: Seelische Schmerzen
Vor dem Saisonfinale gegen Frankfurt steht auch für den Bayern-Trainer Niko Kovač viel auf dem Spiel. Nach Berichten, die von den Münchnern dementiert wurden, soll sein Abgang bereits feststehen
Aus München Maik Rosner
Am Freitag folgte der nächste Tiefschlag für Niko Kovač, nicht einmal 24 Stunden nachdem er im Zuge der Dauerdebatte um seine Zukunft fehlende Menschlichkeit beklagt hatte. Die Internetportale Spox und Goal meldeten, dass das Aus des Trainers des FC Bayern bereits beschlossen sei, unabhängig vom möglichen Double-Gewinn. Den Berichten zufolge soll Kovač, 47, nach dieser Saison vom ehemaligen Münchner Profi Mark van Bommel, 42, ersetzt werden, der gerade als Trainer der PSV Eindhoven in Holland Zweiter hinter Ajax Amsterdam geworden ist.
Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge dementierte die Meldungen zwar via Bild-Zeitung eilig als „totale Ente“. Doch für Kovač war es auch so ein neuerlicher Wirbel zur Unzeit vor dem Finale der Bundesliga, wenn es für ihn und seine Mannschaft darum geht, das vor allem psychologisch aufgeladene Fernduell mit dem Tabellenzweiten Borussia Dortmund für sich zu entscheiden. Zwei Punkte und 17 Tore Vorsprung haben die Bayern vor dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt auf den BVB, der bei Borussia Mönchengladbach antreten muss. Ein Unentschieden genügt den Münchnern, um den siebten Meistertitel in Serie zu gewinnen. Doch all das verblasst ebenso wie der Ausstand von Franck Ribéry und Arjen Robben gerade hinter der Dauerdebatte über Kovač. Wie sehr diese ihm zusetzt, hatte der Trainer am Donnerstag dargelegt.
Zunächst bezeichnete er die zuletzt distanzierten bis teils beschädigenden Aussagen von Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamidžić als „Nebensächlichkeiten“, die ihn „wirklich nicht interessieren“. Doch später gewährte er in seinem vorläufigen Saisonfazit tiefe Einblicke. „Es war sehr aufschlussreich, sehr lehrreich“, sagte Kovač über sein erstes Amtsjahr in München, das er nun mit dem Meistertitel und am 25. Mai mit dem Pokalsieg abschließen könnte, trotz Herbstkrise und viel Gegenwind, auch von innen. Er habe gemerkt, „wie schwierig es ist, Mensch zu bleiben. Der Mensch ist schon eine sehr schwierige Spezies“, sagte Kovač. Ob er das konkretisieren könne? „Ich glaube, Sie können sich einen Reim darauf machen“, antwortete Kovač, ehe er grundsätzlich wurde. „Wenn man miteinander spricht, darf eine gewisse Ebene nie unterschritten werden“, befand er. Man könne kritisch sein, „aber alles muss ein gewisses Niveau haben“.
Kovač gab dann noch ein Beispiel für den Fragesteller. „Wenn ich Ihnen jetzt eine kleben würde, dann hätten Sie kurzzeitig Schmerzen und es würde vorübergehen. Aber wissen Sie, was das Schlimme ist? Die Seele“, sagte Kovač emotional, „das tut viel mehr weh. Das geht nicht weg.“ Er verwies auf die zunehmenden Depressionen in der Gesellschaft. Er sei kein „Moralapostel“, sagte Kovac, sondern schlicht so erzogen, dass man empathisch miteinander umgehen müsse. Sein Appell: „Wir müssen mehr den Menschen sehen und nicht immer nur drüberfahren und draufhauen. Und noch mehr und noch mehr.“ Es klang, als spreche Kovač auch über den Umgang mit ihm. Jedenfalls sprach er nicht über Nebensächlichkeiten.
Zuletzt hatten viele mehr Anerkennung für Kovač angemahnt, zumal mitten im schwierigen Umbruch bei den Bayern. Öffentlich gestützt wurde er auch von Uli Hoeneß, der vor einem Jahr maßgeblich dafür gesorgt hatte, dass Kovač das Erbe von Jupp Heynckes antreten konnte. Doch auch Hoeneß hatte zwischenzeitlich Zweifel an Kovač erkennen lassen und positionierte sich womöglich vor allem wegen des traditionellen Machtgerangels als Gegenpol zu Rummenigge, der immer wieder die Erfolgspflicht eines Bayern-Trainers anführte.
Dieser könnte der Kovač nun zwar gerecht werden, wenn seine Spieler die Nervenprobe gegen Frankfurt bestehen. Bei der Saisonbilanz sollte auch nicht vergessen werden, dass das Team zwischenzeitlich neun Punkten Rückstand auf Dortmund hatte. Doch allem Anschein nach könnte ihm auch der Meistertitel nicht helfen, Trainer bei den Bayern zu bleiben. Kovač hatte zu seinem möglichen Aus Folgendes bemerkt: Er sei längst unabhängig und mache den Job nicht primär aus finanziellen Interessen, sondern aus Freude.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen