Naturschutzsicht hinzu durch Ausbaggerungen, Schifffahrt, Fischerei, Müll und Industrieanlagen. „Bei diesen Themen muss immer wieder für die Erhaltung von Arten und Lebensräumen gestritten werden“, betont der WWF.
Ende Mai warnten Umweltorganisationen das Unesco-Welterbekomitee, die geplante Elbvertiefung könnte das Weltnarurerbe gefährden. Der grüne Minister Albrecht sieht dafür jedoch bisher keine Anzeichen: „Wir haben jedenfalls keine Erkenntnisse, dass dies so wäre.“ Niemand sei daran interessiert, den Welterbe-Status infrage zu stellen.
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