: Die Linke will ans Geld
Mit breiter Mehrheit stimmt der Linksparteitag für rot-grün-rote Verhandlungen. Immerhin 20 Prozent der Delegierten wollen aber mehr – nämlich die Revolution
Von Klaus Wolschner
Die Mehrheit war eindeutig – mit 49 zu 13 Stimmen haben die Delegierten der Bremer Linkspartei am Donnerstagabend die Beteiligung an Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen beschlossen. Einer der profilierten Gegner dieses Beschlusses, Peter Erlanson, der nach 12 Jahren jetzt aus der Bürgerschaft ausscheidet, warnte davor, sich „in die Posten treiben“ zu lassen. Die Linke müsse aber „die Bewegung stärken“, erklärte er, es gehe um einen „gemeinsamen Kampf mit den Unterdrückten zur Überwindung des Kapitalismus“. Zum Abschied bekam er ein Che-Guevara-Poster mit seinen Gesichtszügen geschenkt.
Eine gute Portion Revolutionsromantik gehört bei der Linkspartei dazu. Für einige der Altgenossen und für die Vertreter der Jugend-Gruppe Solid ist „die Revolution“ ein Argument für die Regierungsbeteiligung. „Alles ist in den vergangenen Jahren abgeschmettert worden, weil kein Geld da sei“, erklärte Erlanson. Das braucht man aber: für mehr Personal in den Kliniken, für den öffentlichen Nahverkehr, der kostenlos werden soll. Und für den Kita-Ausbau und die Schulen. Kostenloses Schulessen und Inklusion brauchen mehr Geld.
„Wohnraum für alle“ soll der Senat finanzieren. Die Linksjugend fordert „eine offensive Aufnahmepolitik“ für Flüchtlinge, Bremen soll mit einem „Landesaufnahmeprogramm“ als „ein sicherer Hafen“ attraktiv werden, es soll keine Diskriminierung von „Papierlosen“ geben, denn „der Kampf gegen rechts wird an der Asylfrage ausgefochten“. Ein „deutlicher Politikwechsel“ sei erforderlich, „der teilweise über den Kapitalismus hinausweist“ und der „viel Geld kostet“, erklärte ein Delegierter.
Woher das Geld kommen soll, ist klar: von den Reichen, die mehr besteuert werden müssten, und solange das nicht so einfach geht, über Schulden. Insbesondere die Grünen als Wunschpartner beharren aber darauf, nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen Schulden zu machen.
Das Geld-ausgeben-Dürfen wurde damit zur Kernfrage der Politik-Diskussion. Die Anhänger der Regierungsbeteiligung kritisierten nicht die Revolutionsromantik, die vollkommen immun zu sein scheint gegen historische Erfahrungen mit sozialistischen Experimenten, sondern wiesen pragmatisch darauf hin, dass „nichts besser wird, wenn wir nicht in der Regierung sind“. Die Alternative zu Links-Grün-Links sei eben Jamaika, und die WählerInnen würden die Linkspartei „abstrafen, wenn wir uns verweigern“.
Christoph Spehr, ehemaliger Landesvorstand
Der Abgeordnete Klaus-Rainer Rupp, der in den vergangenen Jahren immer wieder in der Bürgerschaft die Schuldenbremse kritisiert hat, machte deutlich, dass man die demokratischen Mehrheiten sehen muss – in Bremen wie in Berlin ist die Schuldenbremse derzeit nicht zu kippen. „Wir werden Kröten schlucken müssen“, prophezeite Parteivorstandssprecherin Cornelia Barth.
Die Spitzenkandidatin Kristina Vogt – die auf den Wahlkampfplakaten überhaupt keinen revolutionären Eindruck gemacht hatte, wie ein Delegierter vermerkte, berichtete, dass ihr die möglichen Regierungspartner „auf Augenhöhe“ begegnet seien. Die Mitglieder der Sondierungskommission sprachen von Übereinstimmungen, die Mut machen würden für einen „Politikwechsel nach links“: Schulbau wäre möglich mit einer privaten Schulbaugesellschaft, also außerhalb der „Sparbremse“, mehr Radwege könne es geben, einen Stopp des Verkaufs von Wohnungen, Einfluss auf die Gewoba im Interesse bezahlbarer Wohnungen. Soziale Projekte in den Stadtteilen sollten zuverlässig Geld bekommen.
Der frühere Vorstandssprecher der Partei, Christoph Spehr, suchte die Erwartungen etwas abzukühlen mit der Zusicherung: „Es geht nicht um den Sozialismus morgen“, es gehe derzeit nur darum, ob man sich auf Koalitionsverhandlungen einlässt. Man werde mit den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen wieder an die Basis zu den Genossen kommen.
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