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Parlamentswahl in DänemarkWahlcafé mit Klima

Auf der dänischen Halbinsel Thy buhlen die Parteien mit ihrer angeblichen Kompetenz in Sachen Klima um Wählerstimmen.

Ole Iversen, Chef des Fahrradclubs auf der Halbinsel Thy. Er will die Sozialdemokraten wählen Foto: Carsten Hougaard

Thisted taz | Die Sonne scheint und eine leichte Brise weht durch die Fußgängerzone von Thisted, der „Hauptstadt“ der zwischen Limfjord und Nordsee gelegenen Halbinsel Thy in Nordwestjütland. An diesem Wochenende ist „By Night“, die Geschäfte haben bis 22 Uhr geöffnet. Auf dem Store Torv, dem Marktplatz vor dem alten Rathaus, bieten die lokalen Lebensmittelproduzenten ihre Produkte zum Verkosten an – Bier, Eis, Schnaps. „Smag på Thy“ – probiere Thy“, heißt das.

„By Night“ gibt es viermal im Jahr. Doch diesmal ist es anders. Am Mittwoch wählt Dänemark ein neues Parlament. Vor vier Jahren lagen die bürgerlichen Parteien in Thy bei fast 60 Prozent. „Ich habe den Parteien gesagt, dass sie sich heute mal zurücknehmen sollen“, sagt Michael Vendelbo, Chef des Handelsforums in Thy, der das Ereignis organisiert.

Aber das ist wohl nicht bei allen angekommen. Unweit des Store Torv steht Thorkil Olesen. Der 54-Jährige ist Folketingskandidat der Sozialistischen Volkspartei (SF). Bei der Wahl 2015 wurde seine Partei von den Wählern abgestraft. Da bildete sie mit den sozialliberalen Radikale Venstre und den Sozialdemokraten die Regierung. Grade mal zwei Prozent der Wähler in Thy wählten die Partei. Landesweit waren es 4,2 Prozent.

„Vor vier Jahren waren Flüchtlinge und Integration die beherrschenden Themen des Wahlkampfes. Diesmal steht Klima im Vordergrund. Das ist eines unserer Schwerpunktthemen“, freut sich Thorkil Olesen, der in dem Fischereihafenstädtchen Hanstholm eine Fischmehlfabrik leitet.

Gute Chancen

Seine Partei schickt sich diesmal wieder an, eine Regierung mit den Sozialdemokraten zu bilden. Die Chancen stehen nicht schlecht. Neueste Umfragen zeigen einen komfortablen Vorsprung für den sogenannten Roten Block um die Chefin der Sozialdemokraten Mette Frederiksen.

Thorkil Olesen hat auch kein Problem damit, dass die Sozialdemokraten auf ihrer mit der bürgerlichen Regierung und der Dänischen Volkspartei ausgehandelten Verschärfung der Ausländergesetze bestehen. „Wir wollen mitregieren. Und das Thema Flüchtlinge ist nicht das Wichtigste für uns“, sagt er.

Am Alten Rathaus steht Susanne Zimmer und verteilt Flyer und kleine Rumkugeln aus Kichererbsen. Sie ist Spitzenkandidatin der grün-alternativen Alternativet in Nordjütland. Ihre Partei hat 10 von 179 Sitzen im Parlament. Umfragen sehen die Partei bei sechs Mandaten.

Doch die zierliche Frau mit den graumelierten Haaren lässt sich nichts anmerken. „Bei allen Debatten, an denen ich teilgenommen habe, waren Klima und Gesundheit beherrschende Themen. Das ist Kernkompetenz meiner Partei“, sagt sie.

Schlacht in Dezibel

Im Hintergrund scheint es, als ob die Marktstände eine Schlacht in Dezibel austragen. Laute Musik beschallt die Besucher auch von dem Stand des „Thy Cykle Ring“. Der Fahrradklub, dessen prominentestes Mitglied, Michael Valgren 2018 Nummer 44 bei der Tour de France wurde, wirbt um neue Mitglieder. Vorsitzender ist Ole Iversen. Der 60-jährige Fotograf will diesmal seine Stimme den Sozialdemokraten geben.

„Die haben das beste Programm. Eine gute Klimapolitik und eine stramme Ausländerpolitik, wo man keine mehr rein lässt und die, die schon hier sind, integriert“, meint Iversen.

Am Ende der Vestergade gelangt man zum Wahlcafé des sozialdemokratischen Parlamentsmitglieds Simon Kollerup. Er hat die Kandidatin der Radikalen Venstre, Helle Sommer Kjærgaard, eingeladen. Etwa 20 Zuhörer sitzen auf Klappstühlen. Es geht um Elektromobilität, Plastikverbote, erneuerbare Energie und die Erhaltung der fünf Regionalparlamente. Das Thema Ausländer klammern die beiden aus.

Nach fünf Stunden in der Fußgängerzone macht Thorkil Olesen Schluss. „Jetzt sind mir die Leute zu betrunken“, sagt er.

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