Michael Brake
Nullen und Einsen
: Rezo und die YouTuber-Welt? Ich bin zu alt für so was

Foto:  Foto: Erik Irmer

Nein, ich habe das Rezo-zerstört-die-CDU-Video nicht gesehen. Also: nicht komplett. Hey, es ist 55 Minuten lang! Wer hat bitte so viel Zeit? Ja wohl nur Leute unter 30. Alle anderen denken sich: 55 Minuten, danach bin ich schon fast tot.

Es ist leider so: Durch die Debatte um das Rezo-Video habe ich (38) mal wieder gespürt, wie alt ich bin. Ich verstehe diese YouTuber-Welt nicht (alt). Ich will sie auch gar nicht mehr verstehen (superalt). Außerdem finde ich es ziemlich anstrengend, mir diesen immer etwas zu schnellen, zu lauten, zu überdrehten YouTuber-Sprachduktus, bei dem alle Sprechpausen mit Jumpcuts rausgeschnitten wurden, länger als 5 Minuten anzuhören (alt, alt, superalt!).

Und auch wenn ich es natürlich sympathisch finde, dass jemand die CDU argumentativ auseinandernimmt, bin ich doch leicht überfordert von Ein-Personen-Sendestationen mit einer Reichweite, bei der es früher irgendeine Form von redaktionellem Korrektiv gab. Bzw. spüre ein diffuses Unbehagen, wenn jemand, der bisher vor allem öffentlich Musik gemacht hat, auf einmal sehr vielen jungen Menschen Politik erklärt. Andererseits: Würde keiner so ein Video bringen, hieße es wieder, die Jugend von heute sei unpolitisch und selbstbezogen. Auch nicht besser.

Ich bin übrigens auch zu alt, um eine Idee zu haben, wie die CDU auf das erste Video hätte reagieren können, ohne wie ein Volltrottel dazustehen. Aussitzen? Ignorant. Mit den gleichen Mitteln antworten? Unglaubwürdig. In irgendeiner Form darlegen, wo Rezo sich geirrt hat? Besserwisserisch. Ein elfseitiges PDF als Antwort veröffentlichen? Peinlich. Sich hinstellen und sagen: Hey, der junge Mann hat einfach in vielen Punkten recht, wir sind ein ziemlicher Mistladen? Sehr einsichtig, aber strategisch auch nicht wirklich klug, eventuell. Es ist irgendwie alles falsch. Eine Cyber-Zwickmühle.

Immerhin weiß ich, was man beim nächsten Mal lieber nicht machen sollte: 1. Ein Antwort-Video ankündigen und dann doch nicht veröffentlichen. 2. Das Folge-Video (von den 70 Youtuber:innen) als „Meinungsmache“ bezeichnen und suggerieren, man müsse das alles jetzt erst mal regulieren. 3. Auf dem Wort „zerstören“ herumreiten. Ja, das klingt drastisch, aber es ist im YouTube-Kontext eben nicht so martialisch gemeint (habe ich gelesen, ich weiß es natürlich nicht aus erster Hand, ich bin ja zu alt).

Die Fünftage-vorschau

Do., 30. 5.

Adrian Schulz

Jung und dumm

(auf taz.de)

Fr., 31. 5.

Hengameh

Yaghoobi­farah

Habibitus

Mo., 3. 6.

Jasmin Kalarickal

Minority Report

Di., 4. 6.

Juri ­Sternburg

Lügenleser

Mi., 5. 6.

Anja Maier

Bauern­frühstück

kolumne@taz.de

Generell ist es etwas trostlos, dass der Union bei Gegenwind der jüngeren Generation nichts Besseres einfällt, als auf Formfehler hinzuweisen. „Er hat ‚zerstören‘ gesagt“ und „Er hat blaue Haare“ passt gut zu der Reaktion auf die Fridays-for-Future-Demonstranten: „Die haben die Schule geschwänzt.“ Okay, haben sie. Und deswegen muss man nicht mehr über ihre Inhalte diskutieren? Ich bin mir nicht sicher, ob das der klügste Weg ist, junge Menschen für sich zu begeistern. Aber vielleicht bin ich auch zu alt, um das richtig einzuschätzen.